Die jungen Wilden: Eine „Aktienanalyse“ zu Lopez, Davis, Garcia und Haney

Teofimo Lopez (22), Gervonta Davis (25), Ryan Garcia (21) und Devin Haney (21) gehören zweifellos zu den gehyptesten, aber auch talentiertesten Jungspunden im Boxbusiness. Welch’ Glück, dass alle Vier dieses ungeschlagenen Quartetts im Leichtgewicht kämpfen.

Die jungen Wilden

Nicht zu früh gefreut, Boxfans! Auch wenn sich die „jungen Wilden“ auf den sozialen Medien lautstark herausfordern, ist mit einem Aufeinandertreffen in nächster Zeit nicht zu rechnen. Die vier „Youngsters“ stehen bei verschiedenen Promotern unter Vertrag und boxen auf unterschiedlichen Plattformen. Natürlich will jeder Promoter und jede Plattform bei minimalem Risiko das Maximale aus ihren potenziellen Goldeseln herausdrücken. Lopez steht bei Top Rank unter Vertrag und boxt auf ESPN; Davis boxt für die PBC und wird auf Showtime ausgestrahlt; Devin Haney und Ryan Garcia boxen auf DAZN, doch ihre Promoter sind Matchroom Sports und Golden Boy Promotions. Ein Showdown dürfte im besten Falle dann zu erwarten sein, wenn sich die Boxer im Markt etabliert haben. Bis dahin werden alle Beteiligten ihr eigenes Süppchen köcheln, – in der Hoffnung, ihr Boxer ist derjenige, der nach den Sternen greift.

Dieser Artikel nimmt sich zum Ziel die mögliche Zukunft dieser Jungspunde unter die Lumpe zu nehmen. Die Herangehensweise wird im Format einer „Aktienanalyse“ geschehen. In welche Boxer lohnt es sich zum jetzigen Zeitpunkt zu „investieren“? Welche Boxer sind ein sicheres „Investment“, welche ein risikoreiches? Welche „Aktie“ könnte kurzfristig rentabel sein, welche langfristig? Und bei wem könnte der „Aktienkurs“ durch die Decke gehen?

Disclaimer: Noch die besten Börsenanalysten haben Aktien schon massiv falsch bewertet. Der Autor dieses Artikels mag möglicherweise auch weit daneben liegen (wohl besser, dass dies hier nur ein lustiges Gedankenspiel ist…). Denn wie alle Boxfans wissen: Noch so manche Boxkarriere hat bei einem triumphalen Erfolg oder einer desaströsen Niederlage eine rasche „Kursänderung“ gefunden.

Teofimo Lopez

Mandatory Credit: Matt Heasley

Bisheriger Werdegang: Der Aufbau des ESPN „Talent des Jahres“ 2018 war schnell. Mit spektakulären KOs machte Lopez (15-0-0, 12 KOs) über sich zu reden. Im letzten Dezember schlug der Mann aus Brooklyn wortwörtlich wie eine Bombe ein, als er den starken Top5-Mann Richard Commey in einem IBF-Titelkampf in der 2. Runde ausknockte und sich neben dem „Pound for Pound“ Star Vasyl Lomachenko an der Spitze des Leichtgewichts etablierte. Ein großer Showdown mit Lomachenko soll nach dem COVID-19 bedingten Shutdown im September nachgeholt werden.

Stil & Qualitäten: Lopez ist sicherlich einer der größten Dynamos im Boxgeschäft. Vor seinem Titelgewinn knockte der physisch mächtige Leichtgewichtler diverse „Journeymen“ und „Contender“ der Reihe nach schwer aus. Gerne wird seine Kampfesweise mit dem unorthodoxen Stil von Roy Jones Jr. verglichen, denn eingesprungene, harte Haken aus unmöglichen Winkeln und abrupte Tempowechsel zählen zum Markenzeichen vom selbstbewussten Lopez. Im Hinblick auf Schlagkraft macht dem jungen Lopez rund um das Leichtgewicht niemand etwas vor.

Aktienanalyse: Was ist für seine Zukunft zu erwarten? Lopez hat die boxerischen Fähigkeiten, die Durchschlagskraft und das Selbstvertrauen, um die nächsten Jahre für Furore zu sorgen. Außerdem hat Lopez gegen den Top5 Mann Richard Commey bewiesen, dass er unter dem Scheinwerferlicht nicht verbrennt, sondern den Moment am Schopf packt. Lopez braucht sich vor niemandem zu verstecken und es kommt nicht von ungefähr, dass der Autor dieses Artikels ihn als große Gefahr für Lomachenko sieht.

