Serhat Parlak und Yusuf Düskün sind neue deutsche Meister

Serhat Parlak bezwingt Raphael Rogers und ist neuer deutscher Meister im Supermittelgewicht. Quelle: Serhat Parlak Instagram

Am Freitag fand eine UGRO-Boxveranstaltung statt. In den beiden Hauptkämpfen ging es um die altehrwürdige deutsche Meisterschaft.

Das UGRO-Boxteam war in den letzten Jahren fleißig und präsentierte auch am Freitag eine Veranstaltung. Im Ebertbad in Oberhausen fand nämlich die inzwischen sechste UGRO-Gladiatoren-Nacht statt. Für das Event hatte man sich etwas Spezielles ausgedacht und gleich einen Double-Header auf die Beine gestellt, um die altehrwürdige deutsche Meisterschaft des BDB. Das UGRO-Boxteam besitzt sehr viel Sympathie und auch Hochachtung vor dem klassischen Weg im Profiboxen. Über eine nationale Meisterschaft soll man sich auf europäischem Niveau bei der EBU beweisen und danach eventuell noch bei den großen vier Weltverbänden vorstellig werden – so lautet die konzipierte Marschroute. Mit den beiden deutschen Meisterschaften hat man einen Grundstein gesetzt, der hoffentlich das Fundament für eine große internationale Karriere legen wird.

Serhat Parlak brilliert und wird neuer deutscher Meister

Im Hauptkampf des Abends ging es in das Supermittelgewicht, wo Serhat Parlak (6-0) die Gelegenheit erhielt, zum ersten Mal im Profibereich um einen Titel zu kämpfen. Parlak, der schon bei den Amateuren für Oberhausen aktiv gewesen ist, gehört zu den ganz spannenden Eigenwuchs-Personalien des UGRO-Boxteams. Derweil kennt Parlak nur zu gut den süßen Geschmack des Titelerfolges, denn er war ein durchaus hoch dekorierter Amateurboxer. 2019 wurde er deutscher U22-Meister und kämpfte für die deutsche Nationalmannschaft. Der smarte Parlak wurde zudem auch während seiner Studienzeit deutscher Hochschulmeister. Nun bekam er am Freitag die Gelegenheit, auch bei den Profis sein Können zu präsentieren und zu vergolden.

Auf der Gegenseite stand mit Raphael Rogers (5-2) ein 37-jähriger Schweinfurter, der als Underdog in den Kampf ging. Rogers war zuletzt nur noch selten aktiv, bekam unverhofft die Gelegenheit, um den Meistertitel zu boxen, und wollte alles in Oberhausen geben, um diese große Chance erfolgreich zu nutzen.

Parlak ist überglücklich nach dem Erhalt der deutschen Meisterschaft

Serhat Parlak mit seinem Coach&Bruder.

Zunächst sah es auch nicht so schlecht für Rogers aus. Häufig beginnen solche wertigen Titelkämpfe damit, dass sich die beiden Boxer etwas beschnuppern und auch belauern. So ähnlich verlief es auch beim Hauptkampf in Oberhausen. Parlak war dennoch in der ersten Runde der bestimmende Mann, der gute Jabs schlug, auch immer wieder zum Körper. Wenn Rogers in die Nahdistanz ging und versuchte, Powerpunches anzubringen, dann reagierte Parlak blitzschnell und konterte in die Aktionen hinein. Insgesamt war Parlak einige Male klar durchgekommen, wodurch Rogers gewarnt war. Recht zügig in Runde 2 kam Parlak dann hart durch. Rogers fiel in die Seile und taumelte dort etwas. Parlak schlug dann noch nach, obwohl der Ringrichter hätte dazwischen gehen müssen. Rogers wurde erstmalig angezählt, es folgten wenig später noch zwei weitere Niederschläge, und der Titelkampf war dann auch in Runde 2 beendet.

Oberhausen konnte leider keinen langen und intensiven Hauptkampf betrachten. Parlak hat die Gelegenheit früh genutzt und den Sack zugemacht, was für seine Qualität spricht. Er ist ein exzellent ausgebildeter Boxer, der im Profibereich auch eine sehr gute Zukunft haben kann. Die deutsche Meisterschaft ist hierbei nur eine Zwischenstation. Man darf gespannt darauf blicken, wie Parlak sich in den kommenden Kämpfen präsentieren wird. Er gehört zu den spannenden Personalien des deutschen Profiboxens.

