Schattenboxer Teil 8: Panama Lewis

Schattenboxer – das ist Hinterhof. Das ist die Farbschicht, die von Betonwänden abblättert, an denen verblichene Bilder kleben. Bilder von den Guten, den Bösen und den Hässlichen. Bilder, die manchmal eine Collage bilden. 

Schattenboxer – Die Geschichte von Panama Lewis

Der Hässliche: „Schuld? Sind nur Verlierer!“

„Obwohl Betrug in allen anderen Bereichen schändlich sein mag, ist er im Ring lobenswert und ruhmvoll, und jener, der seine Gegner durch List überwindet, ist ebenso zu preisen wie der, der sie durch brachiale Gewalt bezwingt.“ Diese Worte passen zu Humberto Carlos Lewis, in Boxerkreisen besser bekannt als Panama Lewis. Viele erfolgreiche Kämpfer schwören auch heute noch auf die Dienste und das Wissen von Panama, der als Boxtrainer ein Meister der Worte ist. Ein Prediger, der viele mit seiner Auslegung von Religion und Philosophie blenden und täuschen kann. So gelingt es dem umstrittenen Coach immer wieder auf Boxevents zu erscheinen oder in Big Fights involviert zu sein. Trotz seines lebenslangen Boxverbotes und trotz seiner kriminellen Vergangenheit.

Es ist 1986, als der Prozess gegen den Boxer Luis Resto und dessen Trainer Panama Lewis beginnt. Beide streiten ab, die Handschuhe im Kampf gegen Billy Collins Junior manipuliert zu haben. Lewis sagt, er habe keine Ahnung, wer das getan habe. Doch das Gericht glaubt ihm nicht. Schon Wochen vor dem Kampf gab es Hinweise darauf, dass Panama Lewis einem seiner Boxer ein Dopingmittel im Trinkwasser verabreicht hat. Im August spricht das Gericht Resto und Lewis schuldig. Resto bekommt wegen schwerer Körperverletzung und Betrug eine Gefängnisstrafe von drei Jahren.

Panama Lewis wird ebenso zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Zwar können die Ankläger ihm die Tat nicht eindeutig nachweisen, dennoch halten sie ihn für den Kopf hinter dem Verbrechen. Lewis ist der Mann mit dem größten Motiv, er wollte, dass Resto gewinnt. Zudem hat er Verbindungen ins Drogenmilieu. Die Polizei vermutet, dass Kokainbosse Geld auf Restos Sieg setzten. Und Lewis sollte dafür sorgen, dass Resto gewinnt. Panama streitet das ab, Beweise fehlen. Aber es gab vor dem Kampf ein Treffen in einem New Yorker Café mit einem Kokainboss. Der Kokainboss soll zu Panama gesagt haben: „Kümmere dich darum, dass Resto gewinnt.“

Mitverantwortlich für den Schuldspruch ist der Boxfunktionär und Journalist Randy Gordon. Auf die Frage ob Panama Lewis irgendwann seine Boxlizenz zurückerhalten kann, sagt Gordon 1986 festentschlossen: „Niemals!“ In den nächsten Jahren tut er alles, um Panama vom Boxsport fernzuhalten. „Ich habe viel mit der Familie Collins geredet und das waren die schlimmsten Gespräche meines Lebens. Darum habe ich öffentlich Anklage erhoben und dafür gesorgt, dass Lewis und Resto schuldig gesprochen. Das habe ich der Familie von Collins versprochen.“

Doch Unschuld und Schuld sind manchmal Zellennachbarn: 1998 scheinen Randy Gordon und Panama Lewis ein Herz und eine Seele. Für den Kampf von Francois Botha gegen Mike Tyson arbeiten sie zusammen, Lewis als inoffizieller Trainer und Gordon als Manager von Botha. Gordon versucht sich zu erklären: „Ich habe das Collins Drama nie vergessen, immer weitergeforscht. Doch je mehr Antworten ich bekam, desto mehr neue Fragen tauchten auf. Ja, früher war ich von Panamas Schuld restlos überzeugt. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Damals waren drei Leute in Restos Ecke. Mir hat Panama anvertraut, dass ihm alles leid tut, er als Boss für alles gerade stehen muss, auch wenn er selbst nicht alles mitgekriegt und nicht er Restos Hände bandagiert hat. Panama hat seine Strafe abgesessen. Er hat zu Gott gefunden, hilft vielen Gestrauchelten. Mein Kreuzzug gegen ihn ist damit zu Ende.“

Der Teufel bekehrt mehr Menschen als der Priester. Dabei schwätzt Panama Lewis viel von Gott. Und es fällt schwer seiner pathetischen Art keinen Glauben zu schenken. Viele Boxer suchen seine Hilfe, seinen Rat. Immer wieder tauchen sogar Champions in seinem Gym auf. Panama hat viel Einfluss und noch mehr Freunde sowie Gönner. In einer Boxdokumentation lächelt er in die Kamera. Er trägt an jeder Hand teure Ringe und Schmuck. Um den Hals goldene Ketten. Er bedankt sich bei Gott für sein Leben, bei Gönner Mario für sein Gehalt, bei Freund Scott für sein Gym und die Wohnung und bei Richie für den Mercedes.

Kein Wunder, dass Skeptiker meinen, Panama habe seinem stärksten Kritiker Gordon nur Gift in ein Getränk gemischt. Wie damals im legendären WM-Fight zwischen Aaron Pryor und Alexis Arguello. Legendär wegen dem Gefecht und wegen der Worte von Panama in der vorletzten Pause, die von den Mikrofonen aufgezeichnet wurden: „Gib mir die andere Flasche, die ich gemixt habe, die schwarze Flasche!“ Der völlig erschöpfte Pryor bekam den Schluck aus der berüchtigten schwarzen Flasche und eine Wandlung schien in ihm vorzugehen. Er ging raus, explodierte und schlug seinen Widersacher vor der Zeit.

Panama, der als Boxer selbst nur wenig Kämpfe vorzuweisen hat, war als Trainer durchaus erfolgreich und betreute viele namhafte Champions (u.a. Mike Tyson, Arturo Gatti, Francois Botha, Sultan Ibragimow und Zab Judah). Selbst nach seiner Sperre arbeitete er jahrelang in seinem Gym, aber immer im Schatten, nie offiziell in den Ringecken seiner Boxer. Wie eine jener Ratten im Boxgeschäft, die nur gelegentlich ans Licht gelangt und meist im Dunkeln agiert. Nicht umsonst heißt es: „Im Boxsport haben nicht die Ratten Angst vor den Raubtieren, sondern die Raubtiere Angst vor den Ratten!“

Am Ende verloren haben nur die Collins und die Restos. Warum zum Beispiel war keine Boxaufsicht in Restos Kabine, als die Handschuhe und Bandagen angelegt wurden? Wegen solcher Fragen strengte die Familie Collins viele Entschädigungsklagen an. Gegen die Boxer, gegen Panama, gegen den Boxverband, gegen die  Funktionäre, doch am Ende gingen sie leer aus. Schuld als verschiedene Stufen der Unschuld. Oder: Selbst weiße Tauben werfen schwarze Schatten …

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