Not fit to box – warum das Gehirn auch mal eine Pause braucht

Besondere Aufmerksamkeit erregte die Promi-Boxveranstaltung „Fame Fighting“ durch eine -wie die BILD schrieb – unschöne Überraschung: ein Teilnehmer wurde nicht freigegeben.

Promiboxer Patrick Fabian wurde von der zuständigen Ringärztin im Medical Check nicht freigegeben. Wie ebenfalls in der BILD zu lesen war, ist eine vor 2 Wochen erlittene Gehirnerschütterung Ursache für diese Entscheidung der erfahrenen Ringärztin gewesen. Es wurde stattdessen eine MRT des Kopfes veranlasst. Wenig später war folglich zu lesen: Promi Patrick Fabian erlitt eine Hirnblutung und wird -richtigerweise- nicht kämpfen!
Medial stellen sich nun die Fragen: wann ist einem Kampfsportler die Teilnahme am Wettkampf medizinisch zu verwähren? Welche Regeln sollte man nach einer Gehirnerschütterung beachten und wann kann der Sport wieder sicher ausgeübt werden?

Concussion: was passiert da im Kopf?

Die typischen Symptome dürften Kampfsportlern geläufig sein: Benommenheitsgefühl, kurzzeitige Bewusstlosigkeit (bis max. 15 Minuten), Desorientierung, Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Gedächtnislücken, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Die Scher- und Dehnungskräfte, welche im Hirn bei einem Trauma entstehen, sind hierfür verantwortlich, da durch sie Schäden an den Nervenzellen und Blutgefäßen entstehen können. Aus den verletzten Zellen treten nun Ionen und Neurotransmitter (=Botenstoffe des Gehirns) in hohem Maße aus. Zudem entsteht eine Entzündungsreaktion innerhalb von Stunden nach der Gehirnerschütterung. Schließlich kann eine Hirnschwellung entstehen, welche jedoch bei leichteren Gehirnerschütterungen oftmals vollständig reversibel ist. Bei schwereren Traumata können jedoch auch die hirnversorgenden Gefäße einen Schaden nehmen, sodass es zu Hirnblutungen kommen kann. Diese sind deshalb so gefürchtet, da sie im durch den Schädelknochen begrenzten Raum dem Gehirn buchstäblich den Platz klauen, sodass das Hirn zusammengequetscht wird und dieses in der Folge irreversible Schäden nehmen kann.

Schutzsperre: das Gehirn muss sich erholen

Unabhängig davon, welcher Dachverband ein Kampfsportevent sanktioniert: einig sind sich in dem Punkt alle, dass nach einem Knockout oder bei Hinweis auf eine Gehirnerschütterung (=Concussion; diese kann übrigens auch den Sieger eines Fights treffen oder im Training auftreten) eine Schutzsperre auszusprechen ist.
Während man im Olympischen Boxen international eine Mindestsperre von 30 Tagen ausspricht, wird beim Bund Deutscher Berufsboxer eine Sperre zwischen 6 Wochen und 3 Monaten verhängt. Im Kickboxen (nach WAKO) oder beim Taekwondo differenziert man noch genauer, z.B. ob eine Bewusstlosigkeit vorlag und ob es mehrere Concussions in Folge gab. Hier können bei Jugendlichen teilweise bis zu 50 Tagen Sperre drohen, bei wiederholten Concussionereignissen bis zu 180 Tage.
Diese Sperren sind notwendig, da die aktuelle Studienlage mehrfach eindrucksvoll gezeigt hat, wie vulnerabel das Gehirn zum Beispiel für ein sogenanntes second-impact-syndrome (=SIS) ist. Hierunter versteht man ein erneutes Trauma mit Concussion innerhalb der Erholungsphase nach einer vorangegangenen Concussion. Die Gehirnzellen befinden sich in einem Zustand der „Verwundbarkeit“, sodass ein erneutes Trauma einen stärkeren bis irreversiblen Schaden bedingen könnte. Mögliche Symptome eines SIS sind generalisierte Krampfanfälle, Koma/ Bewusstlosigkeit, weite und reaktionslose Pupillen, angestrengte Atemaktivität, Kopfschmerzen oder Erbrechen. Ursache für diese Symptome ist eine Hirnschwellung, welche klinisch schwierig bis unmöglich zu kontrollieren ist. Schließlich kann dieser Zustand in mehr als der Hälfte der Fälle tödlich enden.

Mit Concussionprotokoll zurück in den Wettkampf

Um gesund weiter dem Kampfsport nachgehen zu können, wird empfohlen, dass ein sogenanntes Concussionprotokoll durchlaufen wird. Hier ist man im American Football aktuell in Vorreiterposition, was die Entwicklung entsprechender Tests und Return-top-play Protokolle angeht. Wichtig ist -und das ist in allen Protokollen gleichermaßen kommuniziert- dass der Sportler bei Wiederaufnahme des Sports vollständig symptomfrei ist. Das bedeutet konkret, dass vorliegende, neurologische Symptome, (siehe oben) abgeklungen sein müssen, bevor der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Anschließend werden, wie hier exemplarisch im Concussionprotokoll des DBV e.V. (Amateurboxen) gezeigt, verschiedene Stufen auf dem Weg zurück zum Wettkampf durchlaufen. Beginnend mit leichter, allgemeiner körperlicher Aktivität werden Trainingspensum und Intensität langsam gesteigert. Treten erneut neurologische Symptome auf, wird der Progress abgebrochen und es wird zur letzten durchlaufenen, symptomfreien Stufe zurückgekehrt.

Dieser Fall zeigt der Kampfsportwelt eindrucksvoll: Auch bei Showboxen, Influencerkämpfen und Co. MUSS eine reguläre medizinische Betreuung gewährleistet sein! Erfahrene Ringärzte sollten stets in diese Veranstaltungen involviert werden und entsprechende Untersuchungen durchführen. Die verantwortliche Ringärztin bei Fame Fighting, Dr. Basma El-Khaldi, gehört dem Verein FIGHT DOCS Germany an – einem gemeinnützigen Verein von Ringärzten, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Kampfsport sicherer zu machen. Durch ihre ausgeprägte Erfahrung in der Betreuung von Kampfsportveranstaltungen (u.a. auch Kickbox- und MMA- Events) konnte diese ernsthafte Verletzung, welche für den Sportler ein fatales Ende gehabt hätte im Falle eines stattfindenden Kampfes, bereits im Vorfeld detektiert werden. Darum ist es so enorm wichtig, erfahrene Ringärzte einzusetzen, um nicht nur bei einer Verletzung, sondern auch im Vorfeld bereits präventiv die Gesundheit der Athleten schützen zu können.
Wir wünschen Patrick Fabian eine rasche Genesung und alles Gute!

Quellen:

Arciniegas D, Beresford T (2001) Neuropsychiatry: an introductory approach. Cambridge University Press. ISBN-10: 0521644313

Saunders R, Harbaugh R (1984) The second impact in catastrophic contact-sports head trauma. JAMA 252:538–539

McQuillen J, McQuillen E, Morrow P (1988) Trauma, sports, and malignant cerebral edema. Am J Forensic Med Pathol 9:12–16

Kobrine A et al (1977) Demonstration of massive traumatic brain swelling within 20 minutes after injury. Case report. J Neurosurg 46:256–258

Stovitz S et al (2017) What definition is used to describe second impact syndrome in sports. A systematic and critical review. Curr Sports Med Rep 16:50–55

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