Taples: „Die Gürtel sind zweitrangig, mir geht es nur darum, der Erste zu sein der gegen Inoue gewinnt“.
Der philippinische Champion der WBA- und IBF im Junior-Federgewicht, Marlon Tapales, wird am morgigen AM 26. Dezember in Tokio, Japan, gegen den anderen zweifachen Champion der WBC und der WBO, Naoya Inoue, in einem Kampf um alle vier Gürtel in dieser Gewichtsklasse antreten, aber obwohl das Aufeinandertreffen unweigerlich als Kampf um die unbestrittene Weltmeisterschaft im Junior-Federgewicht geballt ist, erkennt Tapales seinen wahren Wert nicht in den Trophäen der vier Gürtel, sondern im Status, den weltbesten und unbesiegten Naoya Inoue zu besiegen.
„Es ist wirklich, wirklich wichtig für mich, nicht weil es um den unbestrittenen Titel geht, sondern mir geht es einzig darum Inoue zu schlagen“, sagt er. „Er ist die Nummer eins aller gewichtübergreifenden besten Boxer der Welt. Er ist ein wirklich ein guter, erfahrener Boxer; sie sagen, er ist das komplette Paket. Ihn zu schlagen ist wichtiger als alle diese Gürtel“.
Und doch ist es wegen der Gürtel, dass Tapales seine Chance bekommt. Nachdem er alle vier WM-Gürtel im Bantamgewicht gewonnen hat, will Inoue dasselbe auch im Junior-Federgewicht tun. Es ähnelt der Position, in der sich der Brite Paul Butler vor einem Jahr befand: Er wurde mehr wegen der Gürtel, die er besaß, als wegen der Bedrohung, die er darstellte, nach Tokio eingeladen.
Und Tapales wird genau das in ähnlicher Weise zugeschrieben – obwohl er sagt, dass es nichts Neues für ihn ist Außenseiter zu sein, und weist darauf hin, dass ihn das schon zuvor beim Kampf gegen Murodjon Akhmadaliev verärgert hat, dass er als der große Außenseiter gehandelt wurde, um die beiden Titel von ihm zu gewinnen, die er jetzt gegen das „Monster“ von Yokohoma verteidigen wird.
„Wenn die Leute sagen, dass ich keine Chance habe, fühle ich nichts“, sagt er. „Es ist keine große Sache. Ich bin es gewohnt, dass die Leute so reden. In meinem letzten Kampf sagten sie, ich habe überhaupt keine Chance, sie sagten genau wie jetzt bei Inoue, Akhmadaliev wäre unschlagbar, aber ich habe letztendlich gewonnen“.
So gut dieser Sieg, diese geteilte Punktentscheidung für den 31-jährigen Rechtsausleger auch war, es gibt einen wichtigen Vorbehalt: Dass Akhmadaliev zwar in der Tat hoch angesehen war, aber eben doch kein Naoya Inoue war. Tapales befindet sich dementsprechend inmitten des längsten Trainingslagers seiner Karriere; vier Monate in Las Vegas unter der Leitung seines Trainers Ernel Fontanilla.
„Ich trainiere wirklich hart und ich habe ein gutes Team“, sagt er. „Alle sagen, dass ich nicht gewinnen kann, aber ich weiß, woran ich arbeite. Die Chance ist immer da. Alles, was ich tun muss, ist hart zu arbeiten und alles ist möglich. Ich weiß, wozu ich fähig bin“.
Und wozu genau ist er fähig?
„Ich kann ihn umhauen“, sagt Tapales. „Jeder spricht über seine Macht, aber ich habe auch Macht. Timing und Macht.“
„Ich habe Schwächen bei Inoue gesehen. Er ist ein wenig offen, wenn er seine Schläge setzt. Wenn ich getroffen werde, bin ich zu einem Gegenschlag bereit, oder ich kann mich für Kombinationen einrichten“.
