Am Samstagabend steht die unbestrittene Meisterschaft im Leichtgewicht auf dem Spiel.
Es war im Jahre 2019 und Devin Haney, damals erst gerade 20 Jahre alt, war schon zu dieser Zeit, einer der Top-Leichtgewichtskandidaten. Er hatte große Ziele und eine makellose Bilanz, als er Zaur Abdullaev in der vierten Runde ausschaltete und den vakanten WBC-Interims-Titel gewann.
Mit dem Interimsgürtel war Haney für einen Pflicht-Herausforderungskampf gegen den Drei-Gürtel-Champion Vasiliy Lomachenko gerüstet, der zwei Wochen vor Haney, Luke Campbell, in seiner Heimatstadt London entscheidend besiegte, um den vakanten WBC-Titel zu gewinnen.
Haney wollte unbedingt damals schon gegen Lomachenko antreten, den zweifachen Olympiasieger und Weltmeister in drei verschiedenen Gewichtsklassen, der von den meisten als der Pfund-für-Pfund-König angesehen wurde.
Aber Haney bekam diese Chance nicht, weil Lomachenko stattdessen den umstrittenen „Franchise“-Titel der WBC beantragte und auch erhielt und so den WBC-Weltmeistertitel kampflos räumte. Lomachenko hatte vor vier Jahren einfach kein Interesse gegen, den damals noch ziemlich unbekannten, Haney anzutreten, da ein Kampf gegen ihn, damals zu wenig Geld einbracht hätte und er auch mit einem konkurrierenden Promoter und TV-Sender zusammenarbeitete.
Stattdessen bestand damals der große Kampf für Lomachenko darin, dass er in einem Vereinigungskampf auf seinen Leichtgewichts-Konkurrenten Teofimo Lopez traf, der den vierten Gürtel trug.
Devin Haney musste dann seinen WBC-Weltmeistertitel in kleineren Kämpfen verteidigen, aber selbst als er seinen WBC-Titel erfolgreich verteidigte, äußerten sich viele kritisch und nannten ihn einen „E-Mail-Champion“, weil er eben nur durch eine Nachricht und ohne Kampf, vom Interims-Champion zum (echten) WBC-Weltmeister befördert wurde, weil eben Lomachenko seinen WBC-Titel kampflos zurückgegeben hatte.
Es war die Kritik, die Devin Haney damals störte, aber was konnte er tun? Er konnte Lomachenko doch nicht zwingen, gegen ihn zu kämpfen und er verteidigte stattdessen gegen Gegner wie Yuriorkis Gamboa, Jorge Linares und Joseph Diaz Jr., allesamt ehemalige Weltmeister, seinen WBC-Titel, aber keiner von ihnen hatte auch nur annähernd das Charisma von Vasiliy Lomachenko.
In der Zwischenzeit verlor dann Lomachenko im Oktober 2020 einen Vereinigungskampf gegen Teofimo Lopez. Lopez wiederum verlor die Gürtel dann direkt im nächsten Kampf an George Kambosos Jr., der Lomachenko – der sich von seiner Niederlage erholt hatte und 2021 zwei Siege einfuhr – eine Chance bot um mit ihm um die Gürtel zu kämpfen.
Kurz bevor der Kampf angekündigt werden sollte, unterbrach Lomachenko jedoch seine Boxsport-Karriere. Russland war in sein Heimatland Ukraine einmarschiert und er entschied sich, in sein Heimatland zurückzukehren und der Ukraine bei der Verteidigung des Landes zu helfen.
„Sie können nicht an Ihre Zukunft denken, wenn in Ihrem Haus ein Krieg droht“, sagte Lomachenko damals. „Du denkst nur an das Leben, an deine Familie und an die Menschen um dich herum. Du denkst darüber nach, wie du einen weiteren Tag am Leben bleiben kannst. Du darfst nicht an deinen Job denken. An Profisport kann man dabei schon gar nicht denken.“
Da Kambosos jr. nun einen neuen Gegner brauchte, bewarb sich Haney darum um die Titel kämpfen zu dürfen und er konnte dann auch einen Deal machen, aber nur, wenn Haney bei Top Rank unterschrieb und den TV-Sender wechselte. Es bedeutete zudem auch eine Reise in Kambosos‘ Heimat Australien zu machen und die Zustimmung zu einem sofortigen Rückkampf in Australien, falls er den Kampf gewinnen sollte. Devin Haney gab alles auf und akzeptierte alles, nur um die Chance zu bekommen um alle Titel zu boxen.
„Ich habe das Gefühl, Loma hätte schon vor vier Jahren gegen mich kämpfen sollen.“ Aber jetzt endlich ist es soweit“, sagt Haney.
Haney war mit allem einverstanden und sie trafen sich letzten Juni in Melbourne, wo Haney eine dominierende Leistung zeigte und Kambosos besiegte, um die Leichtgewichtsklasse vollständig zu vereinen und der erste unangefochtene Leichtgewichts-Champion der Vier-Gürtel-Ära zu werden. Vier Monate später kehrte Haney nach Melbourne zurück und tat es erneut, indem er mit dem Rückkampf, auf den Kambosos vertraglich Anspruch hatte, seine insgesamt sechste Titel-Verteidigung absolvierte.
