Hamsat Shadalov ist im Augenblick unbestritten einer der talentiertesten deutschen Boxer. Im Jahr 2022 ist der ehemalige Olympiateilnehmer von Tokio ins Profilager gewechselt. Seitdem hat der 24-jährige 3 Profikämpfe erfolgreich bestritten und richtet den Blick nun auf erste Titelkämpfe. Im Interview mit Boxen1 lässt der Deutsch-Tschetschene sein Jahr Revue passieren, gibt einen Ausblick auf 2023 und kommentiert die Lage des deutschen Boxens im Leichtgewicht.
Boxen1: Befindest du dich schon im Weihnachtsurlaub oder bereitest du dich im Augenblick auf einen Kampf vor?
Hamsat Shadalov: Ich sollte eigentlich am 10.12. in Heilbronn boxen. Aber ich musste den Kampf wegen einer Grippe absagen. Ich bin zwar seit gestern wieder im Training, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Ich boxe kein Fallobst und möchte immer meine Bestleistung abrufen. Also habe ich den Kampf lieber abgesagt.
Boxen1: Du warst ein hochdekorierter Amateur. Für diejenigen Fans, die das Amateurboxen nicht so regelmäßig verfolgen: welche Erfolge konntest du als Amateur erzielen?
Hamsat Shadalov: Ich habe an Olympia teilgenommen. Obwohl ich dort keine Medaille gewonnen habe, war das ein „Wow-Moment“. Davon hatte ich schon als Kind geträumt. Ich war 9-mal deutscher Meister – in unterschiedlichen Altersklassen bis hoch zur Elite. Auf nationaler Ebene bin ich seit 2015 ungeschlagen. Außerdem habe ich Siege gegen große internationale Gegner eingefahren. Bei der Olympiaquali habe ich z.B. den damaligen Europameister ausgeschaltet und mit 18 Jahren habe ich den zweimaligen Olympiasieger Robeisy Ramirez besiegt.
Boxen1: Wie bewertest du dein persönliches Jahr 2022 aus sportlicher Sicht?
Hamsat Shadalov: Ich hatte mein Debut bei den Profis. Hatte in sehr kurzen Abständen die ersten 3 Kämpfe. Der Start war also sehr gut, so kann es weitergehen. Ich merke, wie meine Reichweite in der öffentlichen Wahrnehmung wächst. D.h. die Leute wollen sehen, wie ich boxe und was ich für das deutsche Boxen erreichen kann.
Boxen1: Du stehst gemäß Boxrec aktuell auf Rang 11 im Leichtgewicht in Deutschland. Damit hast du die Top 10 noch vor dir. Gib uns deine Meinung zu den besten ungeschlagenen Boxern aus den Top 10. Fangen wir an mit Tom Sander (7-0-0) aus Leverkusen.
Hamsat Shadalov: Den kenne ich nicht. Der ist zwar in meiner Gewichtsklasse, aber ehrlicher Weise kenne ich da auch nicht jeden. Ich konzentriere mich ganz auf mich selbst.
Boxen1: Ok. Was ist mit Younes Zarraa?
Hamsat Shadalov: Den kenne ich noch von den Amateuren. Er war auch schon international ein wenig unterwegs, hat in Dubai geboxt. Wir haben uns im Amateurbereich mal getroffen. Er ist auch menschlich ein guter Typ. Ich mag ihn sehr.
Boxen1: Wie sieht es aus mit Nenad Stancic?
Hamsat Shadalov: Klar kenne ich den. Starker und erfahrener Boxer. Wir hatten sogar mal eine Vorbereitung zusammen und haben Sparring gemacht. Er ist auch ein talentierter Junge. Ein Kampf mit ihm wäre sportlich interessant. Aber auf der persönlichen Ebene will ich ihn nicht angreifen. Ich komme gut mit ihm klar.
Boxen1: Die aktuelle Nummer 1 im Profiboxen ist Artem Harutyunyan. Was hältst du von ihm?
Hamsat Shadalov: Er ist ein erfahrener Mann. Ich kenne ihn persönlich nicht. Aber er macht einen menschlich korrekten Eindruck. Ich glaube aber, dass er schon über seine „Prime“ hinaus ist. Er hat hohe Ansprüche und ist ein interessanter Boxer. Er hat im Profibereich natürlich auch mehr Erfahrung als ich. Aber boxtechnisch schlägt mich keiner.
Boxen1: Was müsste im deutschen Boxen passieren, damit die Fans mehr Duelle deutscher Top-10 Boxer zu sehen bekommen?
Hamsat Shadalov: Man müsste in Deutschland das Boxen im Marketingbereich viel besser verkaufen. Früher gab es Fernsehverträge. Im Ausland ist das Boxen viel stärker im Internet vertreten. Es muss aber auch „echte“ Boxer geben. Dass Universum Veranstaltungen mit YouTubern macht, macht das Boxen kaputt.
Boxen1: Angenommen im kommenden Jahr findet ein Round Robin Turnier mit 4 deutschen Boxern aus deiner Gewichtsklasse statt. Welche 3 Boxer außer dir sollten mit dabei sein? Und wer würde gewinnen?
Hamsat Shadalov: Die Boxer, die du genannt hast: Artem, Nenad und Younes. Das sind die Einzigen, die Boxen können. Das wären interessante Kämpfe. Wenn du mich fragst, wer gewinnt, sage ich natürlich ich. Aber das würden die anderen drei auch von sich behaupten. Man muss im Boxen Selbstbewusst und von sich überzeugt sein. Andernfalls kann man nicht erfolgreich sein.
Boxen1: Welche deutschen Boxer im Leichtgewicht sind deiner Meinung nach überschätzt oder in den Rankings zu weit oben?
Hamsat Shadalov: Das ist schwer zu beurteilen. Ich kenne die Rankings nicht im Detail und kenne auch nicht jeden Boxer. Aber die Platzierungen wundern mich nicht. Es wundert mich auch nicht, dass ich da noch unten stehe. Aber ich stehe auch erst am Anfang meiner Profikarriere und die anderen sind zum Teil bereits am Ende Ihrer Karriere.
Boxen1: Lass uns abschließend über das kommende Jahr sprechen. Wie oft planst du 2023 zu boxen? Was sind deine Ziele für 2023?
Hamsat Shadalov: Ich würde nächstes Jahr gerne 4-5 Kämpfe machen. Wenn möglich auch mehr. Ein Titelkampf wäre nicht schlecht. Ob national oder international ist egal.