Der Rückkampf des Jahrhunderts

Pacquiao gegen Mayweather

Ein kurzer Wackler mit dem Oberkörper, ein angedeuteter linker Haken und ein Vorwärtsstep. Das sind die letzten Momente vor dem Einschlag. Der gedrungene Mann in der grün-gelben Hose verlagert sein Gewicht blitzschnell auf den linken Fuß, dreht den Oberkörper ein, zieht seine linke Faust von der Hüfte aufwärts und erwischt seinen Gegner mit voller Wucht am Kinn. Ein beeindruckender Schlag – beinahe ebenso beeindruckend ist die Reaktion seines Kontrahenten. Schon bei drei ist der wieder auf den Beinen, legt seine Arme auf die Ringseile und wartet auf den Referee – aufgeben kommt nicht in Frage.

Natürlich nicht. Nicht in der 15. Runde. Nicht im Madison Square Garden. Und erst recht nicht am 08. März 1971. Nicht im „Fight of the century“.

Auf Johnson-Jeffries folgten Louis-Schmeling und Frazier-Ali

Kämpfe des Jahrhunderts gab es im Boxen schon so einige, alleine im letzten Jahrhundert waren es drei. Für viele heutige Boxfans ist, der Analogie folgend, natürlich der Letzte der „einzig wahre“.

15 Runden Blut, Schweiß und Tränen, zwei Boxer am Ende ihrer Kräfte und ein Favoritensieg, der irgendwie keiner war. Schließlich war es nur schwerlich vorstellbar, dass der große Muhammad Ali tatsächlich verlieren könnte – egal was die Buchmacher sagten. Der Kampf enttäuschte nicht und so kam es, dass alle Welt auf einen Rückkampf drängte.

Auch wenn alle diese Jahrhundertkämpfe unter verschiedenen Vorzeichen stattfanden, eines hatten sie gemeinsam: das Ballyhoo aller erdenklichen Medien. So war es auch vor dem ersten Jahrhundertkampf des, zugegebenermaßen noch recht jungen, 21. Jahrhunderts. Während auf Sky alle 20 Minuten mit der Übertragung des „Kampf des Jahrhunderts“ geworben wurde, zählten der Spiegel, die Welt und die Bild in einer Dauerschleife die enormen Geldsummen auf, welche das Event begleiteten. Gefühlt jeder zweite Berufsboxer der letzten drei Jahrzehnte wurde nach seiner Meinung befragt und selbstverständlich durften auch die obligatorischen Trainingsbilder nicht fehlen. Der protzige Mayweather im supermodernen Gym in Las Vegas, der sympathische Pacquiao vor einem Maschendrahtzaun in einer heruntergekommenen Seitenstraße. Realität hat beim Ballyhoo einen eher geringen Stellenwert.

Und dann waren die Vorberichte endlich vorbei. Unter dem Jubel von 16.800 Zuschauern begann der Kampf – zwölf Runden später endete das Punkturteil mit Buhrufen und Pfiffen.

„Nicht einmal Kampf des Jahres“ (New York Times)

„Der Kampf des Jahrhunderts ist vorbei – aber er schafft es nicht einmal der Kampf des Jahres zu werden“, schrieb Victor Mathers am 04. Mai in der New York Times. Dass Mayweather, Klitschko und Pacquiao im Pound-for-pound-Ranking des Ring Magazins auf den Plätzen eins, zwei und drei stünden, sei einigermaßen entmutigend, so Mathers weiter.

Floyd Mayweather vs. Manny Pacquiao aus - war das wirklich ein Jahrhundert-Kampf?

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Ähnlich bewertete auch Ex-Weltmeister Oscar de la Hoya den Kampf. Der „Golden Boy“, welcher gegen beide Boxer im Ring gestanden hatte, entschuldigte sich auf twitter im Namen des Boxens bei den Zuschauern: „Sorry boxing Fans. Nennt mich Oldschool, aber ich mag es wenn die Fans für ihr Geld einen actiongeladenen Kampf sehen“.

Die Washington Post schloss sich dieser Meinung ebenfalls an. Am 1. Mai titelte die Post noch: „Mayweather – Pacquiao: Boxens Lichtblick oder das letzte Hurra?“, zwei Tage später antwortete Post-Redakteur Des Bieler seinem Kollegen mit der rhetorischen Frage: „Einstimmige Entscheidung im Mayweather-Pacquiao fight: Dafür habe ich 100 $ bezahlt?“.

