Kommentar: Das Osterwochenende im Weltergewicht

Foto: Ryan Hafey/Premier Boxing Champions

Die Boxgemeinde blickt auf ein sonniges Wochenende, voller spannender Runden und guter Kämpfe zurück. Doch grade in der aktuell wildesten Division des Lederhandschuhsports, dem Welterweight, blieben die Überraschungen aus. Dennoch gibt es Grund genug beide Kämpfe nochmals Revue passieren zu lassen, sie sagen uns nämlich einiges über die Zukunft der Gewichtsklasse.

Wie bereits in der Vorberichtserstattung angesprochen, sind die zwei wichtigen Kämpfe des letzten Samstags die WBC, IBF & WBA Weltmeisterschaft zwischen Errol Spence und Yordenis Ugas, als auch dem WBA-Continental Titel Duell zwischen dem britischen Rising-Star Conor Benn und dem südafrikanischen Veteranen Chris Van Herden. Beginnen wir doch mit dem großen Knall, dem Aufeinandertreffen der zwei Weltmeister Errol Spence und Yordenis Ugas.

Im Westen nichts Neues?

Errol Spence ist auf einer Mission. Alle Weltmeister-Gürtel der Gewichtsklasse sollen bis Ende dieses Jahres um seinen Körper geschlungen werden. Er ist der Top-Dog der Division, der „Big-Fish“ (bekräftigt durch exzessive Benutzung des Haifisch-Emojis auf Social Media). Yordenis Ugas wurde von Vielen von vorne rein abgeschrieben, jedoch gab es auch eine Minderheit, die den Kubaner für durchaus legitim hielt. Selbst ich musste wenige Tage vor dem Kampf meine Meinung revidieren, wobei ich vor ein paar Monaten noch dabei war, Ugas etwas zu belächeln.

Man lernt nie aus – ist das nicht wundervoll? Ich für meinen Teil genieße es eines Besseren belehrt zu werden. Wenn ein Kämpfer mit einer absoluten Glanzleistung zeigt, dass man sich geirrt hat – herrlich! Manch einer wundert sich bestimmt gerade ob er das richtig gelesen hat, oder ob der (Oster)Eierlikör aus mir spricht, denn Ugas hat doch verloren?

Definitiv, und der Kampf wurde zu seinem Wohle auch rechtmäßig gestoppt. Aber was Ugas uns da gezeigt hat, lässt mich sehr an Spences‘ Favoritenrolle im hoffentlich bevorstehenden Mega-Duell mit Terrence Crawford, zweifeln.

Das Schlachten der Osterlämmer

Foto: Ryan Hafey/Premier Boxing Champions

Ugas und Spence haben das mit dem Leib Christi wahrscheinlich etwas zu ernst genommen. Von Anfang bis Ende des Kampfes warfen beide Boxer fast ununterbrochen Haken auf die Flanken ihrer Körper, als gäbe es an Ostern dann doch keine planmäßige Auferstehung mehr. Doch die Knockdowns blieben aus. Beide zeigten unglaubliche Standfestigkeit in einem offenen Schlagabtausch, der etwas an das letzte Duell zwischen Kambosos Jr. und Teofimo Lopez erinnerte.

Ugas kam nicht als der super harte Puncher in diesen Kampf, das lies sich schon an seiner Knockout-Ratio vor dem Kampf festmachen. Spence hingegen ist bekannt dafür unglaublich hart zuschlagen zu können und ebenfalls grandiose Nehmerqualitäten zu haben, weswegen Ugas hier durchaus größter Respekt zu zollen ist. Ebenfalls zeigte der Kubaner, dass er nach dem Sieg gegen Pacquiao an seine Leistung anknüpfen konnte.

Er war für Pacman schon zu schnell mit den Konterjabs als auch mit seiner regulären Führhand. Es hat ihm ganz bestimmt geholfen vor dem Duell gegen den texanischen Southpaw Spence, mit dem Southpaw Großmeister Manny Pacquiao den Ring geteilt zu haben. Spence war sichtlich bedient. In seinem letzten Kampf gegen Ex-Champ Danny Garcia, bewies Spence, dass der verheerende Autounfall der Vergangenheit kaum Folgen bei ihm hinterlassen hat.

Kampfszene Errol Spence jr. vs. Yordenis Ugas

Doch auf einmal sehen wir, wie Errol Spence klare Treffer zum Kopf fängt und teilweise in den Rückwärtsgang geschickt wird. Als wäre das nicht genug, fängt ein irritierter Spence in Runde 6 ein paar große Treffer, taumelt, und wird nur von den Ringseilen aufgefangen. In meinem Buch war das ein glasklarer Knockdown. Wie war das nochmal mit „Ugas hat keine Power“? Oder hat sich was an Spence Nehmerqualitäten geändert?

