Der Fall Felix Sturm: Die Medien toben sich auf dem Rücken des Ex-Champions aus

Eine Betrachtung des Falles Felix Sturm von Ebby Thust

Als gestern um die Mittagszeit die ersten Schlagzeilen in der deutschen Medienlandschaft erschienen und einige der Blätter mit den großen Buchstaben titelten: „Ihm drohen bis zu 10 Jahre Haft“ (Kölner Express) und selbst der, doch als relativ solides Nachrichten Magazin angesehene, „Spiegel“ ebenfalls in Balkenüberschrift schrieb „Sturm drohen 10 Jahre Haft“, da war ich richtig erschrocken und dachte: Was ist passiert? Hat Sturm Jemand umgebracht oder etwa eine Frau vergewaltigt? Warum soll er 10 Jahre in Haft kommen? Bis ich mir dann die einzelnen Medienberichte durchgelesen habe und feststellen musste, dass es gar keinen neuen Fall Felix Sturm gab, sondern dass es immer noch um den Vorfall aus dem Februar 2016 ging, als man angeblich in der Urinprobe von Felix Sturm Spuren der auf der Dopingliste stehenden, anabolen Substanz Hydroxy-Stanozololl, festgestellt haben will.

Felix Sturm hat das damals bestritten und bestreitet das auch heute noch. Er sagt „ich wurde in meiner Sportlerlaufbahn unzählige Mal getestet und immer war war das Ergebnis negativ“. Ich erinnere mich noch an den damaligen Fall, denn ich bin seit über 50 Jahre Funktionär beim Bund Deutscher Berufsboxer, mit dessen Lizenz Felix Sturm alle seine Profikämpfe ausgetragen hat. Unser Verband, der BDB, wurde damals in dieser Sache vom Weltverband der WBA, dessen WM-Titel Sturm trug, gar nicht über einen positiven Doping-Befund benachrichtigt. Sturm wurde weder vom Weltverband noch vom lokalen Verband gesperrt und ihm wurde auch nicht der WM-Titel aberkannt, den hat Sturm nachdem er seine Karriere beendet hatte selbst zurückgegeben………….und jetzt auf einmal soll er 10 Jahre Gefängnis bekommen.

Felix Sturm ist auch nicht etwa rechtskräftig verurteilt, es ist noch nicht einmal eine Anklage in dieser Sache zugelassen, sondern die Kölner Staatsanwaltschaft hat einzig, nach knapp dreijähriger (!) Ermittlungsarbeit jetzt Anklage beim Kölner Landgericht erhoben. Und diese Anklage sollte man sich Mal auf der Zunge zergehen lassen: Unter anderem klagt die Staatsanwaltschaft Sturm wegen „gefährlicher Körperverletzung“ an und begründet das damit, dass „wenn ein gedopter Boxer seinem Gegner im Ring Schaden zufügen würde, dann begründe dies den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung.“ Diese Ansicht und diese Gesetzesauslegung ist weltweit einmalig und auf dieser Basis ist bisher noch niemals weltweit ein Beschuldigter wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das wäre analog etwa so, als würde man die Verkäuferin aus der Haushaltsabteilung des Kaufhofes, wegen Beihilfe zum Totschlag anklagen, weil sie einem Straftäter das Küchenmesser verkauft hat, mit dem dieser dann später seiner Frau erstochen hat.

Wenn diese aus meiner Sicht regelrecht konstruierte Anklage der Staatsanwaltschaft Köln zugelassen wird, dann stellt dies künftig den gesamten Boxsport in Frage, denn mit solch einer Sicht wäre Boxen einfach nur gefährliche Körperverletzung und kein Sport mehr. Einen Boxer wegen gefährlicher Körperverletzung im Ring anzuklagen grenzt doch schon eher an die Vergewaltigung des Gesetzbuchs und hat aus meiner Sicht mit objektiver staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsarbeit eher wenig zu tun.

Ganz schlimm finde ich nur, wie die Presse hier bei uns in Deutschland Felix Sturm regelrecht öffentlich schlachtet. Das Wort Unschuldsvermutung scheint hier wohl noch Niemand gehört zu haben. In Las Vegas wurde im letzten Jahr einer der besten Boxer der Welt Saul „Canelo“ Alvarez des Dopings überführt und dafür 6 Monate gesperrt und hat exakt nach 6 Monaten sicherlich 30 bis 40 Millionen im Kampf gegen Gennady Golovkin verdient und der gleiche Canelo hat inzwischen, bei dem auch in Deutschland bekannten Streaming-Portal DAZN, für 10 Kämpfe einen Vertrag für die Übertragungsrechte seiner Kämpfe mit einer Garantie von 360 Millionen Dollar unterschrieben. Tyson Fury, der am Samstag in 8 Tagen gegen Deontay Wilder um die Schwergewichts-WM boxt und dabei minimum 15 Millionen Dollar vereinnahmt war gedopt. Darüber spricht kaum noch Jemand und unzählige andere auch, selbst der heutige Bürgermeister von Kiew, der frühere Weltmeister Vitali Klitschko wurde in seiner Amateurzeit des Dopings überführt, wie das noch heute auf Wikipedia nachzulesen ist und ich könnte hier noch unzählige nationale und internationale Beispiele ausführen, aber noch niemals ist ein Boxer vor einem ordentlichen Gericht dafür verurteilt worden. Und wie es zu erwarten ist, wird es wohl auch im Falle Sturm zu keiner Verurteilung kommen und das Verfahren wird wohl am Ende eingestellt werden. Nur ist dann diese gegenwärtige öffentliche mediale Hinrichtung des Boxers Felix Sturm eben trotzdem geschehen.

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