Ebbylog:
Ich möchte Mal hier voranstellen, dass es mir mit meinem Beitrag keinesfalls darum geht Manuel Charr zu diffamieren. Ich habe den Artikel bewusst weder als Anschuldigung und auch keinesfalls vorwurfsvoll verfasst. „Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein“ (Johannes 8,7)
Allerdings kann man sich in etwas verrennen und es mit jeder Aussage dann nur noch schlimmer machen. An solch einem Punkt ist es eben oft besser, die Flucht nach vorne zu ergreifen und das wird letztlich mehr Verständnis bei Vielen finden als die gegenwärtige Version. Einsicht und Demut ist zwar oft die schwerere Variante, aber sicher die befreiendste.
Nach positiver Dopingprobe scheint die Karriere des „Diamond Boys“ vorbei zu sein
Vor fast genau 10 Monaten, am 25. November 2017 erfüllte sich der Kölner Manuel Charr einen Lebenstraum und wurde Weltmeister des Verbandes WBA. Nach einem lebensgefährlichen Bauchschuss und zwei neuen Hüftgelenk-Implantaten schaffte er das schier Unmögliche, kehrte in den Ring in der Arena Oberhausen zurück und besiegte im finalen Kampf um den WM-Titel den Russen Alexander Ustinov nach 12 harten Runden klar und einstimmig nach Punkten.
Am übernächsten Wochenende, am 29. September war nun die erste Titelverteidigung seines WBA-Gürtel gegen den Pflichtherausforderer der WBA, den US-Amerikaner Fres Oquendo geplant. Der Kampf sollte in seiner Heimatstadt Köln, in der Lanxess Arena stattfinden. Der TV-Sender Sky sollte den Kampf live übertragen. Doch dann platzte am gestrigen Mittag die Bombe. Als erste Zeitung berichtet die Bild exklusiv in großen Lettern auf der Titelseite: „Boxweltmeister Manuel Charr gedopt! WM-Kampf geplatzt.“
Was war passiert? Bei den vier großen Weltverbänden WBC, WBA, IBF und WBO müssen sich die Titelaspiranten vor einem WM-Kampf mehreren unangemeldeten Kontrollen und Antidopingtests unterziehen, bei der WBA kann der Boxer wählen ob er diese Tests direkt von der Weltorganisation VADA oder durch den nationalen Anti-Doping-Verband NADA (Nationale Anti Doping Agentur) durchführen lässt. Charr scheint sich hier für die VADA entschieden zu haben.
Die VADA ist eine unabhängige Organisation für effektive Anti-Doping-Programme im Boxen und setzt bei ihren Tests die modernsten Analyse-Verfahren ein. „Als wir angefangen haben, waren die archaischen Kontrollsysteme eins der größten Probleme“, sagt die VADA-Vorsitzende Dr. Margaret Goodman. „Die Doping-Methoden werden ständig weiterentwickelt. Genau das müssen wir als Tester auch tun.“ Dazu arbeitet das Unternehmen laut eigener Aussage mit den besten Laboren zusammen.
So wurde Charr am 31. August einer Urinprobe unterzogen, deren Testergebnis aber erst am 19. September ihm und den zuständigen nationalen und internationalen Verbänden mitgeteilt wurde. Die Urinprobe bei Charr hatte ergeben, dass bei ihm die anabolen Steroide Epitrenbolon und Drostanolon festgestellt wurden. Das sind richtige Doping-Hämmer, die man nicht von kontaminiertem Fleisch oder über Nahrungsersatzmitteln ins Blut bekommt.
Diese Präparate haben in der heutigen Humanmedizin keine Bedeutung mehr und werden fast ausschließlich in der Tiermedizin, etwa zum Muskelaufbau von Mastochsen, verwendet oder eben zum illegalen dopen bei Bodybuildern oder Kraftsportlern. Diese beiden Präparate stehen auch auf allen Verbotslisten der nationalen und internationalen Doping Agenturen ganz oben. Diese Mittel haben allerdings eine relativ schnelle Abbauzeit, was auch ideal für Dopingkontrollen ist. Aber bei der Kontrolle von Charr war der Abbau dann doch wohl nicht schnell genug.
