Kommentar: Urknall und schwarze Löcher – Internationales Boxen im April

Sport wird von uns Normalsterblichen oft als ein Abbild des Alltags genutzt. Wir binden unseren Sport in unser Leben ein, um ihn als Ventil, Übersetzer oder Vermittler zu nutzen. Manche nutzen ihn um an sich selbst zu arbeiten, andere hingegen, verarbeiten ihn, um wiederum anderen etwas zu geben, womit sie an sich selbst arbeiten können. Trivial? Zu philosophisch? Nun, wir sollten unsere Ansprüche nicht zu tief setzen, immerhin handelt es sich beim Boxsport um die „Sweet-Science“.

Das „G“ in „Urknall“ steht für Golovkin

In meinem persönlichen Alltag befasste ich mich neulich zufälligerweise mit schwarzen Löchern – ich weiß, viele fragen sich jetzt wohl ob der Typ vielleicht nicht ein paar Runden zu viel mit den falschen Leuten gesparrt hat, aber bleibt bei mir, denn mir sind viele Vergleiche zum Boxen aufgefallen.

Über schwarze Löcher scheint man einiges zu wissen, bis irgendwelche neuen Tatsachen in den Vorschein kommen, die unsere Anschauung verändern. Passend, denn bei einer der maßgeblichen Theorien der Astrophysik (Einsteins‘ Relativitätstheorie), geht es wie beim Boxen auch, um das Verhältnis von Raum und Zeit zueinander. Wir wissen viel, doch immer juckt einen die Frage: Was kommt danach? Was ist da, was wir noch nicht wissen? Das erinnert mich irgendwie an GGG.

GGG ist eine Hausnummer im Mittelgewicht und seine Karriere mindestens genauso bahnbrechend für die Gewichtsklasse, wie die berühmte E=mc² Formel von Einstein für die Physik. Doch es gibt neuere, akkuratere Theorien, die zwar auf dem alten Grundstein beruhen, jedoch die neue Zukunft offenbaren. Der bevorstehende Vereinigungskampf zwischen Golovkin und Murata dürfte eigentlich kein Grund zur Sorge für eine Änderung der Kraftverhältnisse im Mittelgewicht sein, GGG agiert ganz nach der physischen Grundregel: Ein Objekt das in Bewegung ist, will in Bewegung bleiben.

Gennadiy Golovkin

Hießige Internet-Experten munkeln hier und dort ab und zu davon, GGG könnte ausgeknockt werden, was meiner Ansicht genau so wahrscheinlich ist, wie ein paralleles Universum aus Milch und Honig am anderen Ende eines schwarzen Loches. Klar, Murata ist ein Weltmeister und ein erfahrener Boxer, aber sicher nicht die Gegenkraft, die in der Lage ist, GGG zu stoppen. Viele andere Experten reden unlängst darüber, was nach dem Kampf folgt. Der Ruhestand? Der dritte Kampf mit Canelo voraussichtlich. Und wenn ja, wie geht der aus?

Triple G hat sich in einigen der letzten Pressekonferenz bereits darüber geäußert, dass er nicht nur auf die Rivalität mit Canelo reduziert werden möchte. Oh und wie recht er hat. Einstein ist auch mehr als nur E=mc² – nur weil es das Einzige ist was dem Laien auf die Schnelle einfällt.

GGG hat jetzt schon eine legendäre Karriere hinter sich und die Zeit spielt aktuell gegen ihn. Viele Kämpfe die hätten passieren sollen, sind nicht passiert. 2 Jahre Pandemie in den letzten Jahren seiner Karriere haben sicher auch nicht geholfen und Canelo ist jetzt erst richtig in seiner Prime.

Angesichts der Umstände wäre es für Golovkin doch viel sinnvoller zu versuchen die eigene Gewichtsklasse komplett zu vereinigen, um dann die Handschuhe an den Nagel zu hängen. Andrade will hoch ins Super-Mittelgewicht, Charlo wird er nicht bekommen (nicht solange PBC auf den Bub aufpasst), egal wie oft Charlo auch in die Kamera sagt er würde den Kampf wollen.

Laut Aussagen von Eddie Hearn hatte er noch nie größere Schwierigkeiten für einen Kämpfer Gegner zu finden, wie für Demetrius Andrade. Vielleicht wird er einfach nicht gut genug promotet? Das wirkliche Schreckgespenst der Division war über die letzten 10 Jahre allerdings Golovkin, nicht „Boo-Boo“. Weder Charlo, noch Andrade haben ein Resümee erarbeitet mit dem sie sich ihre typische große Klappe gerechtfertigt hätte. Jetzt ist die Zeit gekommen, besiegt GGG WBA-Weltmeister Murata, gäbe es genug Raum, um einen Kampf mit Charlo oder Andrade zu vermarkten. Aber wahrscheinlich gibt es dieses Szenario auch nur in einem Parallel-Universum. Deswegen zurück in unsere Galaxie, zurück auf die Erde, zurück zu den großen Champions.

