Don King – Mit 92 zurück am Ring.

Don King.

Ein Gastbeitrag von Gunnar Meinhardt

Bekannt, schillernd, angefeindet: Obwohl er selbst nie kämpfte, zählt Don King zu den größten Legenden des Profiboxens. Auch im hohen Alter veranstaltet der Mann, der zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat, noch Fightabende.

Lange Zeit war es ruhig um ihn. Es glaubte auch kaum noch jemand, dass er jemals wieder auf die Bühne zurückkehren würde, auf der er jahrzehntelang eine beispiellose Rolle als Hans Dampf spielte. Immerhin wird Don King in gut 8 Monaten 93 Jahre alt. Doch diese ehrwürdige Zahl ignoriert der bekannteste, schillerndste und zugleich angefeindete Promoter des Boxbusiness. „Don King lebt. Don King darf man niemals abschreiben. Und Don King hat auch noch einiges vor“, versicherte er diese Woche bei einer Pressekonferenz in Miami. In der zweitgrößten Stadt des US-Bundesstaates Florida, in dem er auch lebt, steigt an diesem Freitagabend im Casino Jai-Alai seine nächste Veranstaltung mit dem bezeichnenden Titel „Return to Glory“.

Es wird eine geschichtsträchtige sein, wenn der Gong zum ersten von insgesamt zehn Kämpfen ertönt. Noch nie gab es einen Arrangeur eines internationalen Faustkampfevents, der so alt war wie Don King. Einen gewissen Stolz kann der berühmteste Impresario der Branche, dem die angegrauten Haare wie feine Drähte aus dem Kopf sprießen, dann auch nicht verhehlen. „Dass ich immer noch neue Boxkapitel schreibe, finde ich großartig, wer kann das schon in meinem Alter von sich sagen?“, sagt King und freut sich des Lebens.

Seinen Boxabend in Miami widmet er der Freiheit aller Ukrainer. Die Publikumsmagnete sind Weltergewichtler Adrien Broner- der 33 Jahre alte Amerikaner war viermaliger Weltmeister – und der gebürtige Kubaner Guillermo Rigondeaux. Der 42 Jahre alte Bantamgewichtler erkämpfte zwei Olympiasiege und war ebenfalls bei den Profiboxern mehrmaliger WM-Champion.

Don King mit Mike Tyson.

Einen erschoss er, einen anderen trampelte er zu Tode

Ganz so dynamisch und vor Energie sprühend wie noch zu den glorreichen Zeiten, als er die Helden des Schwergewichts wie Muhammad Ali, George Foreman, Evander Holyfield oder Mike Tyson promotet hat, wirkt King nicht mehr. Gleichwohl versteht er es noch immer wie kein Zweiter, das Preisboxen zu verkaufen. Foreman sagte einmal über den unnachahmlichen Macher, der als glühender Patriot von drei verschiedenen US-Präsidenten ins Weiße Haus eingeladen wurde: „Wäre King eine Stadt, er wäre Las Vegas. 24 Stunden ein unüberschaubarer Rummel und alles dreht sich ums Geld.“

Wo immer der größte Entertainer seiner Zunft auch auftaucht, repräsentiert er die Welt dieses millionenschweren, wenn auch fragwürdigen Sports. Es ist wahrlich eine grandiose Karriere der Marke „Only in America“, wie King selbst nicht müde wird zu betonen. In den 1950er-Jahren entpuppte sich der High-School-Absolvent noch als eine raffinierte Glücksspielfigur im East Side Ghetto seiner Heimatstadt Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. „Donald the Kid“ war ein einflussreicher Lotterieverkäufer, wobei er 1954 im Streit einen Mann erschoss, was vor Gericht als Notwehr gegen bewaffneten Einbruch anerkannt wurde. Zwölf Jahre später jedoch trampelte er auf offener Straße seinen Schuldner zu Tode, woraufhin er zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde .

