Emre Cukur mit Blick auf deutsche, türkische und englische Boxelite!

Foto: Alexandre Gorodnyi

Am 21.05.2022 boxt Emre Cukur (18-1-0) in Leo‘s Boxgym in München gegen Iago Kiziria (5-4-0) aus Georgien. Mit einem Sieg möchte sich der 29-jährige für große internationale Titelkämpfe oder Duelle mit anderen Top Boxern aus Deutschland oder der Türkei in Stellung bringen.

Wie laufen die Vorbereitungen auf deinen Kampf am 21.05.2022 in München?

„Das war die vermutlich beste Vorbereitung, die ich je hatte. Wir haben ein paar Veränderungen im Trainerteam vorgenommen. Die Vater-Sohn Konstellation bleibt weiterhin bestehen. Aber wir wurden jetzt noch mit dem ehemaligen Chef-Trainer des erfolgreichsten türkischen Box Clubs, Fenerbahce Istanbul, verstärkt. Das bringt frischen Wind rein und es stellt sicher, dass ich 24/7 optimal betreut werde.“

Bei der Auswahl des Gegners gab es einige Schwierigkeiten und kurzfristige Änderungen. Wie beeinflusst das die Vorbereitungen?

„Damit muss man als Profi klarkommen. In meinem letzten Kampf beispielsweise gegen Matteo Hache hatte ich mich genau auf meinen Gegner eingestellt. Und dann kam der Gegner in der ersten Runde plötzlich überraschend in Rechtsauslage aus der Ecke. Der Stil und Taktik entscheiden sich letztlich in der ersten Runde. Dann lesen wir den Gegner. Darin haben wir mittlerweile viel Erfahrung. Da habe ich großes Vertrauen in meine Ecke, dass wir dann die gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen vornehmen können.“

Dein Gegner am 21. Mai ist Iago Kiziria aus Georgien. In Deutschland kennt man Kiziria zum Beispiel aus seinem Kampf gegen Leon Bunn. Damals hat der Georgier nur knapp nach Majority Decision verloren. Was weißt du über deinen Gegner? Wie bereitest du dich auf ihn vor?

„Wir haben uns in der Vorbereitung Videos von Kizirias Kämpfen angeschaut. Er ist ein sehr erfahrener Mann. Hat beispielsweise in der World Series of Boxing gekämpft. Den Kampf gegen Leon Bunn habe ich mir auch angeschaut. Er hat Leon das Leben schwer gemacht. Aber ehrlicher Weise hatte ich Leon deutlicher vorne gesehen.“

Im Jahr 2020 musstest du deine einzige Niederlage gegen Davide Faraci einstecken. Obwohl du Faraci in der 2. Runde niedergeschlagen hattest, hast du letztlich nach Punkten verloren. Was hast du aus der Niederlage gelernt? Woran hast du seitdem gearbeitet?

Foto: Torsten Helmke

„Vertraue niemals dem Ringrichter – ganz böse gesagt. Ich hatte damals, wie du sagst, Faraci mit einer rechts-links Kombinationen in der zweiten Runde auf den Boden geschickt. Vier Runden lang habe ich meinen Gegner vorgeführt. Danach hatte ich einen Mental Breakdown. Nach Punkten kann ich den Kampf eigentlich gar nicht mehr verlieren. Werde dann aber zweimal angezählt, nachdem ich runtergedrückt wurde.“

„Trotzdem war die Niederlage jetzt der Grund für die Veränderungen. Wir haben ein Trainingslager durchgeführt und sind auch einfach mal raus aus dem Gym, wir haben einen neuen Trainer dazu geholt und wir haben mehr Sparringspartner ins Camp geholt. Deshalb bin ich heute viel stärker als ich es damals war.“

„Auch die Zusammenarbeit mit meinem Vater ist jetzt eine andere. Man Vater war früher sehr strikt getreu dem Motto: das was ich sage, wird gemacht. Heute setzt er sich auch mal mit mir vor dem Training hin und fragt, wie fühlst du dich überhaupt? Welches Tempo können wir heute gehen? Ich denke, das macht ein professionelles Team aus.“

„Die Niederlage war natürlich Scheiße – auf gut deutsch gesagt. Aber am Ende des Tages habe ich extrem viel daraus gelernt.“

Hector Hernandez, Emre The Lion Jr Cukur, Raphael BlackPanther Rogers, Daniel Schmidt

Neben dem Boxen engagierst du dich sozial und arbeitest du noch als Schulbegleiter. Was genau machst du bei dieser Tätigkeit?

