Paukenschlag: Zeuge geht krachend gegen Rocky Fielding KO / Vorkommnisse am Ring bezeugen tiefen Riss zwischen Sauerland und Team Zeuge. Jürgen Brähmer sorgt mit angeblichem Flaschenwurf auf Frederick Ness für Eklat.
Tyron Zeuge geht mit wehenden Fahnen in Runde 5 KO – Fielding neuer WBA Weltmeister im Supermittelgewicht
Es hätte eigentlich alles passen können für Tyron Zeuge bei seiner vierten Titelverteidigung, denn nach überzeugendem Auftritt gegen Isaac Ekpo ging der Berliner als 4:1 Favorit ins Seilgeviert gegen den charismatischen Engländer Rocky Fielding. Doch zwei Komponenten sprachen letztlich gegen den bis dato einzig verbliebenen deutschen Weltmeister.
Das war zum einen der englische Meister Michael “Rocky” Fielding und der letztlich doch viel größere Graben zwischen Team Sauerland und Team Zeuge. Tyron Zeuge, der mit nur 6 Wochen Vorbereitung in den Ring stieg, wollte jedoch den gut 2500 Anwesenden beim Hauptkampf zeigen, dass mit ihm auch in der Spitze des ohnehin stark besetzten Supermittelgewichts, zu rechnen ist. Beide Boxer gaben somit ihre Zutaten in den Ring und schenkten sich rein gar nichts.
Verwunderlich war jedoch die Taktik die man Zeuge mit auf den Weg gab, denn trotz des WM-Gürtels und vermeintlichen Heimvorteil, lies man den 26-jährigen Berliner gleich aus vollen Rohren agieren. Zu Beginn der ersten Runde dirigierte Zeuge das Kampfgeschehen noch weitestgehend aus der Ringmitte mit schnellen Führhänden. So gelang es auch des öfteren Fielding im Infight zu stellen, wo ihm wiederrum mehrere gute Körpertreffer gelangen. Auch als “Rocky” eigene Aktionen startete, gelang es dem Weltmeister mit guten Kontern immer wieder Treffer zu setzen. In Runde zwei offenbarte sich dann das Dilemma des Berliners immer öfter.
Das Team um Fielding hatte sich nämlich exzellent auf Zeuge eingestellt. Man lies ihn seine Aktionen starten, Fielding ging dann in den Rückwärtsgang und spielte so seine körperlichen Vorteile voll aus. Damit gelangen dem Mann aus Liverpool gegen Ende des zweiten Durchgangs mehrere gute Kopftreffer. Gelang es Zeuge dann trotzdem in den Infight zu kommen, konterte Fielding mit guten Treffern zum Körper und konnte sich so Durchgang 2 sichern.
Der Schein trügt – Zeuge mit bester Runde ehe Fielding das Ruder übernimmt
Runde 3 begann ebenfalls mit wahrem Powerplay von Zeuge und dies sollte auch die beste Runde des Weltmeisters sein. Von Beginn an suchte der den Infight und fand ihn letztlich auch durch gute Beinarbeit. Damit gelang es Zeuge in Bereiche von Fielding zu kommen, die dem Mann aus Liverpool sichtlich wehtaten. Nach einer sauber vorbereiteten rechten Gerade an das linke Auge des Herausforderes, schwoll dieses leicht an, ohne sich jedoch zu öffnen.
In der Folge gelangen dem Berliner weitere gute Treffer, hier zeigte sich die gute Amateurausbildung. Fielding war hier weitestgehend Statist. Knackpunkt dieser Runde dürfte jedoch ein sauber ausgeführter Konter an die Schläfe des Berliners zum Ende gewesen sein. Denn in Runde Vier sah man vom Weltmeister nur noch Stückwerk, hier übernahm Fielding ganz klar das Ruder. Auf jede Aktion die Zeuge startete, antwortete der Herausforderer mit guten Kontern und zeigte sich äußerst variabel im Oberkörper, die meisten Schläge konnte er so auspendeln.
Das zeigte Spuren bei Zeuge, denn in einem Moment der Unachtsamkeit nach eigenem Angriff gelingt es Rocky den Berliner erneut stark am Kopf zu treffen. In der Folge konnte sich der Liverpooler seinen Kotrahenten an den Seilen zurechtstellen und Zeuge geriet kurz vor Ende durch mehrere harte Körpertreffer in große Bedrängnis. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Halle, denn die Stand mittlerweile auf Seiten des Herausforderes. Schlussendlich rettete hier nur der Gong.
