Boxnacht in Wuppertal – Der totale Triumph von AGON SPORTS!

Es ist geschafft! Der neue IBF-Weltmeister umarmt seinen Promoter Ingo Volckmann. Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
IBF-Weltmeisterschaft: Vincenzo „Il Capo“ Gualtieri (GER) – Esquiva „Falcao“ Florentino (BRA)
© Torsten Helmke

Nachbetrachtung einer epischen Boxnacht in Wuppertal von Ebby Thust.

Samstag der 1. Juli 2023 ist ein Tag, der ganz sicher in die Annalen der deutschen Boxgeschichte eingehen wird. Mit einem Abstand von drei Tagen möchte ich diese denkwürdige Boxnacht noch einmal Revue passieren lassen.

Der am  4. Januar 1993 in Wuppertal, Nordrhein-Westfalen geborene Deutsche, mit italienischen Wurzeln, Vincenzo Gualtieri, kämpfte am 1. Juli 2023, in seiner Heimatstadt Wuppertal, um den Weltmeistertitel im Mittelgewicht der International Boxing Federation (IBF). Der WM-Titel der IBF war frei geworden, weil der bisherige Champion Gennadiy Golovkin, seinen WM-Titel kampflos niedergelegt hatte. So ist es üblich, dass die Nr.1 der IBF Rangliste, der Brasilianer Esquiva Falcão gegen die Nr. 2, um den freigewordenen vakanten WM-Titel kämpfen. An Nr.2 stand der Australier Michael Zerafa, der allerdings auch noch in der Weltrangliste der WBA auf Nr.1 stand und schon für einen Kampf gegen den WBA-Weltmeister Erislandy Lara einen Kampfvertrag unterschrieben hatte. So rückte die Nr.3 der IBF Rangliste, Vincenzo Gualtieri, als Gegner für Esquiva Falcão nach.

Vincenzo Gualtieri hatte sich durch Gewinn des IBF Continental Titels und danach durch den Gewinn des Inter-Continental Titels, im Jahre 2021 und zwei erfolgreichen Titelverteidigungen im folgenden Jahr, auf den 3. Platz der IBF-Weltrangliste hochgeboxt.

Boxen: AGON Boxgala, Berlin, 25.11.2021
IBF-Interconti-Titel: Vincenzo Gualtieri (GER) – Billi Facundo Godoy (ARG)
© Torsten Helmke

Ingo Volckmann holte den WM-Kampf nach Deutschland

So wurde der Weltmeisterschaft-Titelkampf zwischen Esquiva Falcão vs. Vincenzo Gualtieri von der IBF angeordnet. Ingo Volckmann, der Promoter des Agon Sports Teams, gewann dann den Purse Bid gen den Promoter von Falcão, dem legendären Hall of Fame Promoter, Bob Arum, mit seinem weltbekannten Boxstall Top Rank, was schon im Vorfeld dieses Kampfes eine kleine Sensation war.

Promoter Ingo Volckmann ermöglichte es dann seinem Schützling Gualtieri, in seiner Heimatstadt Wuppertal um den WM-Titel kämpfen zu können. Für den 30-jährigen Wuppertaler, der vor fünf Jahren seine Profikarriere unter der Leitung seines damaligen Trainers, dem ehemaligen Weltmeister Graciano Rocchigiani begann, war das die Chance seines Lebens, der Griff nach den Sternen.

Den Namen Vincenzo Gualtieri kannten in der deutschen Boxszene bis dahin nur wenige Insider, obwohl Gualtieri bis dahin in 21 Kämpfen unbesiegt war. Das liegt daran, weil der deutsche Boxsport seit den ruhmreichen Jahren, der damals europa- und weltweit großen Boxsport-Unternehmen, Universum Box-Promotion und Sauerland Events, die beide mit hoch dotierten Millionen-TV-Verträgen ausgestattet waren, doch ziemlich am Boden liegt. Boxer können nur durch Öffentlichkeit, sprich Fernsehen, das ihre Kämpfe live überträgt, bekannt werden. Gleiches gilt auch für die Promoter großer Boxsport-Events, die oft Millionenbeträge in eine Veranstaltung investieren müssen, die sich eigentlich nur durch TV-Gelder refinanzieren lassen.

Esquiva Falcão. Foto: Williams/Top Ranks.