„Der Beginn der Tätigkeit war auch eine der Lektionen aus der Niederlage. Zu dem Zeitpunkt war da so viel Druck von links und rechts. Ich hatte damals begonnen, etwas die Lust am Sport zu verlieren und konnte teilweise keine Sandsäcke oder Boxhandschuhe mehr sehen. Damals hat mir mein Onkel Ali Cukur vom TSV 1860 Boxen die Stelle als Schulbegleiter vermittelt. Bei dieser Aufgabe habe ich einen 8-jährigen Jungen mit Aggressionsproblemen betreut. Der war dann wie ein kleiner Bruder für mich. Den habe ich knapp zwei Jahre betreut. Das mache ich aber auch einfach gerne. Die soziale Ader habe ich im Blut – vom Papa, vom Onkel und vom Opa. Und gleichzeitig ist die Tätigkeit für mich ein Ausgleich zum Boxen, der mir hilft auch mal abzuschalten.“

Der TSV 1860 München, bei dem dein Onkel Ali Cukur Trainer ist, ist dieses Jahr in der Box-Bundesliga vertreten. Verfolgst du das Geschehen bei 1860 und der Bundesliga? Welche Verbindungen pflegst du noch zum größten und traditionsreichsten Münchener Boxverein?

„1860 ist und bleibt der Anfang der Boxkarriere unserer Familie. Denn Boxen ist für uns ein Familiensport. Ich bin nicht umsonst „Lion Jr.“ und das Gym von meinem Vater Levent heißt auch nicht umsonst „Leo‘s Boxgym“ – es ist Ausdruck unserer Loyalität zu dem Club. Mein Vater ist immer noch Ehrenmitglied des Vereins. Alfonso Fusco, einer der Trainer von 1860, hat mich auf dem Arm getragen als ich noch ein kleines Baby war – er ist mittlerweile aber auch ein ehemaliger Gegner von mir. Wir supporten ganz generell München. Wir schauen uns auch mal ein Spiel vom FC Bayern an. Aber was Boxen angeht, sind wir im Herzen tiefblau!“

„Aktuell sind die Löwen extrem stark. Allerdings waren sie schwach in die Saison gestartet, nachdem sie ins kalte Wasser geworfen wurden. Zuletzt gab es leider auch ein Skandalurteil zum Nachteil des TSV 1860. Bei den kommenden Kämpfen bin ich natürlich ganz vorne mit dabei.“

Was traust du den Sechzigern noch zu?

„Mehr als den Fußballern! Aber im Ernst: Die Jungs sind extrem stark. Die haben eine hervorragende Boxschule. Der Trainerstab ist sehr gut. Mein Onkel Ali ist weiterhin mit Blut, Schweiß und Tränen engagiert. 1860 wird in der Bundesliga sehr erfolgreich werden. Wenn nicht schon in diesem Jahr, dann doch mit Sicherheit in den kommenden Jahren.“

Gemäß unabhängiger Rangliste von Boxrec bist du im Supermittelgewicht die Nummer zwei in Deutschland. Für die Fans sind deutsch-deutsche Duelle etwas ganz Besonderes. Was hältst du von den restlichen Top-Boxern aus Deutschland? Welche Kämpfe könntest du dir aus deiner Sicht gut vorstellen?

Felix Sturm (Rang 1)

„Deutsche Boxsport Legende. Man braucht eigentlich auch nur an den einen Kampf gegen Oscar de la Hoya erinnern, den Felix damals eindeutig gewonnen hatte. Extrem starker Boxer – nach wie vor. Einer meiner Wunschgegner!“

Ronny Mittag (Rang 3)

„Ich halte Ronny Mittag für unterschätzt. Gegen Dennis Radovan hat er sein Können unter Beweis gestellt. Er ist ein sehr unangenehmer Boxer. Wäre ein interessantes Duell. Warum nicht?“

Jürgen Doberstein (Rang 4)

„Wäre auch ein starker Gegner. Ich denke da zurück an seinen Kampf gegen Robin Krasniqi. Extrem stark. Hat viele starke Kämpfe gemacht und steht zu Recht da, wo er jetzt ist. Ist absolut nicht zu unterschätzen.“

Dimitar Tilev (Rang 7, aber Deutscher Meister BDB)

„Ehrlich gesagt, ist der deutsche Meister Titel im Augenblick für mich nicht interessant, weil ich die Augen viel weiter nach oben gerichtet habe. Trotzdem ist der deutsche Meistertitel natürlich ein Prestigetitel. Aber ich stehe im Augenblick in den Top 15 der WBA Rangliste. Da muss ich mir höhere Ziele stecken.“

„Dimitar Tilev ist aber ein extrem starker Boxer. Sehr gut ausgebildet. Aber ich denke auch er hat bereits neue und größere Ziele ins Auge gefasst.“

Welche anderen deutsch-deutschen Duelle fändest du reizvoll?