Die anhaltende Suche nach der Wahrheit

Spence jr vs Ugas

Die Wissenschaft ist immer auf der Suche nach etwas, das sich als wahr beweisen lässt, und wer könnte wahrer sein, als die Wahrheit selbst? Trotz Errol „The Truth“ Spences‘ beeindruckenden Resümees, hat das Weltergewicht seinen Einstein noch nicht gefunden. Am 30.04. kommt es endlich zu dem Showdown auf den wir alle gewartet haben! Naja, eigentlich nicht. Der Kampf mit Terrence Crawford steht leider immer noch in den Sternen, aber Yordenis Ugas ist so ziemlich das zweitbeste Match-Up, das kommen kann.

Anfangs war ich skeptisch und Ugas wurde schon zu Beginn des Jahres in meinem Artikel über die Gewichtsklasse etwas am Wegesrand stehen gelassen. Dafür bekommt er jetzt seine Probs! Der Sieg gegen den Altmeister Manny Pacquiao war ein überzeugender. Manny hätte in dieser Form bestimmt noch einigen Weltergewichten aus den Top 5-10 große Probleme gemacht oder sie sogar Sternchen sehen lassen. Ugas war routiniert, diszipliniert, hatte einen guten Jab und einfach mehr im Tank.

Errol Spence Jr.

Errol Spence ist jedoch eine andere Hausnummer. Dennoch denke ich, dass es recht interessant zu sehen sein wird, ob er den Kampf zu Spence bringt und ihn auf den Backfoot bringen kann. Ugas ist ein sehr drahtiger und zäher Operateur, Spence wird bestimmt Probleme bekommen, wenn er ihn aus der Distanz herunter brechen will. Früher oder später wird er den Infight suchen müssen und Kombinationen schlagen, aber wir kennen „The Truth“ alle: das wird er tun. Jedoch wäre es vielleicht nicht die beste Idee, unnötig Runden in der ersten Hälfte des Kampfes zu verschenken, um warm zu laufen.

Alles in allem dürfte für Spence gegen Ugas nichts anbrennen, vor allem nicht in Texas. Aber wir wissen ja: Jede Theorie gilt solange, bis sie widerlegt ist.

Das schwarze Loch – The Dark Destroyer?

Schwarzen Löchern wird in Sci-Fi oft der mythische Ruf nach gesagt, sie können eine zerstörerische Kraft in sich bergen, was aber noch nicht bestätigt ist, da wir noch nie in einem schwarzen Loch drin waren. Es wird dauern, bis man mehr über den vermeintlichen dunklen Zerstörer heraus finden wird und wie war das nochmal mit Conor Benn?

„The Dark Destroyer“ schwingt endlich auch wieder die Handschuhe am 16.04. live auf DAZN. Eddie Hearn macht schon einen ganz guten Job den Kerl zu vermarkten, doch die Gegner könnten langsam mal hochwertiger werden, oder sind sie das schon? Van Heerden sah gegen Jaron Ennis sehr unglücklich aus, aber das war’s dann auch schon. Nicht weil er aus der Arena gepustet wurde, sondern weil der Kampf abgebrochen wurde, bevor er begann, dank eines riesigen Cuts. Allerdings hat er sich vor einigen Jahren, immerhin 8 Runden lang gegen Errol Spence gehalten.

Conor Benn

Über Benns undankbare Situation, was seine Aufbaugegner anbelangt, haben wir bereits gesprochen, Van Heerden sollte man jedoch nicht dazu zählen. Gut, es kann durchaus sein, dass Conor wieder einen eigentlich soliden Routinier auf Weltniveau wegbombt (siehe Samuel Vargas – der damals als guter Gegner für einen Emporkömmling mit Champion Ambitionen diente). Van Heerden hat den Fight gegen Spence auch nicht wegen dem Spaß an der Freude bekommen, doch ist Van Heerden viel gefährlicher als ein Vargas oder ein Algieri.