Esquiva Falcão der haushohe Favorit

Der Gegner von Vincenzo Gualtieri an diesem denkwürdigen Abend des 1. Juni in Wuppertal, Esquiva Falcão, aus Brasilien, war der haushohe Favorit dieses Mittelgewichts-Weltmeisterschaftskampfes. Falcão war ein erfolgreicher Amateurboxer, der 215 seiner 230 Amateurkämpfe gewinnen konnte und bei den Amateur-Box-Weltmeisterschaften 2011 die Bronzemedaille im Mittelgewicht gewann und erst im Halbfinale gegen den späteren WBA Super-Champion, den Japaner Ryōta Murata verlor. Er qualifizierte sich hiermit für die Olympischen Spiele 2012, wo er die Silbermedaille gewann und der erste Brasilianer wurde, der jemals ein olympisches Boxfinale erreichte.

Als Profi war Falcão in 30 Kämpfen unbesiegt, 20 seiner 30 Kämpfe hatte er vorzeitig durch KO gewonnen. Er war die Nr.1 der IBF und die Nr.4 bei der WBC. Falcão unterschrieb nach dem Gewinn der olympischen Silbermedaille, einen Profivertrag beim weltweit größten Box-Team Top Rank von Promoter-Legende Bob Arum. Trainer von Falcão war einer der weltweiten besten Trainer, Robert García, der als Boxer selbst IBF-Weltmeister war und als Trainer drei mal vom ‚Ring Magazin‘ und auch noch von anderen Organisationen mehrmals zum Trainer des Jahres gewählt wurde. García formte unzählige Champions, Nonito Donaire, Marcos Maidana, Brandon Rios und seinem jüngeren Bruder Mikey Garcia, er war auch eine Zeit Trainer von Anthony Joshua.

Alle diese Superlativen strahlten über dem brasilianischen Favoriten Esquiva Falcão. In den sozialen Netzwerken wurde im Vorfeld des Kampfes, Vincenzo Gualtieri fast ausschließlich mit Ironie bedacht und teils sogar verspottet, weil ihm einfach niemand nur das Minimum einer Chance einräumte, gegen Esquiva Falcão zu bestehen. Doch es kam alles ganz anders.

Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
IBF-Weltmeisterschaft: Vincenzo „Il Capo“ Gualtieri (GER) – Esquiva „Falcao“ Florentino (BRA)
© Torsten Helmke

Der große Kampf des Vincenzo Gueltieri

Nach einer ausgeglichenen ersten Runde, in der sich die beiden Gegner erst einmal abtasteten, konnte man aber schon die Taktik der Beiden erkennen. Der Rechtsausleger Esquiva Falcão ging nur nach vorne und man merkte schon, dass er seinen 20 KO-Siegen an diesem Abend gerne den 21. folgen lassen möchte. Man konnte aber auch schon erkennen, dass Vincenzo Gualtieri von seinem Trainer sehr gut eingestellt war, Gualtieri boxte im Rückwärtsgang auf schnellen Beinen und war von dem Brasilianer nur ganz schwer zu treffen.

Doch dann kam die zweite Runde und Falcão stürmte wieder nach vorne und versuchte immer wieder auf den Wuppertaler einzuschlagen, doch dessen Deckung stand und seine schnellen Beine ließen keine klaren Treffer von Falcão zu. Und dann, in der Mitte der zweiten Runde, traf ein Konter von Gualtieri, den Brasilianer mit einem krachenden rechten Aufwärtshaken am Kinn und schickte ihn zu Boden. Falcão kniete im Ring und schüttelte den Kopf, während ihn der Ringrichter bis acht anzählte. Die ausverkaufte Wuppertaler Uni-Halle tobte. Gualtieri versuchte jetzt Falcão zu finishen, aber der Brasilianer konnte sich in die nächste Runde retten und war dann wieder voll da.