Frühere Inoue-Gegner dachten, sie hätten auch Fehler gesehen, stellten aber fest, dass einer der härtesten Puncher des gesamten Boxsports, sie dann doch brutal zu Boden schlug, was dann sicher ganz schnell die Wahrnehmung veränderte. Aber Tapales, der seit mehr als fünf Jahren ein Super-Bantamgewichtler ist, glaubt, dass er einen natürlichen Größenvorteil gegen einen Mann wie Inoue haben wird, der bisher nur einen einzigen Kampf im Junior-Federgewicht hatte.
„Jeder Boxer hat einen Power Punch, wenn er sauber trifft, also sparre ich mit schwereren Boxern, mit Federgewichtlern und Super-Federgewichtlern“, sagt Tapales. „Sie haben mich geschlagen und ich konnte es ertragen, es fühlt sich gut an, also bin ich auf ihn vorbereitet. Ich bin größer als er – ich kann seinen Schlag absorbieren, ich kann seine Macht überwinden“.
Zweifellos hat sich Stephen Fulton, den Inoue in seinem Super-Bantamgewichts-Debüt im Juli so beeindruckend geschlagen hat, dasselbe vorgestellt, aber die Realität war ganz anders. Doch so geht Tapales davon aus, dass dies mehr auf Fultons psychologische Versäumnisse zurückzuführen war.
„Er hat Inoue zu viel Respekt entgegengebracht“, sagt er. „Die Leute sagen, dass es Inoues beste Leistung war, aber Fulton fühlte sich von Anfang an unwohl, man konnte das sehen“.
Was auch immer in Tokio passiert, man bekommt den Eindruck, dass Tapales – zu diesem Zeitpunkt jedenfalls – an sich selbst glaubt. Es ist ein Vertrauen, das aus früheren Siegen als Außenseiter geboren wurde, dass man auf den harten Weg gekommen ist und von Rückschlägen gelernt hat, und dass man von bescheidenen Anfängen zum Erfolg auf Weltebene aufgestiegen ist.
„Meine Kindheit war hart“, sagt er. „Das Aufwachsen in Kapatagan, Phillipinen, war ein hartes Leben, sehr landwirtschaftlich“.
„Es gab keine Geschichte mit dem Boxsport in meiner Familie. Ich habe nie über Boxen nachgedacht, bis mein Bruder mir ein paar Handschuhe gekauft hat, nur so als Geschenk. Ich baute einen kleinen Sandsack und hängte ihn im Haus auf und trainierte mich selbst“.
„Ich hatte meinen ersten Kampf, als ich etwa acht Jahre alt war. Ich hatte nie einen richtigen Amateurkampf, aber wir kämpften früher am Fluss und benutzten die Handschuhe meines Bruders oder meiner Nachbarn“.
Trotz dieses Mangels an formeller Amateurerfahrung wurde Tapales 2008 im Alter von 16 Jahren schon Profi. Zu der Zeit hatte er keine Erwartungen, erkannte aber bald, dass er auf etwas setzen könnte.
„Ich habe nur zum Spaß geboxt, aber sie gaben mir Geld um professionell zu kämpfen und ich denke, es ist eine große Sache“, sagt er. „1.800 Pesos [etwa 40 Euro] – zu der Zeit war das für mich viel Geld“.
Sein Siegerdebüt dauerte 54 Sekunden, und Tapales machte weiterhin einen schnellen Start in seine Karriere. Er erzielte in seinem sechsten Kampf einen Sieg über den damaligen hocheingeschätzten Ryan Tampus und das veranlasste den Manager von Tampus, ihm einen Vertrag anzubieten.
„Ich habe die Schule abgebrochen, um in die Großstadt zu gehen“, sagt er. „Ich bin nach Cebu gezogen, um in einem professionellen Fitnessstudio zu trainieren. Mein Trainer dort sagte mir, dass ich ein Talent fürs Boxen habe, also begann ich mich zu konzentrieren“.
Auf ein erfolgloses Angebot für eine philippinische Meisterschaft innerhalb seines ersten Jahres folgte ein erfolgreiches 10 Monate danach, und in seinen frühen 20ern war Tapales gut in seinem Schritt, eine Attraktion zu Hause und ein Gewinner bei Kämpfen in den Vereinigten Staaten und Japan.
