Die Heavyweight Debatte in 2022

2022 – Ein neues Jahr hat begonnen. Neue Regeln und Verordnungen der Coronapandemie überziehen nach wie vor Veranstaltungen jeglicher Art. Auch der Boxsport steht vor einem weiteren Jahre voller Herausforderungen, welche natürlich nicht nur Corona geschuldet sind.

Die alt bekannten hiesigen Promoter, fragwürdige Entscheidungen der großen Verbände oder auch einfach unvorhersehbare Launen der Natur, sind garantiert auch 2022 im Programm des Profiboxens‘ enthalten. Dabei könnten die Dinge doch so einfach sein, denkt man sich als regulärer Fan. Vor allem in der Königsdivision, dem Schwergewicht.

Undisputed

Das große Wort einmal Vorweg. Im letzten Jahr begegneten wir diesem Wort immer häufiger im Boxen. Josh Taylor, Canelo und auch Usyk hatten wir das meist zu verdanken. Letzterer ist auf einem guten Weg sich diesen großen Traum bald auch im Schwergewicht zu erfüllen, was zumal seit dem großen Lennox Lewis auch schon zwei Jahrzehnte her ist. Tyson Fury hält bekanntlicher Weise den letzten Gürtel (WBC) der Usyk dafür fehlt. Doch auch Fury hat bereits laut verheißen lassen, dass es auch seine Absicht sei, unumstrittener Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Leider muss ich persönlich gestehen, dass man auf Aussagen des Gypsy Kings‘ in letzter Zeit nicht viel geben kann. Furys‘ Team, als auch er selbst, werfen mit vielen Namen dieser Tage um sich, wobei sie selbst kaum zu wissen scheinen, wer nun schließlich der nächste Gegner sein wird.

Usyk vs. AJ 2

Usyk steht zum wiederholten Male vor Anthony Joshua und wird vermutlich ein weiteres Mal seine überlegene Klasse demonstrieren. Es fällt mir schwer sich ein Szenario vorzustellen, in dem JoshuaUsyk besiegt. Vor allem nicht wenn ich mich daran entsinne, wie Usyk in den letzten zwei Rundendes ersten Kampfes einfach zwei Gänge hoch schalten konnte, obwohl er schon 10 Runden lang das Tempo unglaublich anzog. Dass AJ ihn mit purer Wucht und zerstörerischer Kraft erschöpfen soll, halte ich für ein unglaublich großes Gerücht und Wunschszenario von Vertretern des AJ-Fanlagers.

Usyk wird in meinen Augen, was seine Power und sein Chin angeht, maßlos unterbewertet oder einfach auch unterschätzt, weil es nie so offensichtlich getestet wurde. Oder doch?
In Retrospektive hat der ukrainische Rechtsausleger durchaus Einiges gefangen, was als
Beweismaterial heran gezogen werden könnte. Von „Delboy“ Derek Chisora und AJ im
Schwergewicht, als auch ein bisschen was von Briedis, Bellew und Gassiev im Cruiserweight.

Foto: Mark Robinson Matchroom Boxing

Ehrlicherweise muss man sagen, dass Bellew und Gassiev Opfer von Usyks‘ Agilität und
meisterhaften Verteidigung wurden, dennoch sollte man nicht vergessen, dass es sich in beiden Kämpfern um Boxer handelt, die durchaus in der Lage waren/sind, Heavyweights (in Bellew mit zweifachen Sieg gegen Ex-Schwergewicht Champ David Haye) Probleme zu bereiten. Klar haben wir Usyk noch nie in die richtig großen Bomben laufen sehen aber ich denke auch nicht, dass sich das jemals ändern wird.

Usyks‘ Power ist ein anderes Fragezeichen. Gerade Interviews auf Social Media in denen er
wörtlich sagt „er hofft dass er kein Knock-Out brauchen wird und alle heil aus dem Ring wieder rauskommen“, verblüffen dann doch die ein oder anderen Boxfan. Diese Aussage blieb mir auch im Kopf hängen als sein Weggefährt Lomachenko im Dezember Richard Commey nicht finishen „wollte“ (?), nach dem der doch schwer angeklingelt war.
Meine Vermutung ist, dass Usyk die Power und Intensität im zweiten Kampf gegen AJ durchaus hoch schrauben wird und ein K.O innerhalb 10 Runden durchaus möglich erscheint.

Sollte Usyk erneut über Joshua triumphieren, hat er bereits angekündigt, dass er nur im Sinn hat Undisputed zu werden und danach aufzuhören. Doch ob das dieses Jahr noch passieren wird?

Tyson Fury und die großen Fragezeichen

Foto: Frank Micelotta/Fox Sports

Der große Gypsy King, der neue Messias im Schwergewicht, der neue GOAT. Schnell, wendig, viel Power und Charisma im Rahmen eines schwabeligen Riesen. Die überpromotete Persönlichkeit Furys‘ ist schon fast nervig, wenn man sich genauer anschaut was eigentlich dahinter steckt.