In der zweiten Runde: Falcao zum ersten Mal am Boden.Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
IBF-Weltmeisterschaft: Vincenzo „Il Capo“ Gualtieri (GER) – Esquiva „Falcao“ Florentino (BRA)
© Torsten Helmke

Ein Kampf wie ein Rocky-Film

Es war ein Kampf wie in einem der kultigen Rocky-Filme. Der absolute Außenseiter Vincenzo aus Wuppertal stand dem haushohen Favoriten aus dem bekanntesten Box-Team der Welt Top Rank gegenüber, und der Wuppertaler bestand nicht nur diese Feuerprobe, sondern er hielt dagegen und er war zudem der bessere Boxer. Es war eine epische Schlacht, ein Krieg mit Boxhandschuhen, den der Wuppertaler Junge Vincenzo immer deutlicher dominierte. In der elften Runde traf Gualtieri wieder mit dem Uppercut das Kinn des Brasilianers und schickte ihn ein zweites Mal zu Boden. Jetzt war klar, Gualtieri konnte diesen Kampf nur noch verlieren, wenn ihn Falcão in der 12. und letzte Rund ausknocken würde. Aber keine Chance für den schon fast verzweifelten Brasilianer, der Vincenzo einfach nicht stellen konnte, der auf immer noch schnellen Beinen jedem Schlag von Falcão aus dem Wege ging und es immer wieder schaffte selbst klare Treffer zu landen.

Ein Bildebuch-Körpertrffer von Vincenzo Guiltieri. Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
IBF-Weltmeisterschaft: Vincenzo „Il Capo“ Gualtieri (GER) – Esquiva „Falcao“ Florentino (BRA)
© Torsten Helmke

Das Urteil war dann auch nur noch Formsache, alle Punktrichter sahen den Wuppertaler in Front, zwei mit 6 Punkten ein einer mit 8 Punkten. Klarer kann man einen Gegner nicht distanzieren. Deshalb hieß es dann auch: „Einstimmiger Punktsieger und neuer IBF-Weltmeister, Vincenzo Gualtieri, aus Wuppertal.“

Rocchigiani/Gualtieri
Graciano Rocchigiani und Vincenzo Gualtieri – Beide IBF-Weltmeister im Abstand von 35 Jahren.

Parallele zu Graciano Rocchigiani

Ich erinnerte mich an Graciano Rocchigianis ersten Weltmeister-Titel, als er im November 1988, in der Düsseldorfer Philips-Halle, den US-Amerikaner, Vincent Boulware, besiegte und ebenfalls den IBF-WM-Titel, allerdings im Super-Mittelgewicht, gewann. Ich war damals Technischer Leiter dieser Veranstaltung und stand nach Ende des Kampfes im Ring und hatte Graciano auf meinen Schultern. Und es gibt große Parallelen zum Kampf von Gualtieri. Auch Graciano war damals der Außenseiter und auch er war der Sohn italienischer Eltern, der in Deutschland geboren wurde. Bis zu Gracianos erstem WM-Titel konnte auch kaum einer seinen vollen Namen richtig schreiben und so ging es mir auch mit dem Namen Vincenzo Gualtieri, auch mir fing es anfangs schwer diesen Namen richtig zu schreiben (inzwischen schaffe ich das perfekt).

Foto: Ebby Thust/Boxen1.

Graciano Rocchigiani war der Endecker und Mentor von Vincenzo Gualtieri

Und dieser Graciano Rocchigiani wurde dann der erste Profi-Trainer von Vincenzo Gualtieri und er erkannte schon vor fünf Jahren das große Talent in dem Wuppertaler Jung-Profi. Es kling alles ein bisschen wie ein Märchen, dass genau dieser Vincenzo Gualtieri, dann fünf Jahre später, ebenfalls wie Graciano Rocchigiani 35 Jahre zuvor, den gleich IBF-Gürtel gewinnen konnte wie sein früherer Trainer und Mentor Graciano. Deshalb galten auch die ersten Worte nach seinem Sieg, seinem früheren, leider viel zu früh verstorbenen, Trainer: „Danke Graciano“ sagte Gualtieri mit Blick nach oben.

Etinosa Oliha, ein weiterer Boxer aus dem Agon Sports Team holte sich ebenfalls einen 2. WM-Titel. Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
IBO-Weltmeisterschaft: Etinosa Oliha (ITA) – Julio Alamos (CHI)
© Torsten Helmke

Aber der Abend in Wuppertal, bescherte dem Veranstalter dieses phänomenalen Events in Wuppertal, Ingo Volckmann, noch einen zweiten Weltmeister. In einem ebenfalls sensationellen Kampf, bezwang Agon-Boxer Etinosa Oliha den Chilenen Julio Alamos klar nach Punkten und sicherte sich den IBO‑Weltmeister-Titel.