Dies führte zu seinem ersten „Welt“-Titel, durch einen spannenden Knockout in der 11. Runde über den WBO-Bantamgewichts-Champion Pungluang Sor Singyu im Juli 2016. Es war ein Vier-Knockdown-Kampf bis hin zum Ziel, wobei Tapales selbst zweimal in der fünften Runde zu Boden musste, aber dann doch den Einheimischen überdauerte, als die gnadenlose Nachmittagssonne auf einer Outdoor-Arena in Thailand niederschien.
„Meine Ecke wollte, dass ich den Kampf auf schnellen Beinen zurückgehen sollte, um zu überleben, aber ich weigerte mich zu rennen“, sagt er. „Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn ausknocken musste um zu gewinnen, weil es Thailand ist und die Punktrichter dort bestimmt für den Einheimischen sind. Ich musste ihn umhauen“.
Das war genau das, was er dann auch tat, aber wenn dieser Mann aus den südlichen Philippinen vom tropischen Klima Thailands unbeeindruckt war, fand er, dass ein frostiger Frühling in Japan ein anderes Problem darstellte. Tapales sollte seine erste Verteidigung gegen Shohei Omori machen, verlor aber den Gürtel auf der Waage auf, da er trotz zweier Versuche das Gewicht nicht bringen konnte.
„Ich war sehr traurig darüber“, sagt er. „Wir gingen schon fünf oder sechs Tage früher, vor dem Kampf nach Japan und ich kämpfte darum mein Gewicht zu reduzieren, weil es so kalt war und genau das hat mich schwach gemacht“.
Tapales landete einen weiteren vorzeitigen Sieg in der 11. Runde, aber seine Bantamgewichts-Tage waren gezählt. Er hat seitdem sieben von acht Kämpfen i. M. Nächst höheren Gewicht gewonnen, wobei nur Akhmadaliev über die Distanz ging. Aber auch wenn diese fantastische schlagstarke Form Grund zum Optimismus gegen Inoue bietet, wird sie durch die einzige Niederlage – eine umfassende – im Junior-Federgewicht gegen Ryosuke Iwasa dann doch wieder gemildert. Tapales erklärt jedoch: „Mein Trainer, damals Rodel Mayol, stimmte dem Kampf zu, ohne mich vorher zu fragen. Ich hatte nicht genug Zeit, nicht genug Training, etwa nur vier Wochen, sehr kurz für mich. Außerdem hatte ich mit meinem Team zu kämpfen, und Iwasa ist ein sehr guter Boxer, er hat Geschick und er hat Macht“.
Wenn jemand Geschick und Macht hat, dann ist es Inoue, aber Tapales warnt davor, das Iwasa-Ergebnis als Maßstab für seine Chancen hier zu verwenden.
„Es war das letzte Mal, dass ich verloren habe gegen Iwasa und das war im Dezember 2019 vor mehr als vier Jahren“, sagt er. „Ich habe mich inzwischen sehr verbessert. Ich habe mit Fontanilla einen neuen Trainer, er trainiert mich sehr gut, er hat meinen Stil und meine Technik und auch meine Kondition immens verbessert.“
Kann das möglicherweise ausreichen, um zu punkten, was die Verärgerung des Jahres wäre? Tapales glaubt verständlicherweise, dass es so ist, aber wenn wir diesen Glauben ebenso verständlicherweise nicht teilen können, versucht er, uns zu überzeugen, indem er seine Sprache ändert. Es ist immer noch Englisch, aber es ist eine Version, die viele bevorzugen würden, wenn sie nicht gesprochen würde, auch wenn es eine ist, die alle Boxer verstehen: die Sprache der Gürtel.
Tapales mag sagen, dass die Aussicht, Inoue zu schlagen, wichtiger ist als die Gürtel – und das ist unbestreitbar wahr -, zitiert aber die Gürtel als Symbol der Hoffnung.
„Immer, wenn ich um die ‚Weltmeisterschaft‘ kämpfe, werde ich der Außenseiter genannt“, sagt er. „Aber immer beweise ich, dass die Leute falsch liegen“.