Charr kämpft um seine Glaubwürdigkeit
Charr hatte in mehreren Interviews gesagt, dass er sich ja „freiwillig“ diesen Tests der Anti-Doping Agentur unterzogen habe, was allerdings so nicht stimmen kann, denn er kann „freiwillig“ nur wählen ob er sich dafür entscheidet, dass er durch die VADA oder die NADA kontrolliert wird. Die Unterwerfung dieser Anti-Doping-Tests, zwei Monate vor einem WM-Kampf, ist eine Pflicht und nicht freiwillig. Nun ist es eine Tatsache, dass er positiv und das sogar auf gleich zwei verschiedene anabole Steroide getestet wurde und nun scheint er nach diesem großen Fehler einen zweiten noch größeren Fehler zu machen: So stand z.B. heute Morgen im Kölner Express und auf Facebook: „Ich bin von der Nachricht total geschockt und weine nur noch“ und „Ich schwöre, dass ich noch nie etwas Verbotenes eingenommen habe.“
Charr kämpft hier um seine Glaubwürdigkeit, die durch die Posse um seinen deutschen Pass in der Öffentlichkeit schon mehr als gelitten hat und die Öffentlichkeit wird sich ihre eigene Meinung bilden, ob sie seinen Unschuldsbeteuerungen und Schwüren Glauben schenkt oder nicht. Bei einer vom Kölner Express heute Morgen durchgeführten Leser-Umfrage ob die Aussage Charrs, dass er niemals gedopt habe, glaubwürdig sei, haben sich mehr als 75% der Leser dafür entschieden ihm nicht zu glauben, 9% sind unschlüssig und nur 16% schenken seinen Beteuerungen Glauben.
Das Warten auf die B-Probe
Natürlich gilt bei Doping-Verfahren erst Jemand als überführt, wenn auch die B-Probe geöffnet wurde und die dann auch positiv ist. Nur besteht die B-Probe aus dem gleichen Urin wie die A-Probe und es gilt quasi als sicher, dass die B-Probe nur die Ergebnisse der A-Probe bestätigt. Eigentlich dient die Öffnung der B-Probe nur dem Beweis, dass die Proben nicht vertauscht wurden.
Charr wehrt sich mit einem neuen freiwilligen Test
„Ich kann mir das Ergebnis nicht erklären, werde aber alles dazu beitragen, um es aufzuklären. Ich warte gespannt auf das Ergebnis der B-Probe und habe mich erneut einer unabhängigen und freiwilligen Dopingprobe unterzogen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich Samstag veröffentlicht werden“, sagte Charr gegenüber dem Kölner Express. Allerdings hinkt diese Aussage so gewaltig, dass es für ihn eigentlich besser wäre, er hätte das nicht gesagt oder auch besser auf diesen zweiten Test verzichtet. Noch schlimmer wird es, wenn dieser zweite Test, wie zu erwarten dann negativ ist und er dann die Anti-Doping Agentur angreift und der Öffentlichkeit zeigen möchte: Hier seht ihr ich bin sauber!
Aber eigentlich macht er sich mit solch einem Test nur lächerlich, denn selbst ein neuer negativer Test beweist ja nicht, dass der frühere Test ein falsches Ergebnis aufgezeigt hat. Das kann man vielleicht am Besten an einem Beispiel erklären: Wenn ein betrunkener Autofahrer am 31. August (das war der Tag an dem bei Charr der Test durchgeführt wurde) sternhagelvoll von der Polizei in seinem Pkw gestoppt wurde und dann ein Alkoholtest ergibt, dass er über 2 Promille Alkohol im Blut hat und man ihm daraufhin den Führerschein wegnimmt, was nutzt es dann, wenn sich selbiger Autofahrer nach drei Wochen (wie jetzt Charr) einem weiteren neuen freiwilligen Alkoholtest unterzieht und dieser dann erwartungsgemäß negativ ist? Das beweist doch dann keinesfalls, dass der Autofahrer am 31. August nicht betrunken war und er bekommt dann auch sicher nicht seinen Führerschein zurück. Wahrscheinlich würden ihn die beteiligten Behörden über dieses vorgebrachte Argument nur müde belächeln. Und genauso wird es sein wenn Charr jetzt einen „neuen Test“ vorlegt und der dann negativ ist.
Es hilft nur die Flucht nach vorne und die Wahrheit
Wenn Charr in seinem Umfeld schlaue Berater hat und er auf diese auch hört, dann hilft eigentlich nur die Flucht nach vorne und die Wahrheit. Er sollte sich bei seinen Fans entschuldigen und Einsicht und Demut zeigen. Der WM-Titel ist sowieso weg. Nachdem er sich jetzt ein ganzes Jahr für seine erste Titelverteidigung Zeit gelassen hat und auch der Weltverband in dieser Zeit mit ihrem WM-Titel kein Geld verdient hat, ist absolut sicher, dass ihm die WBA den Titel aberkennt und ihn, so wie das bei ihm als Ersttäter die Regel ist, für ein Jahr sperrt.
Er hätte dann sogar die Chance, dass man ihm nach einem halben Jahr diese Sperre auf Antrag auf 6 Monate reduziert oder den Rest zur Bewährung aussetzt. Allerdings nur dann, wenn er seinen Verstoß zugibt. Wenn er es weiterhin abstreitet niemals gedopt zu haben und die Anti Doping Agentur und den Weltverband auch noch beschuldigt, ihm den WM-Titel gestohlen zu haben, dann wird es sicher auch damit nichts werden. Leider ist Charr beratungsresistent und wird das machen was er für richtig hält.
Wie geht es weiter? Karriereende oder Neuanfang?