Die Wilder-Triologie

Nach dem ersten Kampf mit Wilder erschien es, als sein ein Phönix aus der Asche auferstanden. Neuer Wind im Schwergewicht und im Kampf um die Krone(n) der Division. Fury zeigte unglaublichen Skill und auch ein riesiges Herz. Der Bronze Bomber kam mit einem ungeschlagenen Rekord und einer hohen Knock-Out Ratio in den Ring, doch sollte man nicht vergessen welche erheblichen Probleme er in den Kämpfen zuvor, mit Gegnern geringerer Namen als Tsyon Fury hatte. Dennoch geben ihm seine K.O.-Siege durchaus Recht und der erste Kampf zwischen Wilder und Fury hat durchaus hohe Aussagekraft.

Der zweite Kampf war schon ein Geniestreich von Fury, Sugar Hill und Co. Perfekter Gameplan, perfekt ausgeführt und die große Klappe aus dem Build-Up mehr als gerechtfertigt. Jetzt wäre es an der Zeit gewesen sich Joshua zu widmen aber dann kam diese mysteriöse Situation der „Abitration-Clause“, welche Wilder vor Gericht gewann und meiner Meinung nach die Handschrift des unendlich listenreichen Bob Arum auf sich trägt. Die Lücke zwischen Amerika und Europa (England) ist in diesen Belangen leider einfach doch noch zu groß.

Auch wenn der dritte Kampf zwischen Wilder und Fury wahrscheinlich den höchsten
Unterhaltungswert der Triologie hatte, so war er doch nicht zum Vorteil Furys‘ Reputation. Fury war in meinen Augen um einiges langsamer und auch viel zu schwer geworden. Wilder konnte sich selbst kaum noch auf den Beinen halten, was aber immerhin ausreichte um Fury zu Boden zu schicken. Auch haben wir im dritten Kampf auch nichts Neues gelernt, was wir nicht schon in den zwei Kämpfen davor erkannt haben: Fury ist der bessere Boxer. Punkt.

AJ, Whyte, Usyk oder doch lieber wieder ein No-Name?

Dauer-Mandatory der WBC Dillian Whyte war also nicht zufrieden mit einem 80/20 Split der
Kampferträge und wird voraussichtlich nicht gegen Fury kämpfen. Whyte hatte durchaus  gute Argumente, zumal er schon ewig auf der Warteliste steht und auch in der Lage ist Stadien in England zu füllen. Doch wer Fury boxen will, muss vermutlich nach Las Vegas und sich mit Frank Warren und vor allem Bob Arum einig werden. Unlängst sind schon verschiedene Namen exotischer Kandidaten in den endlosen YouTube-Interviews als Furys‘ nächste potentielle Gegner gefallen – unter anderem auch der des finnischen Hühnen Helenius. Betrachtet man Furys‘ Resümee etwas genauer, wäre das aber genau so ein Name den man erwarten würde (abgesehen von Chisora und Klitschko).

Joshua vs. Fury wäre nach wie vor der größte britische Kampf der letzten 10 Jahre (Sorry Kell Brook). Doch was Bob Arum vermutlich davon hält soll sich jeder selbst ausmalen. In vielen Fällen war ich mir sicher, dass Fury der klare Favorit gegen Joshua sei, jedoch nicht nach den letzten Auftritten beider Boxer. Fury erschien mir, wie bereits erwähnt, etwas zu langsam, eingerostet und zu schwer. Joshua hingegen versuchte bei enormem Tempo und meisterhafter Taktik & Technik von Usyk mitzuhalten. Auch wenn er verloren hat, keine schlechte Leistung. Anthony Jusha in dieser Form gegen Tsyon Fury? Mein lieber Scholli, da müsste sich Fury warm anziehen.

Doch ob mit oder ohne Titel kommt es einem so vor, als sei AJ vs. Fury wahrscheinlicher, als Fury vs. Usyk. Fury und sein Team wirken vielmehr auf das große Geld und viel Show bedacht, als auf die sportlichen Aspekte. Zumal sich Fury selbst nach der ersten Begegnung mit Usyk an Bob Arums‘ Geburtstag und Lomas‘ Kampf gegen Commey, für seine Verhältnisse eher bedeckt hielt was Herausforderung anging.

Oleksandr der Große

Nicht zu klein, nicht zu leicht, genug Kraft und Energie & IQ ohne Ende. Über Usyk haben sich die Meinung der Anhänger des Boxsports im Jahr 2021 drastisch geändert. Für Viele ist er inzwischen der Favorit auf die unumstrittene Krone und man muss sich gestehen: es ist verdammt schwer ihn nicht zu mögen. Sympathisch. Respektvoll mit Gegnern, Reporten und Fans. Transportiert edle Werte von Familie und Sportsmanship in jede Pressekonferenz und jeden Ring. Und dann ist da noch diese wahnsinnig sportliche Leistung die er abliefert.
Es ist schon eine Augenweide dem Ukrainer im Ring zuzuschauen. Einmalige Beinarbeit, ein
Bilderbuch-Jab und dann diese genaustens kalkulierten Winkel und Bewegungen.

