Der geplatzte Traum vom „Jahrhundert-Kampf“ – Eine Nachbetrachtung von Ebby Thust
Der neue Schwergewichts-Weltmeister Andy Ruiz jr. hat der Boxwelt am heutigen Sonntagmorgen einen sensationellen Fight geschenkt. In einer atemberaubenden, spektakulären Schlacht, entthronte der nur 1.88 Meter große und mit 122 Kilo übergewichtige, optisch fett wirkende Mexikaner, den Modellathlet und Olympiasieger, die Gelddruckmaschine des Promoters Eddie Hearn, Anthony Joshua, durch tKO in der 7. Runde.
Nach zwei Niederschlägen in der 3. Runde und zwei weiteren Niederschlägen in der 7. Runde kam der, nun zum Ex-Weltmeister degradierte Joshua, zwar bei 9 wieder auf die Beine, war aber sichtlich nicht mehr voll da. Statt beide Hände nach oben vor die Brust zu nehmen und so dem Ringrichter seine Kampfbereitschaft zu signalisieren, drehte Joshua auf wackligen Beinen ab und ging völlig konstatiert in die neutrale Ecke und blickte in die Zuschauer, was heißt dass er dem Ringrichter den Rücken zuwendete. Eigentlich hätte hier der Ringrichter bis 10 durchzählen und den KO-Sieg von Ruiz signalisieren müssen.
Der Ringrichter ging aber in die neutrale Ecke wo Joshua immer noch mit dem Rücken zum Ring in die Zuschauer starrte und dreht den Engländer um, der sich daraufhin mit beiden Händen am Seil fest hielt und keine Kampfbereitschaft zeigte. Ringrichter Michael Griffin blieb damit nur die eine Möglichkeit: den Kampf abzubrechen und Andy Ruiz zum tKO-Sieger und neuen Weltmeister zu erklären. Eine absolut korrekte und clevere Entscheidung des Ringrichters, der damit – hätte er den Kampf noch einmal freigegeben – sicher eine noch schlimmere Bestrafung Joshuas verhindert hat.
Dieser Sieg von Andy Ruiz ist die größte Sensation in einem Schwergewichtskampf, seit damals vor 83 Jahren der Deutsche Max Schmeling, am 19. Juni 1936, den als unschlagbar geltenden „The Brown Bomber“ Joe Louis ebenfalls völlig überraschend und sensationell ausgeknockt hat.
Bevor ich weiterfahre diesen Kampf zu analysieren, ist es mir ein Bedürfnis, mich an dieser Stelle erst einmal für alle meine negativen Kommentare und vor allem wegen meiner Ungläubigkeit und dem wenigen Vertrauen im Vorfeld diese Kampfes, beim neuen Weltmeister Andy Ruiz jr. zu entschuldigen. Dieser Kampf hat es wieder einmal gezeigt, dass sich auch Experten täuschen können. Ich kenne keinen der vielen Experten und Insidern, die an einen Sieg von Ruiz über Joshua geglaubt haben. Die Diskussionen im Vorfeld dieses Fights gingen immer nur darum, wie lange Ruiz denn stehen bleibt oder in welcher Runde Anthony Joshua den dicken kleinen mexikanischen Wonneproppen ausknockt. Niemand hat daran nur einen Gedanken verschwendet, dass Ruiz diesen Kampf nach Punkten gewinnen könnte, geschweige denn dass er fähig wäre Joshua auszuknocken.
Natürlich kommen nach einem solchen Ereignis auch immer wieder die ganz Schlauen aus ihrem Schneckenhaus um zu erklären, dass sie das doch schon vorher gewusst oder gesagt hätten. Das wäre doch klar gewesen. Diese Oberschlauen muss ich frage, warum sie dann nicht auf einen KO-Sieg von Ruiz bei den vielen Buchmachern dieser Welt viel Geld gewettet haben? Sie hätten dann das 25-fache ihres Einsatzes zurück bekommen.
Zu meiner Entschuldigung an die Adresse von Ruiz muss ich noch hinzufügen, dass ich etwa die gleiche Größe wie Ruiz habe und auch etwa so füllig wie er bin, nur musste ich fast erschreckend nach dem offiziellen Wiegen feststellen, dass Ruiz nicht nur genauso übergewichtig wie ich selbst aussieht, sondern dass er zudem noch fast 8 Kilo mehr als ich wiegt. Von der Optik sieht der neuen Schwergewichts-Weltmeister sicher nicht wie ein großer Champion aus. Es gab schon viele dicke und übergewichtige Schwergewichtler, vielleicht kennt noch Jemand den früheren deutschen Europameister Peter Weiland oder den US-Amerikaner Butterbean, die auch Titel gewonnen haben, aber ich kenne keinen der mit solch einer Figur schon einmal Weltmeister geworden ist.
Aber wollen wir den Kampf von heute Morgen weiter analysieren: Ich habe mir erstmals Gedanken gemacht, als ich sah, wie nervös doch Anthony Joshua war, als er beim Abspielen von gleich drei Nationalhymnen, immer während auf seinem Mundschutz herum kaute. Das sprach nicht für Selbstbewusstsein, aber ich habe das mit Nervosität abgetan. Als dann Joshua in der 3. Runde Ruiz zu Boden schlug, dachte sicher nicht nur ich: Das wars jetzt, der Kampf ist vorbei und ich hatte schon richtig Angst um den ganz sympathischen Mexikaner. Also doch ein Mismatch dachte ich noch. Doch der Herausforderer stand wieder auf und traf, mit schnellen Hände, dem anstürmenden Joshua – der den Kampf eigentlich mit einem Finnisch beenden wollte – boxtechnisch brillant gekontert, immer wieder am Kopf. Dabei traf er den haushohen Favoriten mit einem rechten Haken an dessen Schläfe und holte den Titelverteidiger damit von den Beinen. Man hörte die gesamten 20.000 Zuschauer in der Halle erschreckend aufstöhnend, als der bis dahin ungeschlagene Übermensch Joshua zu Boden ging.
