„The Fabulous Four“ – Kampf um die Schwergewichtskrone

Sie sind Schwergewichte, groß, stark und bereit die Alleinherrschaft im Schwergewicht zu übernehmen. Die Rede ist nicht etwa von den üblichen drei Verdächtigen um zwei Briten und einen Amerikaner. Es geht um die neuen fantastischen Vier der höchsten Divison und die Frage, wer der zukünftige König des Dschungels wird.

Die neuen „Fabulous Four“ der Heavyweights

Wirft man als Box-Fan dieser Tage einen Blick ins Schwergewicht, so wird schnell klar, dass es im Faustkampf momentan kein Gewichtslimit gibt, dass durch die Bank weg so spannend und heiß umkämpft ist wie die Königsklasse. An der Spitze stehen ohne Zweifel „The Big Three“ um Fury, Joshua und Wilder, wobei der „Gypsy King“ von den meisten Experten weltweit als die Nummer 1 gehandelt wird.

Aber direkt in der zweiten Reihe tummeln sich seit geraumer Zeit vier heiße Anwärter, die in den kommenden zwei Jahren alle um das Anrecht kämpfen wollen, auf den Schwergewichtsthron zu klettern. Um diese vier Elite-Kämpfer soll es im nun folgenden Artikel gehen und ihre Chancen am Ende ganz oben zu stehen.

1. Daniel Dubois

Foto: BT Sport

Mit gerade einmal 22 Jahren hat der junge „Dynamite“ Daniel Dubois bereits jetzt bewiesen, dass er zu den momentan größten Hoffnungsträgern im höchsten Limit und einem der größten Talente seit dem jungen Mike Tyson zählt. Klar ist, dass der 1,96m große Londoner alles mitbringt um die Zukunft zu bestimmen. Hinter einem perfekt getimten Jab seziert Dubois seine Gegner, arbeitet mit der Linken gut zu Kopf und Körper, um diese dann mit der rechten Schlaghand abzuschießen.

Daneben verfügt der Normalausleger auch über ein starkes Kinn, wie er etwa im Fight gegen den Ghanaer Richard Lartey unter Beweis stellen konnte. Einzig seine Kampfführung in der Nahdistanz, in der sich Dubois noch zu oft auf Keilereien einlässt sowie sein Headmovement müssen für zukünftige Kämpfe deutlich verbessert werden. Ansonsten beeindruckt die Abgebrühtheit mit welcher der 109-Kilo-Koloss zu Werke geht.

Sein Coach Martin Bowers meint hierzu: „Daniel ist der netteste Typ, den Du Dir vorstellen kannst. Doch sobald die Ringglocke ertönt, wird er zum Tier. Dann ist ihm auch egal ob in der gegenüberliegenden Ecke seine „Granny“ oder sonstwer steht.“ Alles in allem muss festgehalten werden: Der kommende Showdown gegen Dubois‘ Stadtrivalen Joe Joyce kommt für die Dynamit-Faust womöglich einen letzten Schritt zu früh. Sollte sich Dubois aber wider Erwarten durchsetzen, so ist er mit Sicherheit „The Real Deal“. Die Zeit arbeitet allemal für ihn.

2. Filip Hrgovic

Fragt man einen Kroaten, wer der beste Schwergewichtsboxer seines Landes war, so fällt häufig der Name Zjelko Mavrovic, welcher Ende des letzten Jahrtausends unter anderem mit lediglich einer Punktniederlage gegen Boxlegende Lennox Lewis für Aufsehen sorgte, anschließend aber aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere beenden musste.

Seit den letzten olympischen Spielen von Rio 2016 hat der Vizeweltmeister im Fußball nun wieder ein ganz heißes Box-Eisen im Feuer, denn „El Animal“ so Hrgovic’s Kampfname, konnte bereits als Amateur mächtig abräumen. Jugend-Weltmeister 2010, Europameister 2015 sowie Bronze bei Olympia zeugen von der vorhandenen Klasse des 1,98 m großen Hünen, der einen durchaus ähnlich unorthodoxen Stil boxt wie seinerzeit Vitali Klitschko.

Will heißen: etwas steif im Oberkörper, aber mit hervorragender Übersicht, starken Reflexen und gut im Rückwärtsgang, zermürbt Hrgovic mit Links-Rechts-Kombinationen und Uppercuts seine Gegner Runde um Runde und zeigt hierbei einen unblaublichen Willen und Kampfgeist. Die bisherige Arbeit mit Star-Coach Pedro Diaz in Miami hat sich voll ausgezahlt. Wenn die Krise überstanden ist, sollte Hrgovic baldmöglichst um eine WM kämpfen dürfen. Er ist der mental stärkste Kämpfer.

