Spektakulärer KO-Sieg von Joshua, aber die Punktrichter waren blind

Trotz dem letztlich klaren KO-Sieg des Titelverteidigers Anthony Joshua muss man die Wertungen der drei Punktrichter am Ring, wie diese die ersten 6 Runden auf ihren Punktzettel gewertet haben, stark kritisieren.

Die Punktrichter in London sahen nach 6 Runden, trotz Povetkins Dominanz, völlig unverständlich doch Joshua klar in Front

Boxsport vom Feinsten! Es war ein toller Kampf zweier Olympiasieger gestern Abend in der Londoner Wembley-Arena, wo der alte und neue Schwergewichts-Hero Anthony Joshua in Runde 7 seinen russischen Herausforderer Alexander Povetkin mit einer brutalen rechten Gerade, in spektakulärer Weise, schwer zu Boxen schickte. Ringrichter Steve Grey gab den Kampf dann zwar noch einmal frei, aber Povetkin boxte nur noch im Unterbewusstsein weiter und musste gleich darauf einen zweiten schweren Niederschlag hinnehmen, worauf nach 1:59 Minuten in der 7. Runde der Referee den Kampf abbrach um die Gesundheit des russischen Olympiasiegers von Athen zu schützen. Sieger durch tKO und weiterhin ungeschlagen:der alter und neue Weltmeister Anthony Joshua!

In den ersten 6 Runden war war eindeutig der Herausforderer Alexander Povetkin der dominierende Boxer im Ring.

Eine Nachbetrachtung von Ebby Thust

So weit so gut. Mit diesem Resultat haben die meisten der Boxfans schon im Vorfeld dieses WM-Kampfes gerechnet. Die Wetten an den Schaltern der Buchmachern standen hier 10:1 für den Titelverteidiger aus England. Doch in den ersten Runden sahen die Zuschauer einen ganz anderen Kampf, da war es Alexander Povetkin der den Kampf dominierte und der den Weltmeister immer und immer wieder mit klaren Treffern zum Kopf traf. Schon in der zweiten Runde blutete Joshua, nach einem schweren Treffer, stark aus der Nase und es war alleine der 39jährige Herausforderer der den Kampf diktierte, der die bessere Beinarbeit zeigte, beweglicher war und nach vorne marschierte. Es war sicher allen 90.000 Zuschauern in Wembley und Millionen Boxfans an den TV-Schirmen nach den ersten sechs Runden klar, dass Joshua langsam etwas tun musste, wenn er hier seine WM-Titel behalten möchte……und er tat es ja dann auch in Runde sieben mit einem wirklich durchschlagenden Erfolg.

Anthony Joshua nahm den Punktrichtern dann letztlich doch die Entscheidung ab und siegte klar und eindeutig durch KO

Nur den drei Herren am Ring, die diese ersten 6 Runden werten sollten, denen schien dies nicht klar gewesen zu sein, die schienen einen anderen Kampf gesehen zu haben. Als dann nach dem eindrucksvollen KO-Sieg Joshuas die Punktwertungen der drei Herren Carlos Sucre, Jean Robert Laine und Matteo Montella bekannt wurden, stellte dies den Kampfverlauf auf den Kopf. Bei allen der drei Punktrichter lag nach den ersten 6 Runden der Titelverteidiger Anthony Joshua klar vorne, einer der Herren hatte Joshua sogar 5 der ersten 6 Runden zugesprochen! Bei allem Respekt für die großartige 7. Runde und den spektakulären KO des Weltmeisters, aber diese Wertung der Punktrichter war eigentlich der nicht entdeckte Skandal dieses Kampfes. Denn hätte Povektkin, auch die zweiten 6 Runden, genauso wie die erste Hälfte, diesen Kampf dominiert, dann hätte wohl trotzdem Joshua nach Punkten gewonnen. Dies heißt unter dem Strich, dass Povetkin wohl von vorne herein niemals die Chance hatte diesen Kampf nach Punkten zu gewinnen. Selbst wenn man nicht unbedingt alle der ersten 6 Runden an Povetkin gegeben hätte, aber 4 dieser 6 Runden hat er doch ganz sicher und dies sogar richtig klar für sich entschieden. Wie also können versierte und erfahrene Punktrichter so blind sein?
Die Boxwelt hat ja ähnliches eine Woche zuvor in Las Vegas erlebt, wo nach 12 harten Runden im Kampf zwischen Gennady Golovkin und Canelo Alvarez, die Punktrichter den Boxer, der bei dem veranstaltenden Promoter Golden Boy Promotion unter Vertrag stand, als den Sieger dieses Kampfes sahen. 90% aller Experten sahen das allerdings anders.

