Am Wochenende treffen in Saudi-Arabien zwei Methusalems der Schwergewichtsszene aufeinander: Deontay Wilder und Zhilei Zhang! Die beiden gigantischen Riesen haben beide mit ihrer K.O Power quasi nur eine einzige Waffe. Der Showdown verspricht maximales Spektakel und hat keinen klaren Favoriten.
Dezember 2023, Riad Saudi-Arabien. Der Bronze Bomber Deontay Wilder ist nach längerer Pause auf dem Weg ins Seilgeviert und die gesamte Box-Welt schaut ganz genau hin. Ist der Bronze Bomber noch der Alte? Im Duell mit dem agilen Joseph Parker soll sich der Knockout-King für einen Mega-Clash mit Anthony Joshua in diesem März empfehlen. Der rote Teppich ist ausgerollt und der Amerikaner muss eigentlich nur noch darüber laufen. Das Duell zwischen ihm und AJ wird seit Jahren herbeigesehnt, viele neutrale Zuschauer drücken ihm die Daumen.
Doch mit dem, was dann im Ring passiert, haben die wenigsten gerechnet. Wilder ist ein Schatten seiner selbst und wird vom slicken Parker komplett dominiert. Der einstige Olympionike ist weder physisch noch mental auf der Höhe und bringt über die gesamten zwölf Runden kaum Schläge an. Das lang ersehnte Mega-Duell mit AJ platzt und Wilder ist boxerisch komplett am Boden. Er hat gegen den Kiwi quasi keine Runde gewonnen. Nun steht die einstige Nummer eins der Division vor einem erneuten Comeback gegen den China Bomber Zhilei Zhang. Und die ganz große Frage lautet: Kann der gefährliche und einst gefürchtete Bronze Bomber nochmal zu einstiger Stärke zurückfinden?
Unorthodoxe Karriere
Wilder beginnt mit Anfang 20 sehr spät mit dem Boxen. Zuvor versucht er sich in der Leichtathletik und dem Football. Eigentlich will er als Journeyman Geld für seine schwer kranke Tochter verdienen, an eine wirkliche Karriere als Preisboxer denkt er nicht. Doch mit seiner krassen Athletik und einer enormen Power boxt sich das amerikanische Schwergewicht rasant nach vorne. Bei den olympischen Spielen 2008 in Peking gewinnt er überraschend Bronze und wird kurz danach Profi. Exzellent aufgebaut boxt sich der schlagstarke Mann aus Alabama nach oben. 2015 gewinnt der 2,01 Meter Hüne dann den freien WBC-Titel gegen Bermane Stiverne. Eine Bilderbuch-Karriere für einen Spätstarter, dem nun alle Türen offen stehen.
In der Folge verteidigt der amerikanische Ringheld seinen Gürtel mehrere Male, auch wenn seine Gegnerschaft überschaubar ist. Zu einem Vereinigungsfight gegen Klitschko kommt es nicht, auch weil das Management Wilder noch etwas Zeit geben will. Den ersten richtig großen Brocken räumt der Alabama Hammer dann 2018 mit dem Kubaner Luis Ortiz aus dem Weg. In einem „Fight of the Year“ kommt Wilder nach zwischenzeitlich großen Problemen zurück und knockt Ortiz aus. Zu diesem Zeitpunkt haben viele Experten den K.O King auf Platz eins ihres Schwergewichtsrankings und zur absoluten Krönung fehlt nur ein Duell mit dem anderen Kaiser der Division: Anthony Joshua.
Doch zum Giganten-Gefecht kommt es nie und Wilder muss anderweitig starke Gegner finden. Seine Wahl fällt auf den Lineal Champion Tyson Fury, der seine Nemesis werden sollte. Während das erste Duell mit dem Gypsy King noch recht knapp ist, wird der Amerikaner im Rückkampf 2020 vom Briten völlig demontiert. Wilders Schwächen in der Defensive werden offenbart und er ist gegen den Mann aus Morecambe chancenlos. Zwar bringt sich der Bronze Bomber für den Rückkampf nochmal in die Form seines Lebens und liefert dem Engländer eine Schlacht für die Box-Geschichtsbücher, doch am Ende verliert er erneut durch Knockout in Runde elf.
Danach folgt noch ein Aufbaukampf mit klarem Sieg gegen Robert Helenius und dann eben die krasse Pleite gegen Parker im Dezember. Wilder steht nun mit seinen edlen 38 Jahren am Scheideweg. Nur ein Sieg gegen Zhang kann den ehemaligen Top Dog nochmal in die Nähe eines Mega-Fights bringen. Dafür muss er allerdings ein völlig anderes Gesicht zeigen, seine alten Kräfte wieder entfesseln. Seine physische Stärke, sein gutes Timing und sein Kämpferherz waren ihm gegen Parker völlig abhandengekommen. Immer wieder hatte Wilder betont, dass er zuletzt einige Ayahuasca Zeremonien absolviert hatte. Dazu versuchte er sich als Musiker und wirkte nicht mehr ansatzweise fokussiert auf die Dinge im Boxring. Das Ergebnis haben die Fans im Dezember gesehen. Wenn Wilder den Turnaround schafft und am Samstag in Top-Form aufläuft, ist für den früher mental starken Power-Puncher alles drin. Doch selbst ein Bronze Bomber in Bestform muss sich vor dem chinesischen Krieger in Acht nehmen.