Spence wirkte gegen Ugas in meinen Augen nicht so fit wie gewohnt und vor allem nicht so fit wie in seinem Kampf gegen Danny Garcia. Ugas verdient an dieser Stelle nochmals viel Respekt, da er sich wacker geschlagen hat. Eine zerdonnerte Augenhöhle kann leider mal passieren, vor allem Spence macht das gerne. Spence war dennoch in der Lage, zurück zu kommen und den Job zu erledigen, aber hatten wir das von dem Top-Dog der Division nicht von vornherein erwartet?

Mit dieser Verletzung, die ihm Errol Spence jr. im Titelkampf zugefügt hatte, nahm der Ringrichter Yordenis Ugas, auf anraten des Ringarztes, aus dem Kampf.

Was wäre wenn…

…Terrence „Bud“ Crawford der Kontrahent von Spence am vergangenen Samstag in Dallas gewesen wäre? Good Night! So leid es mir tut, so sehr ich ein Fan von Spence gewesen bin in der Vergangenheit, aber Bud hätte ihn womöglich schlafen geschickt, hätte er mit seinem brillanten Konter-Haken zum Kopf getroffen. Bud ist, was seine Defensive angeht, eine Klasse über Spence. Crawford ist ein Bilderbuch-Boxer auf dem Backfoot (im Rückwärtsgang) und inzwischen glaube ich auch, dass er Spence in puncto Power überlegen ist.

Bud ist ein Chirurg, mit unglaublichem IQ und unglaublicher Fitness. Spence wirkte etwas „zu metzgerhaft“, fahrlässig und nicht so frisch wie in der Vergangenheit. Für den Showdown um den Undisputed-Titel stellt sich mir nur die Frage: wie stellt sich Crawford gegen ein Elite-Southpaw an? Orthodoxe Kämpfer sind ein leichtes für Bud, er selbst wechselt gerne mal die Auslage inmitten des Kampfes. Errol Spence ist allerdings auf einem ganz anderen Niveau als alles womit Crawford jemals im Ring stand – und umgekehrt! Klar, die zwei Amerikaner sind nach wie vor das Maß der Dinge im Weltergewicht, aber Spence ist seit letztem Wochenende in meinen Augen die Nummer 2. Doch wie bereits Eingangs erwähnt: ich liebe es eines Besseren belehrt zu werden.

Meanwhile in Manchester

Der britische Fanliebling und Thronfolger des Benn-Geschlechts‘ Conor „The Destroyer“ Benn, hatte vergangenen Samstag den erfahrenen südafrikanischen Southpaw Chris „The Heat“ Van Heerden vor sich. Die Promoter und Medienpersonen können so oft sie wollen versuchen uns jeden neuen Gegner von Benn Junior als „härtesten Test bislang“ zu verkaufen, irgendwie ist der Drops langsam ausgelutscht.

Conor Benn ist bereit für die großen Jungs. Van Heerden hats probiert, genau wie Algieri, oder Vargas, oder, oder, oder. Dreht es wie ihr wollt, der Bub ballert sie alle aus dem Ring. Es tut mir wirklich leid so profane Sprache zu benutzen, aber was bitte sonst hat er denn (schon wieder) getan? Benn konnte mit einem weiteren K.O.-Sieg in den frühen Phasen eines Kampfes gegen einen Ex-Weltmeister (schon wieder) überzeugen.

Eiskalt statt Osterfeuer

Van Heerdens‘ Traum von einem Comeback auf die Ebene der Top 10 der Gewichtsklasse ist dahingeschmolzen wie ein Schoko-Osterhase in der Sonne. Benn war von Beginn des Kampfes im Vorwärtsgang und hatte seinen Führungsfuß permanent auf der Außenseite von Van Heerdens‘ Führungsfuß. Es war fast klinisch. Man konnte regelrecht darauf warten, wann der Haken zum Kopf über die Außenbahn einschlägt.

Alles was man gegen einen Linkshänder richtig machen kann, hat Benn richtig gemacht. Beim Verarbeiten dieser Information sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass Errol Spence 8 Runden gegen den Südafrikaner gebraucht hat – vier mal so lange. Errol Spence war damals jünger, klar, aber Benn ist jetzt auch noch ziemlich jung. Behalten wir auch das im Hinterkopf.