Im Gefängnis hörte King die Radioreportage vom ersten Kampf zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier. Sie entfachte seine Begeisterung für den Boxsport. Wieder in Freiheit stellten gute Freunde aus der Unterhaltungsindustrie den Kontakt zu Ali her. Kurz darauf im August 1972 organisierte King für den „Größten“ eine Wohltätigkeitsgala mit einigen Sparringseinlagen. Drei Jahre später verstand es der „No Name“ der zwielichtigen Branche, von diversen Firmen und dem Mobutu-Regime in Zaire die Rekordbörse von zehn Millionen Dollar für einen WM-Kampf zwischen Ali und Titelverteidiger George Foreman zu generieren. Das globale Großereignis in Kinshasa etablierte King als neuen Big Player im Business. Fortan erlagen nahezu alle großen Boxer dessen rhetorischem Charme und den verheißungsvollen Versprechungen.

Don King mit Muhammad Ali & Joe Frazier.

Don King veranstaltete über 500 Duelle um WM-Gürtel

Gefürchtet und geliebt, bewundert und gehasst, laut, schrill, paradox und immer mit dem Blick für ein lukratives Geschäft – das alles ist „Don Dollar“, wie die Los Angeles Times schrieb. Weit mehr als 100 Fightern verhalf der Box-Pate, der gerne mit dem Grinsen eines Honigkuchenpferdes Stars-and-Stripes-Fähnchen schwenkt, nicht nur zum Weltmeistertitel. Er machte sie auch zu Millionären. Eine Vielzahl der Champions zeigte ihn aber auch wegen Betrugs an – wobei sich King zumeist mit Geldbußen rettete.

Nach über 500 Duellen um WM-Gürtel sollte man meinen, Don King hätte genug Geld verdient, um sich zurückzuziehen. Mit 47 Titelkämpfen hatte er 1994 einen bis heute unerreichten Jahresweltrekord für WM-Fights aufgestellt. Doch der Workaholic lässt noch längst nicht locker. Auch wenn seine in Deerfield Beach in Florida ansässige Company Don King Productions, kurz DKP, die einst mehr als fünfzig Mitarbeiter umfasste, mittlerweile auf eine einstellige Personenzahl geschrumpft ist.

Auch einen exklusiven Fernsehvertrag besitzt er nicht mehr. Live anzuschauen ist sein Kampfabend in Miami für 24,99 Dollar auf der Firmen eigenen Streaming-Plattform. „Wenn man mit der Zeit geht“, sagt Don King, „findet sich immer eine Lösung, um sich den Problemen zu widersetzen.“ Jedenfalls fühlt er sich mit dem ihm eigenen Pragmatismus in seiner Überlebensphilosophie bestätigt, die da lautet: „Boxer kommen und gehen. Don King bleibt.“

Gunnar Meinhardt und Muhammad Ali.

Zur Person Gunnar Meinhardt

Gunnar Meinhardt ist ein deutscher Buchautor und Sportjournalist.
Er war Pressesprecher des Judo-Verbandes der DDR, Pressesprecher des Europäischen- und Welt-Sumo-Verbandes sowie Vorsitzender der AIPS-Kommission Judo. Meinhardt arbeitete nach dem Studium vorwiegend als Sport- und Politikkorrespondent bei der Jungen Welt (Sport 1985–1990), bei der Deutschen Presse-Agentur (Sport 1991–1997), bei der Deutschen Presse-Agentur (Politik 1997/1998), bei der Deutschen Presse Agentur in den USA und Kanada (Sport 1990 – 2005). Seit 2005 schreibt er als Autor für den Sport bei der Welt und Welt am Sonntag und berichtet von den großen internationalen Ereignissen, wie Europa- und Weltmeisterschaften oder den Olympischen Spielen.

Buch Veröffentlichungen von Gunnar Meinhardt

Mitautor der Olympiabücher von 2000, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010, 2012 und 2014.
Ready to rumble: Boxboom Deutschland. Gunnar Meinhardt im Gespräch mit den Stars. Neues Leben 2013.
Einwürfe. Über Fußball, die Welt und das Leben in Gesprächen mit Gunnar Meinhardt. Neues Leben 2015.
GOAT – A Tribute to Muhammad Ali. Taschen Verlag 2004.
4 Sterne – 111 Jahre. Jahrhundert-Chronik über Bayern München, 2011.
Drei Sterne – Mehr geht nicht. Neues Leben 2022

…. und zudem ist Gunnar Meinhardt ein guter und langjähriger Freund unseres Boxen1 Chefredakteurs Ebby Thust.

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