Joshua kam zwar auch wieder gleich auf die Beine, aber er schien doch nicht wieder voll da zusein und jetzt trieb ihn Ruiz durch den Ring und schlug ihn am Ende der dritten Runde ein zweites Mal zu Boden. Nur der Runden-Gong rettete den Engländer hier schon von dem KO, der nun eine Minute Zeit hatte sich in der Runden-Pause zu erholen.
Aber als es in die 4. Runde ging war der Goldmedaillengewinner von Rio, nicht mehr der Alte. Er brachte nur immer ansatzweise seine lange linke Hand, mehr nur von unten nach oben und mehr geworfen als geschlagen, zudem doch ziemlich kraftlos, um so Distanz zwischen Ruiz und sich zu bringen. Aber es war jetzt Ruiz der immer wieder nach vorne ging, obwohl sicher die Joshua-Fans immer noch auf ein gutes Ende hofften.
Wer dachte, dass bei Ruiz nun vielleicht die Kondition nachlassen würde, lag da völlig falsch denn auch in Runde 5 und 6 kämpfte Ruiz zumindest ebenbürtig. Das Ende kam dann in der 7. Runde, als Ruiz Joshua gleich zu Beginn der Runde wieder mit einer schweren Rechten ein drittes Mal von den Beinen holte. Joshua erhob sich wieder, doch jetzt war es Ruiz der finishte und den Sack zu machen wollte. Er traf Joshua wieder und wieder mit schnellen klaren Händen und der Noch-Weltmeister ging ein viertes Mal schwer zu Boden.
Das war dann auch, wie oben schon ausführlich beschrieben, das Ende dieses Kampfes.
Man muss sich fragen: Was war mit Anthony Joshua an diesem Abend in New York los? Eigentlich wollte er eindrucksvoll sein US-Debüt bestreiten und dem geplanten „Jahrhundertkampf“ gegen WBC-Weltmeister noch mehr Gesprächsstoff zu geben, aber es kam alles anders. Doch dieser „Jahrhundertkampf“, den eigentlich Joshuas Promoter Eddie Hearn dadurch verhindert hat, weil er Wilder immer nur ein Minimum an Börse angeboten hat, die bei diesem Kampf Joshua vereinnahmt hätte.
Dieser Kampf dürfte nun wohl wie eine Seifenblase geplatzt sein, weil nun zumindest einem der beiden Kontrahenten den Nimbus des Unbesiegten verloren hat. Mit dieser Niederlage muss Joshua nun auch viel Spott und Häme einstecken. Mit Häme reagierte auch via Twitter derweil WBC-Champ Wilder: „Er war kein wahrer Champion. Seine Karriere basierte auf Lügen, Widersprüchen und Geschenken. Jetzt wissen wir, wer vor wem davongelaufen ist.“
Wie wird es weitergehen mit Anthony Joshua? Das wird die große Frage sein. Hat er mehr als nur diesen Kampf verloren? Wird er noch jemals der große Champion und der charismatische Ausnahmeathlet sein, der er noch war als er nach New York gekommen ist? Es ist schwer zu glauben und einige, nicht nur der Wilder-Fans, werden auch sinnieren, was denn passiert wäre, wenn am gleichen Abend der Gegner Deontay Wilder gehießen wäre.
Promoter Eddie Hearn wird auf jeden Fall versuchen seine „Gelddruckmaschine“ wieder in Stellung zu bringen und spricht schon von einem Revanchekampf der noch im Herbst dieses Jahres stattfinden soll. Aber dann wird sicher nicht mehr die Hälfte der Zuschauer aus englischen Fans bestehen sondern dann werden die mexikanischen Fans den größten Teil der Arena füllen, ganz wie bei Canelos Auftritten im Boxring. Mexiko hat einen neuen Volkshelden, man wird dem dicken lieben Kuppel-Weltmeister in Mexiko ein Denkmal bauen. Andy Ruiz wird unvergesslich werden. Er hat es verdient …….. und noch was: Ich selbst bin ab heute Morgen auch ein hundertprozentiger bekennender Andy Ruiz-Fan!
Übrigens ist der neue dreifache Weltmeister Andy Ruiz jr. ab heute Nachmittag auch die neue Nummer 1im Schwergewicht, in der Computer-Weltrangliste von Boxrec.
Es ist schon selbstsprechend, wenn man wie hier auf dem obigen Foto, das eine Kopie der originalen Punktrichter-Zettel ist, sieht, dass bei einem der Punktrichter zum Zeitpunkt des Kampfabbruches, Anthony Joshua gar mit einem Punkt in Führung lag und dass obwohl er alleine 4 Mal von Ruiz zu Boden geschlagen wurde, was pro Niederschlag einen vollen Punktabzug zur Folge hat. Ich finde auch, dass auf den anderen beiden Punktzetteln die Führung mit nur einem Punkt für Ruiz nicht dem Kampfverlauf entspricht.
Das Video von der Pressekonferenz nach dem Fight
Trotz seiner schweren Niederlage gegen seinen Herausforderer Andy Ruiz Jr. hätte stellte sich der nun ehemalige Weltmeister im Schwergewicht, Anthony Joshua, auf der Pressekonferenz nach dem Kampf, den Fragen der Journalisten.
Die meisten der Fragen konzentrierten sich auf zwei Dinge: Was lief schief und was kommt als nächstes?