Ein Schlag, alles vorbei – Deontay Wilder bleibt Weltmeister

Alle Fotos auf dieser Seite: Stephanie Trapp/TGB Promotions

Vergangene Nacht trat WBC-Schwergewichtsweltmeister, Deontay Wilder in Las Vegas zur zehnten Titelverteidigung an und traf auf den Kubaner, Luis Ortiz. Was an dieses Aufeinandertreffen besonders machte und im Folgenden die Zusammenfassung der Geschehnisse im Ring.

Die Vorgeschichte

Samstag, der 23. November 2019, die MGM Grand Garden Arena in Las Vegas, Nevada, fast fünf Jahre ist es her, dass Deontay Leshun Wilder an diesem Ort, in dieser Arena, als Herausforderer in den Ring stieg um ihn als Champion zu verlassen.

Vergangene Nacht kehrte der „Bronze Bomber“ an diesen, für seine Karriere so wichtigen Ort zurück um eine Rechnung mit einem Mann zu begleichen, der ihm zwanzig Monate zuvor, um ein Haar, die erste Niederlage zugefügt hätte. Es war eng in dieser siebten Runde am 03. März 2018 in New York City. 45 Sekunden lang wurde der Champion regelrecht durch den Ring geprügelt und konnte sich nur mit allergrößter Not auf den Beinen halten um sich in die, für einen Moment, scheinbar unendlich weit entfernte Ringpause retten.

Es sah schlecht aus für Deontay Wilder; schwer angeschlagen, keine 60 Sekunden Zeit um sich zu sammeln und am Ende der Pause wartete ein Monster. All diejenigen, die sich ein bisschen in der Filmgeschichte auskennen, werden damals nicht allzu überrascht gewesen sein, denn es war bei weitem nicht das erste Mal, dass King Kong nach New York City gekommen war um die Stadt in Trümmern zu hinterlassen… In diesem dunklen Moment, in dem alles verloren schien, musste der Bomber aus Alabama eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung, die jeder der ein Champion sein will, irgendwann einmal, treffen muss – ganz alleine, im Dialog mit dem eigenen innersten selbst. In dieser Auseinandersetzung mit sich selbst entschied Deontay Wilder, dass er wirklich ein Champion war, dass er, solange er stehen könne, kämpfen würde und die Stadt nicht ihrer Zerstörung überlassen würde. So sammelte er seine Kräfte, entfachte das innere Feuer auf ein Neues und schon kurze Zeit später, in Runde 10, war er es, der über seinem geschlagenen Gegner stand und sich als Held feiern lassen konnte.

Wilder vs Ortiz 1

Luis „King Kong“ Ortiz hatte schon an jenem Abend vieles richtig gemacht. Er war ruhig und konzentriert, sich seiner boxerischen Stärken bewusst, in diesen Kampf gegangen. Er hatte Wilder Fehler machen lassen und diese immer wieder zum eigenen Vorteil genutzt. Auch als er in der fünften Runde zu Boden ging, behielt er einen kühlen Kopf. Am Ende war es die eine Waffe, die dem Kubaner zum Verhängnis wurde, die, egal wie gut vorbereitet oder technisch überlegen jemand ist, ob man sich in Runde eins oder Runde zwölf befindet und unabhängig davon was im Kampf sonst passiert, die eine Waffe immer gefährlich bleibt – Deontay Wilders Schlagkraft.

Nach diesem ersten Kampf traten viele Zweifler auf. Sie Zweifelten am Herausforderer, er sei zu alt und seine Zeit sei jetzt endgültig abgelaufen. Sie zweifelten am Champion, sagten er habe nur Glück gehabt und würde beim nächsten Mal verlieren. Man darf davon halten was man will, doch Schlussendlich blieben wohl auch bei den beiden Kontrahenten Zweifel zurück und so machten sie sich auf, diese am gestrigen Abend, ein für alle Mal in der Wüste Nevadas zu begraben.

Beide beginnen vorsichtig

Beide Boxer gingen hoch konzentriert in den Kampf und schienen zunächst, vor allem darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Es war offensichtlich, dass sich jeder der beiden im ersten Aufeinandertreffen den Respekt des anderen verdient hatte. In der ersten Runde gab es, bis auf eine linke Overhand des Rechtsauslegers Ortiz und einen leichten Cut an dessen Haaransatz, entstanden durch einen unbeabsichtigten Kopfstoß, keine nennenswerten Ereignisse. Auch in den darauffolgenden beiden Runden passierte nicht allzu viel. Wilder schien einzig und allein auf eine Lücke für seinen „Moneypunch“, die rechte Gerade zu warten. Selten schob der Champion auch mal seine Führhand nach vorne, weniger um seinen Gegner damit zu treffen, sondern eher um ihn damit abzulenken. Ortiz blieb unterdessen ganz entspannt, kontrollierte die Ringmitte und verschwendete keine Energie. Durch Wilders „Nichts-tun“, sicherte sich der Kubaner auch ohne großen Aufwand Runde nach Runde. Dabei war er immer wieder mit der gleichen Methode erfolgreich. Auf einen-, manchmal zwei schnelle Jabs zum Kopf seines Kontrahenten folgte die linke Gerade zum Körper.