Der Südafrikaner ist mit 34 noch recht frisch und hat einiges zu beweisen. Stell dir vor, du kriegst eine der jungen Stars als Gegner und musst nach der ersten Runde abbrechen. Der Kerl gegen den du damals nach 8 Runden verloren hast, ist inzwischen in vielen Augen der Beste der Gewichtsklasse und jetzt kommt dieser neue Hype-Job für den du Fallobst sein sollst. Wenn das nicht reicht als Motivation, dann vielleicht der Fakt, dass Benn hasst, was du machst.

Van Heerden hatte mit einem Jab aus seinem Kreisen um Spence herum immer mal wieder Erfolg. Conor ist schirr wahnsinnig geworden als er mit Granados einen Gegner hatte, der ihn umkreist hat wie ein verrückt gewordenes (oder ängstliches) Elektron. Es könnte gut sein, dass dieser Kampf zu einem Meilenstein in der Erforschung des dunklen Zerstörers wird. Jedoch zweifle ich keine Sekunde daran, dass Benn bereit sein wird und seine eigene dunkle Zerstörungskraft wieder einmal aufzeigt. In der Theorie dürfte er dazu gelernt haben was „den Ring abschneiden“ angeht. Doch Theorie und Praxis sind oft zwei verschiedene Welten.

Die Welt nach Professor Fury

Eine Theorie die es ebenfalls weiterhin zu widerlegen gilt, ist die, dass Tyson Fury nicht besiegt werden kann. Prof. Dr. Fury stellte diese Theorie natürlich selbst auf. Furys‘ Zweifel ist wie Licht in einem Schwarzen Loch oder Dillian Whyte bei der Pressekonferenz: non-existent. Auch dieser Kampf steht in kurzer Zeit im Raum, wobei auch hier keine großen Überraschungen zu erwarten sind – oder? Immerhin hat es auch damals bei der Erforschung des Universums ein katholischer Pfarrer (Georges Lemaitre) geschafft, den Star-Wissenschaftler Einstein zu überzeugen, dass er nicht ganz richtig lag. Furys‘ Stil gilt bei vielen Boxfans schon seit dem ersten Wilder Kampf als unbesiegbar. Das perfekte Mismatch gegen jedes andere Schwergewicht. Die Weltformel der Heavyweights.

Aber grade Furys‘ Statur und sein zunehmendes Gewicht, wirken nahezu einladend für Whytes Paradeschlag, dem Haken zum Körper. Trotz den Knock-Downs’/Out gegen Wilder, glaube ich für meinen Teil immer noch nicht an Furys‘ Power, zumal ich nie an Wilders‘ Chin geglaubt hab. Von einem Aufwärtshaken wie dem von Povetkin ausgeknockt zu werden ist zwar auch keine Schande, jedoch hat Whyte bislang auch nicht wirklich mit Standfestigkeit überzeugt. Auf der anderen Seite kam die andere Niederlage seiner Karriere gegen Joshua, dem einer der härteren Schläge der Gewichtsklasse nachgesagt wird.

Interessanter hingegen ist jedoch Furys‘ Aussage, angeblich aufhören zu wollen, nach dem Kampf gegen Whyte. Das wäre wieder so eine unbefriedigende Antwort auf die Frage nach dem Undisputed Champion, wie zu sagen, dass vor dem Urknall einfach Nichts da war. Schlimmer noch: der Urknall würde gar nicht passieren. Oleksandr Usyk soll sich Internetquellen zufolge wieder von der Front des Russland/Ukraine Kriegs zurück gezogen haben, um das Training für den Rückkampf gegen Anthony Joshua zu beginnen.

Wenn Fury den Kampf gegen den Gewinner dieses Matches, um alle Titel der Gewichtsklasse nicht will, dann kann er sich meinetwegen morgen zum Mond schießen. Die Aussage „Ich habe alle Titel der Verbände bereits gehabt“ ist im Vergleich zu „alle Titel zur selben Zeit“, meines Erachtens nach eine faule Ausrede. Vielleicht hab ich jedoch auch nur ein anderes Verständnis von Raum und Zeit. Wer weiß.

Fazit

Ob sich diesen Monat ein weiterer Urknall ereignet oder nicht, bleibt abzuwarten, jedoch ist es durchaus möglich. Der April wird ein absoluter Box-Monat und wir dürfen uns auf ein Haufen neuer Theorien und neuer Denkansätze der süßen Wissenschaft freuen. Wenn scheinbar logische Schlussfolgerungen, die sich auf handfeste Theorien berufen, am Ende der Zeit von 12 Runden in unserem geliebten viereckigen Raum doch revidiert werden, dann legt euren Professoren-Kittel ab und erinnert euch an Omas‘ alte Weisheit: Der April, der April, der macht was er will.

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