Brachte sich Kanamu Sakama um, weil er nicht kämpfen konnte?

Kanamu Sakama.

Der plötzliche Tod des 20-jährigen japanischen Boxers Sakama erschüttert die Welt, die neuesten Informationen lassen einen ratlos zurück.

Der Tod gehört zum Leben dazu. Bei den meisten Menschen tritt er an einem späteren Lebensabschnitt ein, wodurch sie sich gewissermaßen darauf einstellen können, auch wenn es schwerfällt. Bei einigen Menschen tritt der Tod jedoch unerwartet früh ein, beispielsweise durch eine schwere Krankheit. Manchmal verlieren auch sehr junge Menschen ihr Leben, was stets besonders dramatisch und tragisch ist. Doch letztendlich gehört der Tod zum menschlichen Dasein dazu.

Es ist ein äußerst sensibles Thema, das mit äußerster Sensibilität behandelt werden muss. Es ist unangebracht, aus Sensationsgier über potenzielle Todesursachen zu spekulieren und sie auszuschlachten. Andererseits ist es wichtig, potenzielle handfeste Indizien anzusprechen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Die folgende Spekulation basiert auf einem Artikel eines japanischen HOF-Writers, weshalb ich sie hier teilen möchte.

Joe Koizumi schreibt von Selbstmord

Der plötzliche und unerwartete Tod des erst 20-jährigen Kanamu Sakama war ein absoluter Schock. Natürlich beschäftigt man sich instinktiv mit der Frage nach der Todesursache und wie eine solche Tragödie überhaupt geschehen konnte. Tatsache ist, dass Sakama gestern in Tokio seinen japanischen Jugendmeistertitel hätte verteidigen sollen, jedoch konnte er am Sonntag aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Wiegen erscheinen. Berichten zufolge hatte er zudem Fieber.

Es schien zunächst, als hätte Sakama beim Gewichtmachen Komplikationen erlebt und in diesem Zusammenhang verstarb. Das Gewichtmachen ist im Kampfsport leider zur Norm geworden, bei der durch das Ausschwitzen von Körperflüssigkeiten schnell bis zu 10 kg abgenommen werden können, um in einer niedrigeren Gewichtsklasse mit physischen Vorteilen anzutreten. Manchmal vertragen Körper das Aushungern und Entwässern jedoch nicht, was zu Kollaps und im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen kann. Nun gab es allerdings einen Artikel von Joe Koizumi auf Fightnews.com, der einen anderen Sachverhalt nahelegt.

Laut Koizumi, einem renommierten japanischen Boxschreiber, der auch Mitglied der International Boxing Hall of Fame ist, ereignete sich ein Selbstmord. Koizumi schrieb dazu:

Sakama (9-0, 8 KOs) is said to have committed suicide as he couldn’t make good condition to fight and had his bout cancelled, of which he might have too seriously felt guilty. Even if responsible for this cancellation, Kanamu need not punish himself by such an incomprehensible way. Still young, he could have re-established his career despite a single default.

Übersetzung: „Sakama (9-0, 8 KOs) soll sich das Leben genommen haben, da er nicht in gutem Zustand für den Kampf war und sein Kampf abgesagt wurde, wofür er sich möglicherweise zu sehr schuldig gefühlt hat. Selbst wenn er für diese Absage verantwortlich war, hätte Kanamu sich nicht auf so unverständliche Weise bestrafen müssen. Trotz seines jungen Alters hätte er seine Karriere trotz eines einzigen Fehlers wieder aufbauen können.“

Hohe Suizidzahlen in Japan und das Gefühl der Schande

Der ehemalige japanische Samurai-Gebrauch Seppuku.

Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass ein junger Mensch wegen des Scheiterns beim Einhalten des Gewichts sich freiwillig aus dem Leben nehmen würde. Allerdings darf man natürlich auch den Leistungsdruck nicht vergessen, dem insbesondere junge Leistungssportler ausgesetzt sind. Die zukünftige Karriere wird manchmal von einem Sieg oder einer Niederlage maßgeblich beeinflusst. Viele Sportler trainieren ihr ganzes Leben lang und bereiten sich auf die große Chance vor, und ein Versagen gilt als ausgeschlossen. Neben den eigenen Erwartungen werden sie häufig auch vom ehrgeizigen Umfeld umzingelt, wo die Erwartungshaltung ebenfalls exorbitant hoch ist. Spaß an der eigenen Entwicklung verspürt man in solchen Konstellationen häufig nicht, es herrscht eher die Angst vor dem Versagen und die Pflicht, es unbedingt zu schaffen.

In Japan ist die Zahl der Suizidfälle leider besonders hoch, und insbesondere junge Männer sind überproportional betroffen. Allerdings gab es auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder traurige Nachrichten von Kindern, die den Freitod scheinbar als einzigen Ausweg für ein sorgenfreies Dasein ansahen. Der Suizid hat in Japan eine traurige Tradition. Schon bei den Samurai war es eine feste Praxis. Der sogenannte Seppuku bezeichnete einen Vorgang, bei dem sich ein Samurai freiwillig mit dem Schwert erstach, wenn ihm Schande widerfahren war. Mit diesem Ritual sollte die Schande bereinigt und das Gesicht der Familie gewahrt werden. Dieses brutale Ritual wurde erst im späten 19. Jahrhundert offiziell verboten.

Auch die Kamikaze-Piloten erlangten aus Japan Bekanntheit. Im Zweiten Weltkrieg haben sich zudem ganze Familien selbst umgebracht, weil die Schande einer Gefangenschaft nicht in Frage kam. Entweder man kämpfte bis zum Umfallen oder man brachte sich selbst um.

Der Suizid muss nicht alternativlos sein

Ruhe in Frieden, Kanamu Sakama.
Ruhe in Frieden, Kanamu Sakama.

Es ist eigentlich unvorstellbar, dass ein junger Mensch sich wegen eines so trivialen Grundes wie einem verpassten Gewichtslimit das Leben nehmen könnte. Auf der anderen Seite erinnere ich mich an das Profidebüt einer jungen Japanerin im vergangenen Jahr, die ungefähr 17 oder 18 Jahre alt war. Sie verlor ihr Debüt knapp nach Punkten, was nichts Ungewöhnliches ist. Ihre Mutter stand jedoch am Ring und zog verärgert die weinende Tochter am Arm aus der Halle. Man würde denken, dass die arme Tochter Trost braucht, nachdem sie verloren hat. Stattdessen schien es, dass die Mutter die Niederlage ihrer Tochter als Schande für die Familie betrachtete.

Es gibt noch keine bestätigten Berichte darüber, woran Sakama letztendlich gestorben ist. Vielleicht war es eine Folge des Gewichtmachens, vielleicht das Ergebnis des Scheiterns beim Gewichtmachen, vielleicht etwas ganz anderes. Unabhängig davon sollte eines klar sein: Dieser junge Mensch wird nicht zurückkehren. Solche Fälle können in verschiedenen Bereichen auftreten, in denen man mit anhaltendem Leistungsdruck konfrontiert ist. Man hat ständig Ziele, die man niemals verfehlen darf, sei es bei Klausuren, Prüfungen im Leistungssport usw. Man kann überall im Leben mit der Angst vor dem Scheitern konfrontiert werden. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass es auch nach einem Scheitern noch Alternativen gibt. Die Welt dreht sich auch nach einem verpassten Ziel weiter. Und hoffentlich auch das eigene Leben. Niemand muss alleine mit seinen Problemen fertig werden. Es ist oft sehr hilfreich, sich jemanden zu suchen, mit dem man sprechen kann, sei es die Telefonseelsorge oder jemand anders. Sie sind nicht allein.

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