Im Vorlauf zu dem Kampf am letzten Samstag, bin ich nochmal über den Kampf von Benn gegen Algieri gestolpert, wobei mir in Retrospektive auffiel, dass Van Heerden kein guter Gegner für Benn war. Klar: Ex-Champ, ein besseres Resümee, ein Linkshänder, dennoch konnte Benn abermals nicht sein volles Potential unter Beweis stellen. Gegen Algieri zeigt Benn eine überragende, ich möchte das wiederholen: eine überragende Verteidigung.

Algieri hatte meiner Meinung nach den besseren und vor allem den längeren Jab als Van Heerden und verfehlte Benn am laufenden Band. In der ersten Runde landete „The Heat“ sogar ein paar mal mit Treffern zum Kopf, doch von einem sich anbahnenden Osterfeuer konnte noch lange nicht die Rede sein.

Benn brauchte die kleinen Wachmacher scheinbar um das Eis zu brechen. Einmal selbst warm geworden, hat „The Destroyer“ seinen Namen zum Programm gemacht. Nach etwas Vorarbeit bewies Benn wieder seinen grandiosen Finishing-Instinct, ganz der Papa eben. Mehr kann man auch wirklich nicht über den Kampf sagen, also blicken wir auch hier wieder nach vorne.

Geduld ist die Mutter aller Tugenden

Sind wir mal realistisch: Die Gürtel sind außer Reichweite für dieses Jahr. Spence und Bud sind heftiger auf Kollisionskurs als jemals zuvor, meine Kristallkugel hat mir gesagt es passiert dieses Jahr. Selbst wenn nicht, wird es unglaublich schwer den jungen Briten ins Gespräch für einen WM-Kampf zu bringen. Keith Thurman, Jaron Ennis, Danny Garcia, jetzt meldet sich angeblich noch Broner zurück – Benn ist ein zu kleiner Name in Amerika, um an diesen Anwärtern vorbei zu kommen.

Seine Rankings in den Weltverbänden werden ihm da leider erst mal nicht viel helfen. Benn hat in seinen letzten Kämpfen gezeigt, dass er ein Top 5 Weltergewicht weltweit ist. In meinem Ranking steht er aktuell nur unter den Champs, Jaron „Boots“ Ennis und vielleicht Yordenis Ugas. Benn hat in England nichts mehr verloren, auch keinen Kampf mit Kell Brook (K.O. innerhalb 6 Runden wäre meine Prognose). Der junge Brite muss sich jetzt einen Keith Thurman, Danny Garcia oder einen Yordenis Ugas vornehmen.

Große Brocken, aber er ist meiner Meinung nach bereit dafür. Wenn es nicht möglich ist, einen der drei Namen zu verpflichten, sollte der Fokus tatsächlich auf Adrien Broner oder vielleicht Mikey Garcia liegen. Benn braucht einen Namen in Amerika. Ein K.O.-Sieg gegen einen der vier genannten Namen, wären das Beste, was Benn 2022 noch passieren kann. In England gibt es nichts mehr zu holen. Die stark mystifizierten Talente Ortiz und Ennis sind selbst gerade auf dem Weg sich einen Namen aufzubauen, weswegen die Kämpfe der jungen Stars untereinander sinnlos, es für Benn jedoch auch nicht einfacher machen wird.

Social Media Nummern lügen, vergesst das niemals. Natürlich sind die Kommentare, dass Benn keine Chance gegen Ortiz oder Ennis hätte, mit mehr Likes versehen. Alleine die physische Maße an Anhängern der Fighter ist um ein vielfaches größer, da es ein paar Millionen mehr Menschen auf der anderen Seite des großen Teiches gibt und amerikanische Vermarktung nochmal einen ganz anderen Stellenwert hat.

Eddie Hearn sollte genau jetzt seine Muskeln spielen lassen. Benn braucht neben dem passenden Gegner (siehe oben), eine passende Plattform. Ein Headline-Kampf gegen Thurman oder Danny Garcia? Das wäre der 6er im Lotto. Wahrscheinlicher wäre jedoch ein Co-Mainevent oder ein Vorkampf gegen Mickey Garcia oder Adrien Broner, gegen einen der großen Namen des Matchroom-Stalls. Bei Canelo auf die Maincard zu kommen wird schwer. Vielleicht bei Andrade? Oder vielleicht heißt der übernächste AJ Gegner ja Deontay Wilder und man gibt Benn den Co-Mainevent im Madison Square Garden? Ich weiß, alles recht wilde Szenarien, aber genau das braucht Benn als Nächstes. Nach einem solchen Osterwochenende können wir nur hoffen, dass die nächste Eiersuche nicht als zu lange auf sich warten lässt.

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