3. Joe Joyce

Von allen hier aufgezählten Kandidaten ist Joe Joyce vielleicht mit dem größten boxerischen Talent gesegnet, hat aber vergleichsweise sehr spät mit dem Faustkampf begonnen und steht mit 34 Jahren unter großem Druck, einmal noch um die Krone boxen zu können. Der Silbermedaillengewinner von Rio, der von Frank Warren’s Queensberry Promotions und Richard Schaefer’s „Ring Star Sports“ gemanagt wird, hat aber dennoch eine realistische Chance das Zepter in die Hand zu nehmen, schlug er doch mit Bermane Stiverne den ehemaligen WBC-Champ in Runde sechs vorzeitig und konnte sich auch gegen den ehemaligen WM-Herausforderer Bryant Jennings klar nach Punkten durchsetzen.

10 Siege in ebensovielen Kämpfen, dazu 9 vorzeitige Triumphe sprechen deutlich für den „Juggernaut“ und machen ihn für den britischen Showdown um den prestigeträchtigen Commonwealth-Titel sowie vakanten EBU-Gürtel gegen Landsmann Daniel Dubois zum hauchdünnen Favoriten. Schwachpunkt bei Joyce ist allerdings seine Verteidigung. Er kassiert zu häufig unnötige Treffer, auch wenn er durch sein starkes Kinn und seine immens hohe Workrate viel wettmacht. Lobend erwähnen muss man seine starke Beinarbeit und sein großartiges Offensiv-Arsenal.

Sollte der Sieg gegen Dubois, der für den 11. Juli fest eingeplant ist, und unter Umständen aufgrund der weltweiten Pandemie noch weiter nach hinten verschoben werden wird, gelingen, so könnte auch Joe Joyce tatsächlich im nächsten Jahr um die Krone kämpfen.

4. Tony Yoka

Last but not least reiht sich in die Galerie der zukünftigen Schwergewichte auch das französische Top-Prospect Tony Yoka ein. Der fast 28-jährige Franzose war als Amateur gewissermaßen das Sonntagskind des Boxsports und wurde schnell als zukünftiger Superstar und Nachfolger von Anthony Joshua respektive Wladimir Klitschko gehandelt. Seine Erfolge hierbei sind beeindruckend: Weltmeister 2015 in Doha sowie Olympiasieger 2016, darunter wichtige Siege bei den Turnieren über Filip Hrgovic, Ivan Dytchko und zweimal Joe Joyce, den er im Olympiafinale allerdings äußerst umstritten mit 2:1 bezwang.

Der Übergang zu den Profis sollte allerdings nicht ganz so glatt und reibungslos verlaufen. Nach wenigen Aufbaukämpfen wurde La Conquete (z.dt. die Eroberung) 2018 für zwölf Monate gesperrt, da er innerhalb eines Jahres dreimal gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verstieß. Nach guten aber auch wenig aussagekräftigen Comeback-Fights 2019 gegen die EC-Boxer Alexander Dimitrenko und Michael Wallisch (beide TKO-Sieg Runde 3) möchte sich der schmale Riese (2,01m groß) nach der Corona-Krise nun mit größeren Fights für die Weltspitze empfehlen. Trumpf ist für ihn sein großartiger Handspeed und seine vernichtende rechte Schlaghand, die er oftmals als ansatzlos geschlagenen Cross bringt. Seine genannten Rivalen haben im Profibereich allerdings alle schon etwas mehr gerissen.

Fazit

Prinzipiell hat von allen hier vorgestellten Kämpfern jeder das Potenzial Weltmeister zu werden. Allerdings sind die Voraussetzungen für das Amateurfach bzw. Profigeschäft bekanntlich ganz unterschiedlicher Natur. Für alle, die sich fragen, warum Efe Ajagba in dieser Auflistung fehlt, sei gesagt, dass der Nigerianer nach Meinung des Autors nicht ganz die Klasse für die absolute Spitze mitbringt. Es bleibt das Resultat des Knaller-Kampfes Dubois vs. Joyce abzuwarten. Der Sieger dieses Showdowns sollte ganz oben anklopfen können. Ansonsten ist Filip Hrgovic, der Mann, welcher diese Vierer-Konstellation anführt und in Zukunft die absolute Nummer 1 werden kann.

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