Sind wir mal ehrlich: AJ hatte keine Chance in seinem ersten Kampf gegen Usyk und es spricht nicht viel dafür, dass sich das im Rückkampf ändern wird. Läuft die Titelverteidigung planmäßig gegen Joshua, gibt es nur ein Ziel für den sympathischen Southpaw. Undisputed. Also Tyson Fury bestenfalls oder „Irgendjemand-anders“ schlechtestenfalls.
Auf Grund seiner Größe und seiner Beweglichkeit wäre Fury wahrscheinlich der schwerste und beste Gegner für Usyk, doch genau das wüsste der amtierende Weltmeister aus der Ukraine zu seinen Vorteilen zu nutzen. Usyk besiegt seine Gegner durch Erschöpfung, in dem er sie stetig dreht und wendet und sie permanent mit seinen schnellen Händen befeuert, während seine Gegner ihr Ziel permanent verfehlen. Fury wäre nicht nur ein ideales Ziel auf Grund seiner Statur, sondern auch zu langsam mit seinen langen Armen, obwohl er schon verdammt flink ist für seine Größe.

Oleksandr Usyk mit den IBF, IBO, WBO und WBA-Super-Champion Gürteln im Schwergewicht.

Was für Wilder und vermutlich Joshua reicht, ist jedoch weit von dem entfernt, was Fury für Usyk bräuchte. In Otto Wallin hatte Fury bereits einen Gegner unter 2 Meter der ebenfalls Rechtsausleger war und Usyk ist im Vergleich zu Wallin in einer anderen Dimension (und mit Wallin hatte Fury ja kaum Probleme, oder doch?). Das Einzige was Usyks‘ Traum das zu schaffen, was vor ihm zuletzt Lennox Lewis vor gut 20 Jahren geschafft hat, im Wege steht, sind die Natur von Promotern, Sendern und Verbänden („The Politics of Boxing“).

Die Schwergewichtskrone unumstritten zu vereinen heißt, dass die vielen Mäuler um den Tisch der Königsdivision gestopft werden müssen. Alle (oder zumindest die Mehrheit der vielen Parteien) müssen glücklich gemacht werden. Usyks‘ ruhige und unauffällige Art abseits des Rings‘ könnten sein Fluch oder sein Segen sein. Eddie Hearn hat er schon dazu bekommen sein bestes Pferd im Stall aufs Spiel zu setzten. Jetzt können wir nur hoffen, dass ihm und seinem Team dieser Geniestreich ein zweites mal bei Frank Warren und Bob Arum gelingt. Vielleicht wurde der Grundstein dafür bereits mit Usyks‘ Besuch in Las Vegas gelegt. Vielleicht haben die Boxfans auch etwas Glück und die Laune der WBC dreht sich zu unseren Gunsten, ob mit oder ohne Tyson Fury als deren Champion.

2022 ist für das Schwergewicht definitiv ein Jahr mit einer historischen Chance. Dass ein Champion der Königsdivision des Boxsports dem gesamten Sport zu neuer (alter) Größe verhelfen würde, ist dabei genau so wie die Bezeichnung des dazu notwendigen Titels: Undisputed.

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2 Kommentare

  1. Fury müsste sich gegen AJ warm anziehen? Niemals! AJ’s einziger überzeugender Kampf war gegen Klitschko! Alles andere waren keine guten Kämpfe. Ich bis sogar davon überzeugt das Wilder AJ einfach nur vernaschen würde… AJ hat absolut keinen Killerinstinkt. Sorry.

    Im Moment gibt es nur zwei Boxer die Usyk und Fury meiner Meinung nach schlagen konnte… und das sind Fury und Usyk! Beide Boxer sind absolut Weltklasse und on unheimlicher Intelligenz!

    Ich bezweifle das wir on beiden Boxern schon das Maximum gesehen haben. Ein gutes Pferd springt eben nur so hoch wie es muss und beide Boxer hatten in schwierigen Situationen das Glück auf Ihrer Seite… aber die Frage ist: War es Glück oder einfach nur ihre Überlegenheit?

    Ein Kampf dieser zwei Boxer ist für beide unvorhersehbar…

  2. Was für ein unsinniger Kommentar. Joshua hat sich blamiert gegen usyk und das schon beim Walk in, wo bitte soll fury sich da warm anziehen? Der sicherlich nicht zu schwer oder zu langsam war im dritten Wilder Kampf. Er hat mit seiner Masse und Präsenz wilder die Luft genommen. Man muss sicher kein fury Freund sein, die Kritik ist aber völlig deplatziert, denn fury hat doch in seinen Kämpfen mehr als überzeugt

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