Nach der eindeutigen KO-Entscheidung von London, wird kaum um die Wertung der Punktrichter diskutiert werden, weil das Urteil durch den spektakulären KO-Sieg von Joshua eben 100% in Ordnung ist. Trotzdem muss man sich die Frage stellen: Warum bevorteilen die Ringrichter bei den Big Fights, auf ihren Punktzetteln, eigentlich immer den Heim-Boxer beziehungsweisen den beim veranstaltenden Promoter unter Vertrag stehenden Boxer?
Hierzu bedarf es einer Erklärung: Verantwortlich für den Einsatz der Ring- und Punktrichter sind (eigentlich) alleine die Weltverbände um deren Titel gekämpft wird und die auch die Aufsicht über den WM-Kampf haben. Allerdings ist es in der Realität so, dass der Veranstalter, an dessen Events ja die Welt-Boxverbände richtig mitverdienen (Sancition Fees), wenn auch nur inoffiziell, aber eben doch, ein gewisses Mitspracherecht bezüglich der Auswahl der vom Weltverband einzusetzenden Ring- und Punktrichter hat. Die Punktrichter selbst verdienen ja gerade bei WM-Kämpfen auch sehr gut, sie bekommen meist Business-Flüge und 5-Sterne Hotel bezahlt und zudem auch noch ein Solär, das so zwischen 1.000 und 3.000 Dollar liegen dürfte und das Wichtigste und erstrangigste Ziel dieser Punktrichter ist es,  doch immer wieder bei großen Kämpfen eingesetzt zu werden. Und hier beginnt das Problem. Natürlich sind nach einem Kampf dem Promoter der Veranstaltung die Punktzettel der einzelnen Punktrichter zugänglich und er sieht wie der Einzelne den Kampf für „seinen“ Boxer gewertet hat. Logischer Weise wird ein Promoter, den Punktrichter, der ein oder gar zweimal, bei einem knappen Kampfausgang seinen bei ihm unter Vertrag stehenden Boxer nach Punkten hinten hatte, diesen beim nächsten Mal ablehnen, wenn ihm dieser Punktrichter vom Weltverband wieder zugeordnet wird. Das wissen natürlich auch diese Punktrichter und da ja die großen Promoter wie Golden Boy oder Eddie Hearn fast wöchentlich oder mindestens zweimal im Monat veranstalten, werten sie deshalb bei ihrem Einsatz am Ring einfach „Promoter-freundlich“ und bevorteilen – in ihrem eigenen Interesse doch bei einer der nächsten Veranstaltungen dieses Promoters wieder eingesetzt zu werden – dann eben den bei dem veranstaltenden Promoter unter Vertrag stehend Boxer, wie in den beiden aktuellen Fällen eben in der letzten Woche Canelo Alvarez und gestern Abend Anthony Joshua.

Im Kampf um die britische Meisterschaft zwischen Matty Askin vs Lawrence Okolie gab es ein klares Fehlurteil zu Gunsten des Eddie Hearn Schützlings Lawrence Okolie

Ein weiters Beispiel gestern Abend gab es hierzu bei dem Kampf der gleichen Veranstaltung im Wembley-Stadion, im Cruisergewicht zwischen Matty Askin vs Lawrence Okolie. Hier sahen 90.000 Zuschauer und sicher auch alle Zuschauer an den TV-Schirmen und auch die Kommentatoren vor den Mikrofonen, Matt Askin als den Sieger dieses Kampfes, doch als dann das Urteil öffentlich verkündet wurde konnten sich alle nur wundern: Der klar unterlegene Lawrence Okolie, der zudem vom Ringrichter noch zwei Punkte wegen zwei Verwarnungen abgezogen bekam, gewann den Kampf trotzdem noch klar und einstimmig, bei einem der Punktrichter sogar mit 6 Punkten Vorsprung. Einfach unglaublich. Aber dann wohl doch nicht so unglaublich, wenn man weiß, dass der zu Unrecht zum Gewinner dieses Kampfes erklärte Lawrence Okolie, bei dem Promoter dieses Events, Eddie Hearn unter Vertrag steht.

Es wird letztlich wenig nutzen darüber zu diskutieren, wir haben das ja alles schon sehr oft auch in deutschen Ringen erlebt. Henry Maske wusste wohl schon warum er immer nur auf den Veranstaltungen seines Promoters Sauerland geboxt hat und niemals ins Ausland gegangen ist und es gibt unzählige Beispiele, auch vom früheren, damals größten Promoter Europas, Universum Box-Promotion. Da gab es einmal einen WM Kampf zwischen Artur Grigorian und dem Polen Matt Zegan um den WBO-Titel und bei diesem Kampf gewann der Pole fast jede Runde und Grigorian war sogar drei Mal schwer am Boden und am Ende gewann der Universum Boxer dann doch noch den Kampf nach Punkten. Ich habe Mal den damalige Universum-Chef Peter Hanraths, der auch hier auf Mallorca lebt und mit dem ich wöchentlich mehrmals beim Morgen-Kaffee zusammensitze, darauf angesprochen und da sagte der mir: „Das war damals selbst mir peinlich als ich das Urteil hörte.“

Man kann das auch sicher nicht ändern und es wird immer ein kleines großes Übel sein mit dem der Boxsport leben muss. Und die Punktrichter sind auch sicherlich nicht bestochen, wie das oft angenommen und diskutiert wird. Es sind schlicht und einfach „Gefälligkeits-Entscheidungen“ die dem eigenen Vorteil eines Punktrichters dienen. Wo Menschen entscheiden wird es immer Emotionen, Sympathie und Antipathie geben……..und der Eine sieht es dann eben halt anders als Millionen Andere.

4.8/5 - (57 votes)