Und jetzt, vier Jahre nachdem Lomachenko einen Kampf mit Haney abgewehrt und sogar einen seiner Titel dabei verloren hat, treffen sie am heutigen Samstag im MGM Grand Hotel in Las Vegas aufeinander. Als Kind, das in dieser Stadt aufwuchs, verfolgte Haney viele Kämpfe von der Tribüne aus.
„Er hat mich vier Jahre warten lassen, bis ich gegen ihn kämpfen konnte“, sagte Haney. „Ich war 20 Jahre alt. Also, ich mag Loma nicht. Ich möchte ihn nur unbedingt besiegen. Ich möchte ihn ganz einfach in den Ruhestand schicken.“
Aber Devin Haney hat auch Respekt vor Lomachenko.
„Ich ziehe meinen Hut vor ihm“, sagte Haney. „Ich respektiere alles, was er getan hat. Ich respektiere seine Entscheidung, zu bleiben und sein Land zu verteidigen. Das gab mir die Chance, nach Australien zu gehen, also war es nur richtig, dass auch ich ihm die Chance gebe.“
Devin Haney (29-0-0, 15 KO-Siege) ist nicht mehr das Kind, oder der 20-jährige Junge, gegen den Lomachenko sich weigerte anzutreten. Jetzt ist er ein viel besser gewordener und reifer 24-Jähriger mit allen Gürteln und heute gilt er als der beste Leichtgewichtler der Welt.
„Ich habe das Gefühl, er hätte schon vor vier Jahren gegen mich kämpfen sollen. Aber jetzt ist es soweit“, sagte Haney. „Es wird schlimmer für ihn sein, als es gewesen wäre, wenn wir damals gekämpft hätten. Auf dem Papier ist das mein härtester Test. Aber ich möchte, dass es eine einfache Nacht für mich wird. Ich möchte es so einfach wie möglich machen und als Sieger hervorgehen.
„Ich werde einen souveränen Sieg erringen. Ich werde hineingehen und Loma meinen Willen aufzwingen und der Welt zeigen, wie großartig Devin Haney wirklich ist, wie vielseitig, wie stark, wie jung und wie erfahren ich in diesem Ring bin.“
Der 35-jährige Lomachenko ist zum ersten Mal in seiner Karriere der Außenseiter, weil ihn viele ansehen, als einen der sein Zenit schon überschritten hat und weil er im Oktober mit dem Punktsieg gegen die damals noch ungeschlagene, aber nicht so hoch gehandelten Jamaine Ortiz, eine schwache Leistung hinterlassen hat.
Aber Haney sagte, er glaube, dass Lomachenko immer noch ein Elitekämpfer sei, nur dass er eben einfach besser sei.
„Loma ist definitiv kein Faulpelz“, sagte Haney. „Er ist kein Typ, mit dem man da reingehen und alles machen kann. Es erfordert Strategie und viel Geschick. Er hat Fähigkeiten. Er hat einen hohen IQ und einen großartigen Amateur-Stammbaum.“
„Ich verstehe, dass es meine letzte Chance ist, unbestrittener Champion zu werden“, sagt Lomachenko.
Was Lomachenko (17-2-0, 11 KO-Siege), der ein Rechtsausleger ist betrifft, liegt alles, was damals im Jahre 2019 passiert ist, schon lange zurück. Er weiß nur, dass er jetzt die Chance hat, ein unbestrittener Champion zu werden, das Einzige, was ihm bisher entgangen ist und etwas, das er sich seit seiner Karriere als Tuning-Profi im Jahr 2013 gewünscht und über das er endlos gesprochen hat.
„Das Trainingslager war wie immer hart, aber sehr motivierend. „Es war motivierend, weil ich verstehe, dass es meine letzte Chance ist, unbestrittener Champ zu werden“, sagte Lomachenko. „Also habe ich mich in jeder Trainingseinheit anstrengt. Er spricht über die Vergangenheit, aber es ist schwer, etwas über die Vergangenheit zu sagen. Du kannst es nicht ändern. Selbst wenn man darüber redet, kann man es nicht ändern. Nur Gott kann es ändern.
„Ich denke nur darüber nach, was ich während eines Kampfes tun muss, und mein Ziel ist es, der unangefochtene Weltmeister zu werden.“
Während Haney keinen Hehl daraus macht, dass er darüber verärgert ist, dass Lomachenko vor vier Jahren nicht gegen ihn gekämpft hat, weiß er, dass er ihn jetzt hat, auch wenn die Umstände anders sind.
„Diesmal hat sich das Blatt gewendet“, sagte Haney. „Als er die Gürtel hatte, wollte er nicht gegen mich kämpfen. Aber es ist ein Kampf, bei dem ich wirklich glaube, dass ich der bessere Kämpfer bin. Ich bin der bessere Konkurrent. Ich werde siegreich sein. Ich bin froh, dass es endlich soweit ist.“