Nach dem Kampf bekam Boxen1 noch kurz die Gelegenheit, mit Parlak zu sprechen, der euphorisch zum Erhalt des Titels sagte: „Es war eine sehr harte achtwöchige Vorbereitung. Wir wussten, was auf uns zukommt. Der Gegner war auch physisch stark. Ich habe mich gewundert, wie viel er an einem Tag zugelegt hat. Ich habe mich sehr gut gefühlt, das Publikum hat mir sehr viel Energie gegeben. Das habe ich zum Vorteil ausgenutzt. Die erste Runde hat angefangen und ich habe geguckt, wo sind die Lücken des Gegners, worauf reagiert er? Dann hat mein Coach, der auch mein Bruder ist, einen sehr guten Tipp gegeben. Ich bin in die zweite Runde gegangen und habe es sofort umgesetzt und der KO ist einfach gekommen. Nach dem Kampf war ich total erleichtert.“

Serhat war es zudem besonders wichtig, noch an das Leid in Gaza zu erinnern und widmete den Titel und den Sieg „an alle Opfer in Gaza, in Palästina“, um darauf noch einmal aufmerksam zu machen.

Düskün krönt sich ebenfalls zum deutschen Meister

Neuer deutscher Meister im Weltergewicht, Yusuf Düskün.
Foto: Devad Handanovic

Im zweiten Titelkampf des Abends standen sich Yusuf Düskün (12-0) und Orhan Gülsen (7-1) um die deutsche Meisterschaft des BDB im Weltergewicht gegenüber. Düskün, der abseits des Ringes als Friseur sein Geld verdient, kämpfte zuletzt im Mittelgewicht und musste viel Gewicht verlieren, um das Gewichtslimit zu erreichen. 7 kg sollen es in den letzten Tagen gewesen sein, entsprechend froh war er darüber, dass er um diesen Titel im Weltergewicht antreten konnte. Mit Gülsen traf er auf einen 19-jährigen Kölner, der zwar jeden Kampf vorzeitig gewinnen konnte, aber dennoch einen relativ leeren Rekord vorzuweisen hatte. Entsprechend galt Düskün auch als klarer Favorit im Vorfeld.

Gülsen versteckte sich im Titelkampf keineswegs. Er versuchte von Beginn an einiges, doch das richtige Distanzgefühl war selten da. Düskün erschien technisch eine ganze Spur besser, was er auch mit guten Aktionen unterstrich. Dennoch blieb sich Gülsen treu und landete immer wieder Schläge, auch zum Körper, was seine Kämpfermentalität unterstrich. Zudem stand seine Doppeldeckung gut, was Düskün dazu verleitete, mehr arbeiten zu müssen. Gülsen bekam mit der Zeit aber zunehmend konditionelle Probleme, wodurch er zum Ende der dritten Runde schon im roten Bereich war. Hinzu kamen auch gute Treffer von Düskün, die ihm zunehmend die Luft raubten. Gülsen versuchte in der vierten Runde noch einiges, ging danach aber zweimal zu Boden, woraufhin das Handtuch geworfen wurde.

Caliskan lässt technisch einen toughen Dmitrovic verzweifeln

Mert Caliskan
Quelle: UGRO-Boxteam

Im Superleichtgewicht fand zudem der Kampf zwischen Mert Caliskan (5-0) und Marko Dmitrovic (11-13-1) statt. Caliskan war ein guter Amateur, hat weit über 100 Kämpfe bestritten und auch an internationalen Wettbewerben teilgenommen, wie beispielsweise der Europameisterschaft 2022 in Armenien. Zuletzt kämpfte er in der MHP Arena in Ludwigsburg im Vorprogramm von Felix Sturm, live auf DAZN. Entsprechend ist er ebenfalls eine interessante Personalie, die das UGRO-Boxteam akribisch aufbaut.

Er traf nun mit Dmitrovic auf einen zähen Kontrahenten, was man auch direkt beim Kampf beobachten konnte. Caliskan war der bestimmende Boxer, der einen technisch guten Auftritt präsentierte. Immer wieder ließ er Dmitrovic ins Leere schlagen und reagierte mit blitzschnellen Aktionen, die das Publikum begeisterten. Die Stimmung in Oberhausen war sehr gut, da sich zahlreiche Unterstützer von Caliskan versammelt hatten. Die Stimmung wurde von Runde zu Runde besser, da Caliskan zu überzeugen wusste. Dmitrovic konnte technisch nicht mithalten. Ein gravierender Unterschied war die Geschwindigkeit bzw. die Explosivität, wodurch Caliskan deutlich mehr Erfolg verbuchen konnte. Irgendwann sah man auch die Frustration Dmitrovic an, der in Runde 3 durch eine Unsportlichkeit einen Punktabzug erhielt. Dennoch blieb er bis zum Schluss tapfer und suchte seine Chance, obgleich sich diese nicht mehr einstellen sollte. Wenig überraschend bekam Caliskan nach den sechs dynamischen Runden einen einstimmigen Punktsieg zugesprochen.

Er hat bewiesen, dass er über technische Feinheiten verfügt, allerdings könnte sein etwas geringer Punch womöglich ein Hemmnis für die weitere Karriere bedeuten.