Obwohl nach dem Titelgewinn der Kurs bei Lopez schon hoch gestiegen ist, scheint ein Einstieg zum jetzigen Zeitpunkt in die Aktie „Lopez“ für die nächsten Jahre sehr rentabel zu sein. Selbst eine mögliche Niederlage im Showdown gegen Lomachenko sollte den Kurs nur kurzzeitig schwächen. Ob Lopez ein sehr langfristiges „Geschäftsmodell“ ist, scheint zu diesem Zeitpunkt aber unklar. Schlussendlich überdauern athletisch ausgelegte Stile meist nicht ins späte Boxalter. Dies soll aber nicht davon abschrecken mit Lopez in den kommenden Jahren mächtige Kursgewinne mitzunehmen.

Gervonta Davis

Bisheriger Werdegang: Der Mayweather-Schützling Gervonta Davis (23-0-0, 22 KOs) ist bereits im Jahre 2017 auf der größeren Bühne angekommen, als er im Superfedergewicht den IBF-Titelträger Jose Pedraza innerhalb von 7 Runden ausknockte. Es folgten diverse Titelverteidigungen gegen Boxer, die nicht zur erweiterten Weltspitze zählten. Die meisten knockte er kurzrundig aus. Im letzten Dezember besiegte er in seinem Leichtgewichtsdebut den gealterten Yuriorkis Gamboa in der 12. Runde, konnte aber nicht gänzlich überzeugen.

Stil & Qualitäten: Der 1,66 m kurze Davis gilt in seiner Gewichtsklasse als ein kleiner Boxer. Physisch unterlegen ist er aber keineswegs, denn Davis hat eine gedrungene und bullige Statur. Der Southpaw aus Baltimore gehört sicherlich zu den härtesten Punchern im Boxbusiness. Dies wiederspiegelt sich auch in seiner KO-Quote von 96 Prozent. Außerdem schlägt er unglaublich schnell und überrascht seine Gegner oft kalt. Seine Defensive ist sichtlich von der „mayweatherischen“ Boxschule geprägt. Ob die schönen Meidbewegungen und die Shoulder-Roll auch gegen die Besten funktionieren, steht momentan noch hinter einem Fragezeichen.

Aktienanalyse: Wer die Performanz gegen Jose Pedraza und die vielen kurzrundigen KOs betrachtet, dürfte schnell Lust kriegen, in die Aktie „Davis“ zu investieren. Aber Davis dürfte als ein risikoreiches „Investment“ zu betrachten sein. Zu offensichtlich sind die Parallelen zum einst gehypten Adrien Broner, bei welchem der Abschwung nach der ersten Niederlage rasant kam und viele „Investoren“ riesige Kursverluste hinnehmen mussten. So hat Davis wie Broner das Kampfgewicht schon mehrmals nicht gebracht und er hat bereits in seinem jungen Alter einige Anklagen am Hals. Das „enfant terrible“ scheint den Sport nicht so ernst zu nehmen, wie seine hier aufgeführten Konkurrenten. Dennoch ist einem „Investment“ in Davis nicht grundsätzlich abzuraten. Der Rückhalt von Mayweather Jr., seine große Popularität in der Heimatstadt Baltimore und das nicht abstreitbare Talent könnten Davis weit nach vorne tragen. Vermutlich dürfte Davis aber kein Kandidat sein, der sich bei einem Rückschlag gut erholen wird.

Ryan Garcia

Bisheriger Werdegang: Garcia (20-0-0, 17 KOs), das ESPN „Talent des Jahres“ 2017, hatte einen massiven Popularitätsaufschwung lange bevor er gegen Gegner mit Format im Rang stand. Auf einmal war der junge Schönling überall in den sozialen Medien mit albernen Trainingsvideos präsent. Nicht nur seine Twitter und Instagram Follower stiegen, sondern füllte er Arenen mit einem Publikum, das dem eines Justin Bieber Konzerts verdächtig ähnlichsah. Garcia’s Gegner wurden in letzter Zeit deutlich besser. Über einen Showdown gegen den Altmeister Jorge Linares wird gemunkelt. Es wäre ein großer Step-up für den jungen Mann aus Kalifornien.