Ortiz hat alles im Griff

Es dauerte bis in den vierten Durchgang, bis die ersten, mit etwas Nachdruck hervorgetragenen Argumente zu vernehmen waren. Ortiz, der Wilder zuvor in die Ecke gedrängte hatte, überraschte diesen mit einer linken Schlaghand, die Wilder nicht hatte kommen sehen. Daran anknüpfend schickte der 40-Jährige gleich noch ein paar seiner Doppel-Jab–Schlaghand Abfolgen hinterher, mit dem Unterschied, dass er die abschließende Linke mittlerweile variierte und mal zum Körper und mal zum Kopf Deontay Wilders abfeuerte. Weder die fünfte, noch die sechste Runde brachten den Kampfverlauf irgendwie durcheinander; Ortiz punktete mit seinen schnelleren Händen, ohne sich dabei zu verausgaben während Deontay Wilder wartete. Die wenigen, vereinzelten, mit sehr großem Abstand zueinander gestreuten Aktionen des WBC-Champs, kündigte dieser in den meisten Fällen zudem so deutlich an, dass Ortiz sie ohne Mühe abblockte oder sie gleich komplett ins Leere fliegen ließ.

Und plötzlich ist alles vorbei

Zu Beginn der zweiten Kampfhälfte, hatte der „Bronze Bomber“ alle vorangegangenen Runden abgegeben und schien so langsam den Druck zu verspüren auch mal eigene Aktionen unterzubringen. Nachdem er allerding bei jedem seiner Versuche nun doch eine eigene Offensive zu etablieren, gnadenlos abgekontert worden war, schien der Weltmeister für einen Moment etwas ratlos zu sein. Als er sich nur kurz später, während seiner nächsten Aktion, auch direkt den nächsten Schlaghand-Konter des, alles bestimmenden Luis Ortiz einfing, schien er diesmal deutlich durch die Schlagwirkung beeinträchtigt zu sein. Die Körpersprache seines Gegners lesend, sah der Herausforderer seine Chance gekommen und setzte nach.

Die Aufregung war jetzt groß, die Halle wieder richtig wach, sollte es Luis „King Kong“ Ortiz tatsächlich gelingen den Sack zuzumachen und den Weltmeister zu entthronen? – völlig unerwartet, wie aus dem Nichts, kamen in diesem Augenblick erst der linke Jab Deontay Wilders direkt gefolgt von seiner mörderischen Rechten angeflogen. Auch Luis Ortiz, der bis zu diesem Moment alles richtig gemacht und den ganzen Kampf dominiert hatte, sah diese eine Rechte nicht kommen … Und so kam es, wie es kommen musste; hart getroffen sackte der Herausforderer zu Boden. All die gute Arbeit war mit einem einzigen Schlag des Weltmeisters zu ewiger Bedeutungslosigkeit verdammt worden.

 

 

 

 

 

Deontay Wilder (41-0-1, 40 KOs) gewinnt somit durch KO in Runde 7, während Luis Ortiz einem in diesem Fall einfach nur leidtun kann. Man mag von Deontay Wilders boxerischen Fähigkeiten halten was man will, was aber die reine Schlagkraft angeht, gibt es niemanden der ihm Wasser reichen kann.

Mit seinem gestrigen Erfolg dürfte Deontay Wilder, das Kapitel „Luis Ortiz“ endgültig geschlossen haben. Zwei Kämpfe und zwei vorzeitige Siege sprechen eine deutliche Sprache. Der WBC-Champion ist weiterhin ungeschlagen, hat seinen Titel nun 10-Mal erfolgreich verteidigt. Was er jetzt braucht, sind die ganz großen Namen bevor auch seine Zeit irgendwann abgelaufen ist. Eine Option wäre der lange erwartete Rückkampf gegen Tyson Fury, wobei wohl niemand so genau weiß, wie fokussiert dieser zurzeit auf den Boxsport ist. Die einzig andere Option, die ihn sportlich weiterbringen und die Fans wirklich begeistern könnte, wäre ein Kampf gegen den Sieger des Rückkampfs zwischen Andy Ruiz Jr. und Anthony Joshua in zwei Wochen. Allerdings ist es auch hier unsicher, ob es sich überhaupt um eine reale Option handelt. Sollte Anthony Joshua die Revanche gelingen und er den Ring als Sieger verlassen, kann man fast davon ausgehen, dass im Anschluss auch der dritte Kampf zwischen den beiden folgen würde. Wilders beste Möglichkeit ist es somit, auf einen Sieg für Ruiz Jr. zu und anschließende Verhandlungen über einen Titelvereinigungskampf zu hoffen.

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