Letztlich muss sich Charr Gedanken machen, wie es nach der sicher auf ihn zukommenden Sperre durch den Weltverband WBA weitergeht. Wird er sich noch einmal quälen und im Alter von 34 Jahren (am 10. Oktober wird er 34) noch einmal einen Neuanfang wagen und vor allem lohnt sich das und was kann er noch erreichen? Ein erneuter Titelkampf um einen der großen Titel der Verbände WBC, WBA, IBF oder WBO, scheint ausgeschlossen.
Die Chance und diese günstige einmalige Konstellation wie sie beim WBA Titelkampf gegen Ustinov entstand, wird es sicher niemals mehr geben. Von Gegnern wie Anthony Joshua oder Deontay Wilder kann Charr wohl nur träumen. Nicht weil er selbst es sich nicht zutrauen würde gegen diese aktuellen Champions anzutreten, sondern weil kein großer TV-Sender (HBO, Showtime oder auch das Streaming-Portal DAZN) ihn als Gegner für einen WM-Kampf akzeptieren würde.
Einziger Trost für Charr dürfte sein (auch wenn das nicht wirklich tröstet), dass er nicht der Einzige im großen weltweiten Boxing Business ist den man beim Dopen erwischt hat, ob Tyson Fury, Alexander Povetkin, Erkan Teper, Cannon Briggs, Lucas Brown, Canelo Alvarez, Felix Sturm, Eric Molina, Igor Mikhalkin, Lusian Bute oder David Benavidez, Charr befindet sich da in prominenter Gesellschaft.
Charr der aktuell, trotz seines WBA Titels nur auf Rang 30 der unabhängigen Weltrangliste geführt wird, wird es bei einem Neuanfang sicher schwer haben. Eine ander Alternative mit 34 Jahren ist es natürlich die Handschuhe an den Nagel zu hängen. Das wird auf jeden Fall dann die bessere Entscheidung sein, wenn sein bisheriger Sponsor einen künftigen Neuanfang nicht mehr bereit ist zu finanzieren.
Der Kampf Charr vs Oquendo ist inzwischen zwar definitiv abgesagt, aber wie Boxen1 hörte wird derzeit hinter den Kulissen versucht die geplante Veranstaltung in Köln am 29. September, doch noch mit einer neuen spektakulären Ansetzung zu retten.
BDB Präsident Thomas Pütz im Interview
Herr Pütz, was sagen Sie zu Charrs positiver A-Probe?
Pütz: Zunächst einmal muss ich sagen, dass sich Manuel Charr freiwillig diesen Trainingskontrollen der VADA unterworfen hat. Es war klar, dass er unangemeldet kontrolliert wird. Bei der letzten Kontrolle am 31. August wurde eine Urinprobe genommen, in der die beiden verbotenen Substanzen gefunden wurden. Dennoch gilt die Unschuldsvermutung. Jetzt muss Charr erklären, wie es zu der positiven A-Probe kommen konnte und eventuell die B-Probe untersuchen lassen. Das muss man abwarten.
Herr Charr schwört, nichts genommen zu haben. Wie könnten die gefundenen Substanzen in die Probe kommen?
Das VADA-Labor in Las Vegas ist ein sehr seriöses Labor, das zum Beispiel auch den Mexikaner Saul Alvarez überführt hat. Der hat nachher erzählt, dass er Steaks gegessen habe, das sei kontaminiertes Fleisch. Doch das sind aber alles windige Alibis. Ich denke, wenn auch die B-Probe positiv ist, wird das schwer zu widerlegen sein.
Wie geht es jetzt weiter?
Der WM-Kampf ist ja bereits abgesagt, nun muss die WBA entscheiden, wie vorzugehen ist. Ich gehe davon aus, dass sie Charr den WM-Titel aberkennt. Der Titel wäre dann vakant. Er kann natürlich in Berufung gehen, aber ich würde ihm raten keine Verschwörungstheorien aufzustellen, sondern die Wahrheit zu sagen. Wenn er was genommen hat, wäre das zwar sein größter Karriereknick, aber er sollte dazu stehen.
Wie reagieren Sie als Bund Deutscher Berufsboxer?
Wenn Charr überführt wird, müssen wir ihn nach unseren Statuten sperren. Er wäre Ersttäter, das hieße ein Jahr Sperre.
Sehen Sie Parallelen zum Dopingfall Felix Sturm?
Felix Sturm hat nach den positiven Proben alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Die Anwälte haben mit rechtlichen Winkelzügen versucht, die Rechtmäßigkeit der Probe zu diskreditieren, wie die Probe wohin gelangt ist. Aber wer soll so einen Rechtsstreit führen? Wir als BDB sicher nicht, dafür stehen uns gar nicht die Mittel zur Verfügung. Ich finde, wenn Doping ein Straftatbestand ist, sollte es wie in den USA auch staatlich überprüft werden.
@Dieses Interview gab der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer gegenüber dem „Kölner Express“