Stil & Qualitäten: Während sein Stil früher noch hölzern wirkte, scheint sich der schlaksige Ryan Garcia mittlerweile gut entwickelt zu haben. Unter den Fittichen von Canelo-Trainer Eddie Reynoso sind seine Bewegungen flüssiger geworden und seine Schlagkraft hat ebenfalls zugenommen. Seine größte Qualität ist sicherlich sein gutes Auge und Timing. Mit mächtigen Haken knallt Ryan in die Aktionen des Gegners und schlägt sie so oft spektakulär KO. Auf den Beinen wirkt Garcia noch etwas behäbig. Aber unter Reynoso hat auch der einst plattfüßige Canelo gelernt, seine Beinarbeit ökonomisch und sehr effizient zu gestalten.

Aktienanalyse: Während die „Investoren“ Garcia vor ein, zwei Jahren wohl noch als einen Internethype bezeichnet hätten, sind seit den KO-1-Siegen über Romero Duno und Francisco Fonseca (welcher mit Davis 8 Runden ging) mehr und mehr auf den Zug aufgesprungen.

Eins ist bei Ryan Garcia sicher: Sofern Garcia das boxerische Rüstzeug hat, um sich gegen die Besten der Gewichtsklasse zu behaupten, wird seine „Aktie“ durch die Decke gehen. Wer zu diesem Zeitpunkt in der Karriere bereits eine solche Popularität besitzt, kann bei den entsprechenden Leistungen im Ring auch in die Sphären von Superstars wie Canelo, Pacquiao oder Mayweather gelangen. Da aber Garcia bezüglich boxerischer Qualität verglichen mit seinen Konkurrenten noch am unsichersten wirkt, ist abzuraten, einen zu großen Betrag in die Aktie „Garcia“ zu investieren.

 

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Been pushing my limits lately I think I’ve became faster? ? @gymshark #ultrainstinct

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Devin Haney

Devin Haney

Bisheriger Werdegang: Nachdem die WBC Vasyl Lomachenko zu ihrem „Franchise Champion“ ernannt hatte, wurde Devin Haney (24-0-0, 15 KOs) der „Regular Title“ zugesprochen. Dies, obwohl Haney zu diesem Zeitpunkt noch keinen Boxer in der Nähe der Top10 geschlagen hatte. Kein Wunder wird Haney in den sozialen Medien gerne mal als „Email-Champion“ mokiert, da er den Titelgewinn beim Betrachten des Posteingangs seines Gmail-Kontos, statt im Ring erfahren hatte. Auf dem Weg zu seinem dubiosen Titelgewinn besiegte Haney typische Aufbaugegner und gewann meist in sehr dominanter Weise.

Stil & Qualitäten: Devin Haney unterscheidet sich von den Konkurrenten dieser „Aktienanalyse“ besonders durch einen sehr viel klassischeren Boxstil. So ist seine Kampfesweise weniger auf Athletik und Power ausgelegt, sondern fundiert auf einer sauberen Grundschulung. Technisch boxt er ausgereift, bereitet seine Aktionen aus der Distanz mit dem Jab vor, um die Lücken beim Gegner zu erzwingen. Ins Auge fällt sicherlich seine schnellen „Rein-und-Raus“-Aktionen, welche auf einer flinken Beinarbeit beruhen. Auch defensiv macht er einen starken Eindruck. Bei gegnerischen Aktionen rollt er gerne mit den Schlägen, um dann mit knackigen Kontern zurückzukommen.

 

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Aktienanalyse: Wer Haney auf den sozialen Medien folgt, wird sich schnell fragen, ob er dem Sport die notwendige Seriosität widmet oder er mehr mit seinem Auftritt auf den sozialen Medien an sich beschäftigt ist. Dies lässt ein Risikoinvestment vermuten. Aber auch wenn Haney ein bisschen wie ein Internet-Großmaul daherkommt und noch niemanden in der Nähe der Weltspitze besiegte hatte, sieht er im Ring wie der kompletteste Boxer der vier Jungspunde aus. Haney kann boxen! Und das sogar richtig gut. Wahrscheinlich, dass Haney noch etwas mehr Zeit braucht, um sich im Markt zu etablieren, aber auf den langfristigen Zeithorizont gesehen, dürfte er aufgrund seiner boxerischen Fähigkeiten die sicherste Anlage von allen genannten Boxern sein.

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