„Ich bin für alles offen. Ich glaube auch, dass das deutsche Boxen diese Kämpfe braucht. Leider sind die Promoter heutzutage nicht mehr bereit Risiken einzugehen.“

In Europa rangierst du gemäß Boxrec auf Platz 28: Welche Kämpfe gegen namhafte europäische Boxer wären aus deiner Sicht attraktiv?

Giovanni De Carolis (ITA, Rang 26)

„Ehrlich gesagt, sportlich nicht mehr interessant. Er ist nicht mehr der Boxer, der er einmal war. Hat einige Niederlagen hinter sich. Er boxt jetzt gegen Scardina und wird wahrscheinlich auch diesen Kampf verlieren. De Carolis hat aber natürlich nach seinen starken Auftritten gegen Vincent Feigenbutz und Tyron Zeuge immer noch einen großen Namen in Deutschland.“

Cem Kilic (TÜR, Rang 22)

„Ein rein türkisches Duell wäre natürlich super interessant – und auch machbar. Kilic boxt viel in Amerika. Als Amateur hat er übrigens gegen Toni Kraft – gebürtig Safet Avdimetaj – verloren.“

Daniele Scardina (ITA, Rang 21)

„Starker Italiener. Auch interessant. An solchen Leuten müssen wir vorbei. Und wenn sie einem im Weg stehen, muss man das Risiko eingehen. Dazu bin ich bereit!“

Istvan Szili (UNG, Rang 10)

„Lustige Geschichte: Ich saß vor Kurzem in einer Runde mit Profiboxern und habe damals gesagt: ich glaube der Istvan gewinnt das Ding gegen Felix Sturm. Der wurde unterschätzt von allen. Istvan ist extrem unangenehm zu boxen. Er schlägt viel. Er ist immer im Training – auch wenn er gerade keinen Kampf angesetzt hat. Er hat das gegen Felix gezeigt. Man kann drüber streiten, wie er den Kampf geführt hat. Aber am Ende des Tages, wurde er nicht ermahnt. So konnte er den Kampf dominieren und hat zuletzt zu Recht gewonnen.“

Welche anderen Boxer aus den europäischen Rankings würdest du gerne boxen?

„Avni Yildirim würden wir sehr gerne boxen. Dazu gab es kürzlich auch schon Gespräche für einen Kampf in Istanbul. Mein Vater Levent hatte nach der Anfrage natürlich sofort ja gesagt. Leider konnte dann keine finanzielle Einigung erzielt werden. Der Kampf würde in der Türkei richtig boomen.“

„Aber die sportlich wirklich spannenden Kämpfe in Europa wären in England. Mit Zach Parker und Rocky Fielding gab es in der Vergangenheit auch schon lose Gespräche. Schade war, dass wir von Ihren Promotern nur 4 Wochen vor dem Kampf angerufen wurden, so dass eine vernünftige Vorbereitung gar nicht mehr möglich war. Und zum Verlieren treten wir nicht an.“

Traust du dir eine Prognose für den kommenden Kampf gegen Iago Kiziria zu?

„Ich trainiere immer für die maximale Anzahl an Runden. Wenn ich feststelle, dass der Gegner ein wirklich harter Brocken ist, muss ich das Ding zur Not sicher über die Punkte gewinnen. Ich bin kein Risikoboxer, der sich hinstellt und versucht mitzuballern. Das ist nicht mein Stil. Ich boxe locker raus, habe aber auch die Fähigkeit jemand auf die Bretter zu schicken. Das habe ich zuletzt auch gezeigt. Die Power, die Geduld und das Können sind da. Ich wünsche mir ein vorzeitiges Ende. Aber wenn es am Ende über die vollen 8 Runden geht, rechne ich mit einem eindeutigen Punktsieg.“

Der Kampf Emre Cukur gegen Iago Kiziria findet am 21.05.2022 in Leo’s Boxgym in der Bodenseestraße 228 in München statt. An dem Abend finden sechs Amateur- und sechs Profikämpfe statt. Im Co-Mainevent boxt Anthony Zaulig im Supermittelgewicht gegen Luka Leskovic um die internationale deutsche Meisterschaft des BDB. Karten erhält man in Leo’s Boxgym oder telefonisch unter 0171/3325448.

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