Die Reaktionen auf den Kampf sprechen eine deutliche Sprache. Auch in den USA war man von dessen Qualität nicht begeistert. Dabei wird vergessen: die Beinarbeit von Mayweather war herausragend, das Defensivverhalten wie immer grandios. Allein das Spektakel blieb aus. Pacquiao enttäuschte. Wohl auch aufgrund einer verschwiegenen Schulterverletzung.

Der Rückkampf des Jahrhunderts

Und deshalb kam es, wie es kommen musste. Drei Tage nach dem Kampf erklärte Mayweather, der sein Karriereende für September dieses Jahres angekündigt hatte, sich bereit, eben dieses doch noch aufzuschieben. Für ein Rematch gegen Pacquiao, der in gut einem Jahr von seiner Schulteroperation genesen sein dürfte.

Stellt sich nur die Frage, wie das Ballyhoo für diesen „Rückkampf des Jahrhunderts“ aussehen soll. Während Pacquiao-Promoter Bob Arum zwischen den Zeilen durchblicken ließ, dass gegen einen Rückkampf nichts einzuwenden sei, denkt Boxreporter und „BWAA Nat Fleischer Award – Gewinner (für exzellenten Boxjournalismus)“, Dan Rafael, schon ein Stückchen weiter. Die Gagen würden sinken, außerdem müsse Pacquiao aufgrund seiner Niederlage große Abstriche machen. Zudem, so Rafael auf ESPN, laufe Mayweathers TV-Vertrag nach seinem 49. Kampf im September aus. Es müsse daher komplett neu verhandelt werden – eine Tatsache, die hinsichtlich der knapp fünfjährigen Verhandlungen für den ersten Kampf, tatsächlich ein Problem darstellen könnte.

Spott ernten Mayweather und Pacquiao für ihre Ankündigung von der zweitgrößten Tageszeitung in den USA. Chris Chase, Reporter der „USA Today“, hatte schon direkt nach der Veranstaltung seinem Unmut Luft gemacht und den Kampf als „komplette Verschwendung von Zeit und Geld“ betitelt. Nun, nach Ankündigung eines möglichen Rückkampfes schreibt er: „Die gute Nachricht ist, niemand wird den Kampf kaufen“ und bezieht sich damit auf die teuren Pay-per-View-Preise vom 02. Mai. Eine Einschätzung, der Bob Arum vehement widerspricht. Der englische „Telegraph“ zitiert den Promoter mit der Annahme, der Kampf würde sich wieder verkaufen lassen. Zudem erwarte er für einen Rückkampf einen höheren Anteil für seinen Schützling als die bisherigen 40 Prozent. Tom Lutz vom englischen „Guardian“ unterstützt Arums Annahme und verspricht sich vom Rematch ein größeres Spektakel als in Kampf eins, lässt allerdings ebenfalls durchblicken, dass er mit dem selbsternannten „Fight of the Century“ nicht zufrieden war.

Im Gegensatz zum ersten Kampf, scheint die Stimmung der englischsprachigen Medien jedenfalls gekippt. An die Stelle der euphorischen Aufbruchstimmung, wie sie noch vorige Woche herrschte, scheint mittlerweile eine gewisse Resignation getreten zu sein. Und das kann die beiden Protagonisten teuer zu stehen kommen, waren doch Erwartungshaltung und Publikumsinteresse vor dem Event auch deshalb so riesig, weil die Medien auf Seiten beider Boxer standen. Das Ballyhoo eben, wie der Amerikaner so schön sagt.

Ob angesichts der Börse ein Rückkampf für beide Boxer sinnvoll sein kann, wird sich zeigen. Eine wirkliche Vorfreude auf die in frühestens einem Jahr stattfindende Veranstaltung kommt bislang jedenfalls nicht auf. Zu groß war wohl die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

The Fight of the Century

Der Mann in der grün-gelben Hose gewann am Ende übrigens einstimmig nach Punkten und fügte Muhammad Ali in dessen 32. Kampf seine erste Niederlage zu. Joe Frazier blieb damit auch nach 27 Kämpfen ungeschlagen – und Weltmeister. Aber das ist eine andere Geschichte…

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