Frauenpower beim UGRO-Boxteam

Madeleine Mohrhardt.
Quelle: UGRO-Boxteam

Auch weibliche Athletinnen konnten an dem Abend in Oberhausen bestaunt werden. Zum einen traf Madeleine Mohrhardt (5-0) auf die Ungarin Orsolya Moldovan (1-3). Mohrhardt ist ein echter Hingucker und hat nebenbei einen Bachelor in Sportpsychologie sowie etliche Pferde, die sie liebevoll umsorgt. Liebevoll ist Mohrhardt im Ring eher weniger, das sollte auch Moldovan zu spüren bekommen. Mohrhardt bewegte sich gut, bewies eine umsichtige Defensive und agierte auch viel mit dem Einsatz der Schulter. Nach einem ausgeglicheneren Beginn war es dann überwiegend Mohrhardt, die erfolgreiche Angriffe initiierte, wodurch sie auch den einstimmigen Punktsieg zugesprochen bekam.

Im Superleichtgewicht war dann zudem noch die ehemalige UFC-Fighterin Mandy Böhm (4-0) aktiv, die auf die Georgierin Mariami Nutsubidze (1-6) traf. Die 34-jährige Böhm verfügt über eine Menge Kampfsporterfahrung und hat sich im vergangenen Jahr entschieden, ihre internationale MMA-Karriere zu beenden und nach Gelsenkirchen zu ziehen, wo sie das Monster-Kampfsportgym betreibt und nebenbei an ihrer Profiboxkarriere arbeitet. Es war ihr vierter Kampf seit November, doch Nutsubidze entpuppte sich nicht als adäquate Gegnerin. Früh wackelte die Georgierin und wirkte völlig überfordert mit Böhm, wodurch der Ringrichter den Kampf auch prompt abwinken musste. Auch wenn Böhm noch nicht lange im Profiboxen aktiv ist, so hätte man ihr zwingend eine wehrhaftere Gegnerin gegenüberstellen müssen. Das war sinnlos.

Die weiteren Kämpfe der Undercard

Ugur Kadam.
Quelle: UGRO-Boxteam

Im Halbschwergewicht trafen Ugur Kadam (8-0) und Istvan Kiss (25-43) aufeinander. Kadam hatte eine längere Pause und meldete sich im Januar erfolgreich bei einer größeren Universum-Veranstaltung zurück. Gegen Kiss wollte er ein Feuerwerk abbrennen in Oberhausen, doch Kiss erlitt in der ersten Runde einen Cut und gab in der Rundenpause auf, wodurch dieser Aufbaukampf leider auch nicht sonderlich viel bot.

Im Cruisergewicht meldete sich Semir Dautovic (7-3-2) erfolgreich zurück. Dautovic verlor neulich auf der Undercard des Eliminatorkampfes zwischen Huseyin Cinkara (22-0) und Armend Xhoxhaj (18-4) in Nürnberg und sollte mit Tamas Laska (19-35-1) einen Aufbaugegner erhalten. Auch hier konnte Laska dem Publikum nichts bieten und wurde in der ersten Runde gestoppt.

Den spannendsten Kampf des Abends gab es im Superweltergewicht zu sehen, wo Ajdin Reiz (11-0-1) auf Gyorgy Mizsei (28-46-1) traf. Reiz investierte viel in den Kampf und schlug einige Serien zum Körper, die Mizsei aber überwiegend blockte. In den hinteren Runden baute Reiz dann konditionell sichtlich ab, wodurch Mizsei seine Chance ergriff und Druck ausübte. So gingen die letzten beiden Runden an den Ungarn, der aber die restlichen Runden wohl verloren hat. Der enge und spannende Kampf wurde dann via geteiltem Punktentscheid für Reiz gewertet, was sicherlich auch so in Ordnung ging.

Im Supermittelgewicht konnte zudem Seref Yasar (1-0) ein geglücktes Profidebüt gegen den routinierten Janos Lakatos (7-58-1) feiern. Yasar bewegte sich viel und boxte überwiegend über die Distanz. Lakatos war recht kompakt und teilweise auch nicht ungefährlich. Beispielsweise rüttelte er in der dritten Runde Yasar ordentlich durch, der sich aber auf den Beinen hielt. Am Ende bekam Yasar den Kampf einstimmig nach Punkten zugesprochen.

Die nächste Veranstaltung ist im Oktober geplant

Grundsätzlich lieferte das UGRO-Boxteam wieder eine tolle Profiveranstaltung im Ebertbad ab. Natürlich gibt es Verbesserungspotenzial, insbesondere beim Matchmaking der Kämpfe. Einige Aufbaukämpfe verliefen doch sehr einseitig, aber es gibt immer wieder kurzfristige Änderungen, wodurch Kämpfe nicht so stattfinden, wie sie vielleicht angedacht waren. Jedenfalls wäre etwas mehr Ausgeglichenheit in der Zukunft sicherlich förderlich.

Die nächste Gelegenheit dafür wird der 5. Oktober sein, wenn das UGRO-Boxteam in das Ebertbad von Oberhausen zurückkehren wird.

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