Erstmals seit 2004 wieder ohne deutschen Weltmeister, Fielding macht Rocky alle Ehren und Jürgen Brähmer sorgt für riesen Fauxpas
Für alle die es mit Tyron Zeuge hielten oder halten, brachen dann die Minuten der Wahrheit an. Nachdem ihn in Runde vier nur der Gong rettete, konnte man meinen, der Weltmeister würde nun zurückschalten und sich aufs Kontern verlegen, doch noch immer angeschlagen ging er weiter völlig unverständlich volles Risiko und wurde dafür vom ausgebufften Fielding eiskalt bestraft. Der konnte den voranbrechenden Zeuge nach einer Aktion an den Seilen stellen, traf mit einem gewaltigen Uppercut an das Kinn des Berliners und damit sollte das Schicksal besiegelt sein.
Denn nach weiteren Jabs und mehreren schweren Schlaghänden war die rechte Körperhälfte des Champions völlig ungedeckt, dies sah der Herausforderer und beförderte Zeuge mit einem gewaltigen Leberhaken in den Ringstaub. Zeuge kam zwar bei sieben wieder auf die Beine und signalisierte Kampfbereitschaft, doch Trainer Jürgen Brähmer schmiss nach 2:46 Minuten das Handtuch und bewahrte damit Zeuge vor Schlimmerem.
Doch nach der Urteilsverkündung folgte einer der größten Eklats der jüngeren Boxhistorie – Zunächst rechnete Brähmer mit seinen ehemaligen Arbeitgebern gehörig ab. Von Schiebung, über die miese Vorbereitung des Kampfes und des Kampfabends von Sauerland bishin zur Aussage, dass es eine „Sauerei“ sei eine freiwillige Titelverteidigung anzusetzen ohne Rückkampfklausel und das man diese Niederlage selbst wollte als Bestrafung für Zeuge, weil dieser ankündigte keine Kämpfe mehr für das Team Sauerland bestreiten zu wollen.
Höhepunkt war laut Sauerland Senior jedoch die Tatsache, dass Jürgen Brähmer eine Flasche nach dem Ex-Sauerland Geschäftsführer Frederick Ness geworfen und dabei Wilfried Sauerlands Gattin getroffen hat. Dies teilte der 78-Jährige im anschließenden Interview im Ring mit. Auf der anschließenden Pressekonferenz war das Fehlen des Teams um Tyron Zeuge eigentlich nur noch Nebensache, es hieß sogar dass Brähmer bereits auf dem Rückweg nach Schwerin sei.
Mit diesem Auftritt dürfte das bis heute noch vorhandene Band zwischen Sauerland und Team Zeuge wohl endgültig zerrissen sein. Ob man den sympathischen Berliner noch einmal beim ehemals größten europäischen Boxstall sehen wird, dürfte mehr als fraglich sein. Auf der Pressekonferenz sagte Senior Chef Sauerland, „Dieser Kampf hat alles auf den Kopf gestellt“ und ob es eine weitere Zusammenarbeit gibt, hänge von den nächsten Tagen ab.
Weitere Aussagen aus der Pressekonferenz zusammengefasst:
Rocky Fielding: Trotz des Kampfes war er voller Lob an Tyron Zeuge und spricht dem Berliner eine Zukunft aus, auch in Bezug auf die Spitzenleute. „Jetzt ist erstmal Urlaub angesagt und am meisten freue ich mich auf meinen Sohn, Ralphi.“ Für die nächsten Fights gäbe es noch keinen konkreten Plan, aber ein Turnier im Supermittelgewicht auf Ebene des United Kingdoms sei in Planung.
Jamie Moore (Trainer Fielding): „Es lief für uns wie erwartet mit Zeuge, wir haben seine Kämpfe studiert und wussten, dass er Fehler begehen wird, Rocky hat diese optimal bestraft und somit ist Tyron uns voll in die Falle gelaufen.“
Frank Smith (Matchroom): „Ein englischer Sieg in Deutschland, eine großartige Nacht – Its coming home, was der Fußball nicht vollbrachte gelang Rocky. Wir sind alle stolz!“
Wilfried Sauerland: „Ich habe natürlich das Gegenteil gehofft und sah Tyron als klaren Favoriten. Die gewählte Taktik kreide ich am meisten an, Tyron hätte als Weltmeister mit körperlichen Nachteilen abwartend boxen müssen, zumal er ein exzellenter Konterboxer ist. Die Tatsache, dass es seit 2004 keinen deutschen Weltmeister bei den großen Verbänden gibt, stimmt mich nachdenklich. Doch in ein bis zwei Jahren halte ich mehrere deutsche Weltmeister wieder für möglich. Zur WBSS: Hier halte ich es für realistisch, dass mindestens ein deutscher in den nächsten Staffeln zu sehen sein wird.“
UPDATE 18. Juli 2018: Zwischenzeitlich hat Jürgen Brähmer über eine Pressemitteilung Stellung bezogen, welche wir ebenfalls veröffentlicht haben.