Schattenboxer Teil 3: Bob Hazelton

Schattenboxer – das ist Hinterhof. Das ist die Farbschicht, die von Betonwänden abblättert, an denen verblichene Bilder ebenso verblichener Boxer kleben. Das ist das Schicksal der Herausforderer, die um jeden Preis versuchen, eine Geschichte über sich zu erschaffen. Verborgen im Dunkel handelt es sich dabei oft in Wirklichkeit um eine Verbindung von Selbsterschaffung und Selbstzerstörung.

Schattenboxer – Die Geschichte von Bob Hazelton

„Ich halte mich für die dümmste Person auf der Welt.“

Früher war Bob Hazelton ein Riese. Blond, braungebrannt, blaue Augen, beinahe 2 Meter groß und muskelbepackt, ein wahrer Adonis, ein Modellathlet. Später war Hazelton ein paar Köpfe kürzer und taugte nicht mal mehr als abschreckendes Beispiel. Selbst als Dopingopfer ging für die Sportskanone der Schuss nach hinten los.

Die 60er Jahre: Bob Hazelton ist ein Sportfanatiker, macht Leichtathletik, spielt Basketball, Baseball und American Football, bis er sich 1966 für eine Karriere als Berufsboxer entscheidet. Ihn lockt das Geld, der Glamour dieses Sports zu dieser Zeit, doch schnell wird klar, dass seine Größe und sein Können allein nicht ausreichen, um es als Boxer weit zu bringen. Von seinen ersten zehn Kämpfen gewinnt er nur drei. 1969 wird er als Aufbaugegner für die spätere Boxlegende George Foreman verpflichtet, der ihn förmlich vernichtet. Eine Hinrichtung fast, die Hazeltons künftige Boxkarriere in eine völlig neue Bahn lenkt.

„Ich war enttäuscht, niedergeschlagen, habe mich geschämt. Gegen Foremans Kraft hatte ich einfach keine Chance. Ich war größer, meine Arme länger, er jedoch verfügte über mehr Muskeln und Gewicht. Da wurde mir klar, ich musste was ändern.“

Die 70er Jahre: Hazelton beginnt Steroide einzunehmen. Er macht eine mehrjährige Boxpause, trainiert wie ein Besessener mit Gewichten an seiner Kraft. Er formt seinen Körper, stählt ihn und mutiert zu einem Muskelberg. Fühlt mehr und mehr Power, wird agressiver, härter.

Zwischen den Seilen lässt er alles raus. Schlägt zehn Gegner nacheinander k.o. Über seine Motivation befragt, gesteht Hazelton: „Der Stoff verwandelt dich, gibt dir Macht. Du fühlst dich unbesiegbar und willst, dass diese Gefühl nie wieder aufhört.“

1979 seine Chance: Ein Sieg noch und Hazelton darf um einen Titel kämpfen. Er will kein Risiko eingehen, „stofft“ was das Zeug hält. Die Folge: sein linkes Bein schwillt an. Er hat Schmerzen. Im Ring kann er sich kaum bewegen, hat kein Gefühl im dicken Bein und verliert vorzeitig. Im Krankenhaus stellen die Ärzte eine gestörte Blutzirkulation fest, eine Auswirkung des jahrelangen Dopingmissbrauches.

Hazelton kann nicht mehr boxen, doch er dopt trotzdem weiter. Er wendet sich dem Bodybuilding zu, arbeitet als Bodyguard für berühmte Musiker. Er geniesst es, wenn er die Leute mit seiner imposanten Figur, seinen eindrucksvollen Muskeln beeindrucken kann. Jeder hat Respekt vor ihm. Er verändert sich, wird leicht reizbar und jähzornig. Seine Frau will, dass er mit dem Doping aufhört. Er kann es nicht. Ist süchtig. Später sagt er: „Ich wusste nicht, dass Steriode dich so zerstören können und wenn es die Ärzte wussten, haben sie es mir nie so gesagt. Ich habe nie Schlechtes über die Einnahme gehört bis zu meinem ersten Blutgerinnsel. Und da war es bereits zu spät.“

Die 80er Jahre: Hazeltons Körper schlägt zurück. In seinen Beinen staut sich das Blut. Er bekommt Schwellungen und Geschwüre, erleidet schwere Herzattacken. Nach längeren Krankenhausaufenthalten und Operationen bleibt am Ende nur die Verstümmelung seines Ichs. Er verliert beide Beine. Wegen des jahrelangen Dopingmissbrauches müssen sie amputiert werden, um sein Leben zu retten. Erst jetzt erkennt Hazelton: „Ich war besessen. Ich war groß und stark, doch ich fühlte mich nie groß und stark genug. Und jetzt bin ich klein, aber zum Glück nicht in den Augen meiner Frau und meiner Familie. Das gibt mir Kraft weiterzuleben.“

In seinem Leben hatte Hazelton oft vor einer Wahl gestanden und sich falsch entschieden. Jetzt will er es richtig machen. Er nimmt sein Schicksal an und versucht andere vor den Gefahren des Dopings zu warnen. Er spricht vor Schülern und Studenten über seine Vergangenheit, hält öffentliche Vorträge und gibt sich als abschreckendes Beispiel her, will in seinem Leben für etwas stehen, obwohl er nicht mehr stehen kann.

Manchmal sieht sich Bob Hazelton im Spiegel und wendet den Blick ab, weil er es nicht ertragen kann. Oder er macht Witze darüber: „Ich habe zwar gehört, dass man schrumpft, wenn man älter wird, doch das bei mir ist zum totlachen.“ Es gibt jedoch auch Tage, da findet er den Typ im Spiegel besser als den Kerl, der kämpfte damals im Ring. Der Freak im Rollstuhl ist schöner, meint er, realer, ehrlicher, nicht so ein aufgeblasener Angeber. „Was mich aber enttäuscht und traurig macht, dass erfolgreiche Sportler weiter dopen, obwohl sie mich kennen.“

Bobs Botschaft stösst auf taube Ohren.

„Man sieht dauernd wie die Sportler für ihre Erfolge und Rekorde gefeiert und geehrt werden. Ich weiß genau, dass sie dopen, doch sie wollen mich nicht um sich haben“, sagt Hazelton betrübt. „Ich habe Sportverbänden angeboten, dass ich mit den Sportlern von Angesicht zu Angesicht über mein Schicksal rede, um sie vor den Gefahren zu warnen. Doch niemand ist wirklich daran interessiert. Nur Eltern, Schüler und Studenten hören mir manchmal zu, wenn ich ihnen erzähle, dass Doping wie eine Kreditkarte ist. Man geht in den Laden, kauft alles, was man will und irgendwann muss man die Rechnung dafür bezahlen. Der Preis allerdings ist dann viel höher als gedacht.“

2014 erliegt Bob Hazelton im Alter von 67 Jahren einem langen Krebsleiden, ebenfalls einer Folgeerscheinung des Dopings.

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