In einem weiteren Kampf beeindruckte, der frühere Amateur- und Profi-Weltmeister Jack Culcay, der ebenfalls bei Agon Sports unter Vertag steht, mit einem sensationellen KO-Sieg in der 2. Runde über den Argentinier Juan Adrian Monzon und empfahl sich damit für einen kommenden WM-Kampf. Culcay kann der dritte Weltmeister im Box-Team von Ingo Volckmann werden.

Axel Schulz war Co-Kommentator für den Stream von Fight24. Boxen: Agon Fightnight, Wuppertal, 01.07.2023
Feature
© Torsten Helmke

Der große Verlierer des Abends: Das deutsche Fernsehen!

Eine epische Nacht mit dem totalen Triumph für Ingo Volckmann und seinem Agon Sports Team. Aber es gab auch einen Verlierer an diesem Abend und das war ganz eindeutig das deutsche Fernsehen! Ob ARD, ZDF, RTL, SAT1, Sky Sport, DAZN oder einer der anderen vielen deutschen TV-Channels, keiner war bereit diese beiden Weltmeisterschaft-Kämpfe live ihren Zuschauern zu präsentieren und das ist einfach nur peinlich.

Hoffentlich haben die vorgenannten deutschen TV-Sender einmal in den sozialen Medien mitgelesen, so sehr hier die Siege von Vincenzo Gualtieri, Etinosa Oliha und GoldenJack Culcay gefeiert wurden, genauso und fast noch mehr wurde das deutsche Fernsehehen beschimpft und verflucht, weil es eine solche grandiose Veranstaltung ihren Zuschauern vorenthalten hat. Gerade ich als ehemaliger Box-Promoter, der damals an der Seite von Wilfried Sauerland stand, als er seinen Boxstall eröffnete, weiß dass große Kämpfe sehr viel Geld kosten und dass diese großen Kämpfe nur in Partnerschaft mit einem TV-Sender zu finanzieren sind. Noch vor 25 Jahren zahlte das ZDF für zehn Jahre TV-Rechte, mehr als 200 Millionen an die damalige (alte) Universum Box-Promotion und auch die ARD überwies an Sauerland für jeden seiner Veranstaltungen, die sie übertragen haben, 1,5 Millionen.

Große Boxsport-Events sind nur durch das TV finanzierbar. Es ist wie beim Fußball, Bayern München oder Borussia Dortmund könnte ohne das große Geld des Fernsehens keinen ihrer Spieler bezahlen. Viele sagen, dass das der deutsche Boxsport am Boden liegt und es keinen Weltmeister oder Lokalmatadoren mehr gäbe. Ingo Volckmann hat das Gegenteil bewiesen, wir haben wieder einen deutschen Weltmeister, wir haben wieder ein deutsches Aushängeschild im weltweiten Boxsport. Wir haben aber auch noch sehr viele andere deutsche Boxer in den Weltranglisten der vier großen Welt-Boxverbänden, aber kein anderer deutscher Promoter kann es sich leisten oder möchte es nicht riskieren, so viel Geld aus der eigenen Tasche zu bezahlen, wie es Ingo Volckmann getan hat, um einen Weltmeisterschaft-Kampf nach Deutschland zu holen. Auch Ingo Volckmann wird das nicht noch drei oder vier Mal tun wollen, denn die Einnahme durch die Eintrittsgelder der Zuschauer, decken bei Weitem nicht die Kosten einer solche Veranstaltung. Weltmeister wachsen auch nicht auf den Bäumen, es kostet viel, viel Geld um einen jungen Boxer aufzubauen und an die Weltspitze zu führen.

Ich hoffe nur, dass Ingo Volckmann in dieser Woche einen Anruf von einem der großen deutsche TV-Sendern bekommt, dass es weitergeht und dass es mit dem deutschen Boxsport wieder steil nach oben geht wie es vor vielen Jahren schon einmal war. Wie ich hörte, war ja die ARD in der Halle in Wuppertal, aber wohl nur für Interviews, die kosten kein Geld, es ist fast schon peinlich.

Für alle die den WM-Kampf aus Wuppertal nicht sehen konnten, hier das komplette Video vom Kampf:

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