Der Brecher aus China
Zhilei Zhang ist bereits 41 Jahre alt und startete seine Profikarriere sehr spät erst 2014. 2008 in Peking gewann er Olympiasilber und 2012 scheiterte er im Viertelfinale an Anthony Joshua in London. Zhang gewann auf nahezu allen großen relevanten Amateurturnieren Medaillen. Was eine starke olympische Karriere wert ist, haben wir nicht zuletzt beim heißen Fight zwischen Usyk und Fury gesehen. Der „China Bomber“ ist ein unorthodoxer Rechtsausleger, der vor allem über seinen Power Punch jedem Gegner dieser Welt gefährlich werden kann. Doch auch technisch bringt er viel mit, vor allem sein Timing ist oft exzellent.
In seiner Profikarriere war er aufgrund eines Remis gegen den auf Weltlevel eher schwächer einzuschätzenden Jerry Forrest schon abgeschrieben, doch 2022 katapultierte sich der Chinese mit Pauken und Trompeten zurück in das Konzert der ganz Großen. Gegen einen stark favorisierten Filip Hrgovic dominierte Zhang mehr als die Hälfte des Gefechts und unterlag am Ende trotzdem nach Punkten. In meinen Augen eine Fehlentscheidung, die den Chinesen aber wieder in die Verlosung für die Top-Fights brachte.
In seinem nächsten Duell stellte sich Big Bang nämlich Joe Joyce, der damals auf Rang vier des renommierten Ring Magazine gelistet war. Und diesmal ließ Zhang den Punktrichtern keine Chance gegen ihn zu entscheiden. Er bearbeitete das vermeintlich stärkste Kinn der Division so lange, bis der Ringrichter den Kampf abbrach. Auch im Rückkampf knockte er Joyce spektakulär aus.
Nun war Zhang selbst in den Top fünf der Welt, allerdings unterlag er im März einem starken Joseph Parker nach Punkten. Obwohl er den Aussie zweimal zu Boden schlug, machte ihm seine eigene Kondition einen Strich durch die Rechnung. Er gewann ab der Mitte des Kampfes mit Ausnahme der achten Runde eigentlich keinen Durchgang mehr. Und hier steht ein großes Fragezeichen hinter dem olympischen Silbermedaillengewinner. Denn mit seinen 41 Jahren ist er selbst für ein Schwergewicht nicht mehr der Jüngste und sein Stamina reicht einfach nicht mehr für Weltniveau. Er braucht schnelle Siege und wird am Wochenende auch darauf abzielen. Doch gelingt dies gegen den Bronze Bomber?
Alabama Power vs. China Power
Wilder selbst sagte, dass es in der ersten Kampfhälfte einen Knockout geben wird. Entweder er erlegt Zhang oder dieser erlegt ihn. Doch ist das wirklich der richtige Plan für den Amerikaner? Der ehemalige WBC-Champion scheint über die deutlich bessere Kondition zu verfügen. Dazu hat er auch die längeren Arme. Er könnte den Fight mit seiner Führhand kontrollieren und gezielt auf seine Momente warten. Zhang ist zwar auch ein extrem guter Techniker und bereitet seine Angriffe gut vor, doch es ist klar zu erwarten, dass er in den letzten Runden nicht mehr viel im Tank haben wird.
Ob Wilder zu solch einer Strategie fähig ist, ist natürlich die andere Frage. Dafür müsste er körperlich topfit und voll fokussiert auftreten. Ähnlich wie beim zweiten Fight wie gegen Ortiz oder im dritten Duell gegen Fury. Zhang wird den Druck auf den Bronze Bomber von Beginn an hochhalten und dessen defensive Schwächen ausnutzen. Ein früher Knockout-Sieg für den Chinesen ist genauso möglich, wie ein Punktsieg Wilders. Ebenso kann der Amerikaner Zhang mit seiner knallharten Rechten erwischen. Der Chinese hat zwar das vermeintlich stärkere Kinn, aber wenn der Mann aus Alabama ihn voll trifft, sollte auch das wenig helfen.
Weil einfach alles möglich ist, zählt dieses Duell der Veteranen zu den im Vorfeld spannendsten Gefechten im kompletten Jahr. Eine Vorhersage ist brutal schwierig. Da ich persönlich nicht glaube, dass Wilder sich nochmal zu alter Größe aufschwingen kann, gehe ich mit einem Knockout-Sieg für Zhang in den Runden vier bis sechs. Der China Bomber würde sich mit solch einem Triumph einen weiteren großen Zahltag sichern. Deontay Wilder droht bei einer Niederlage das Ende einer großen, aber auf allerhöchstem Level ungekrönten Karriere.