Sehnsuchtsort Rio: Olympia ist Kastriot Sopas großer Traum
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erfüllte sich ihren großen Traum bereits im Sommer 2014, als Kapitän Philipp Lahm den Weltpokal entgegennahm und in den Nachthimmel von Rio de Janeiro reckte. Die Zeit ist reif für neue Helden: Zwei Jahre nach dem deutschen Fußball-Sommermärchen an der Copacabana sollen sich bei den Olympischen Sommerspiele in Rio (Brasilien; 5. bis 21. August) wiederum kleine wie große Sehnsüchte erfüllen. Welcher Sportler träumt nicht einmal von Olympia?
Nicht anders ergeht es Kastriot Sopa in diesen Tagen, er pendelt gedanklich zwischen Traum und Wirklichkeit. Der Amateur-Boxer am Olympiastützpunkt Rhein-Neckar hat dieses Jahr Großes vor. „Es ist auf jeden Fall mein Traum, bei den Olympischen Spielen in Rio dabei zu sein. Und darauf arbeite ich hin. Das kommt vielleicht nur einmal im Leben, dass man die Möglichkeit hat, sich für dieses besondere und große Sportereignis zu qualifizieren.“ Der 23-Jährige vom SV Heilbronn wirkt entschlossen, fokussiert und mehr als bereit. Sein Ziel immer stets vor Augen. Und dafür ist ihm kein Weg zu weit.
Und getreu der Zeile aus einem der bekanntesten Hits von Xavier Naidoo wird auch dieser kein leichter sein. Will Sopa das begehrte Ticket lösen, dann nur in einer anderen Gewichtsklasse. Und das heißt für den Halbweltergewichtler (bis 64 Kilogramm): seine Körpermasse verringern. In seiner eigentlichen Gewichtsklasse steht mit Artem Harutyunyan bereits der Teilnehmer für die Spiele in Rio fest. Der gebürtige Stuttgarter will den Weg trotz einer deutlichen Gewichtsreduzierung dennoch in Angriff nehmen und gibt sich kämpferisch. „Ich will meine Chance nutzen, auch wenn ich dafür eine Gewichtsklasse runtergehen muss. Es wird nicht einfach werden, dessen bin ich mir bewusst. Aber wer ein Ziel hat, der hat auch einen Willen.“
Und wer in sein Gesicht schaut, der sieht, dass er es ernst meint. Ernst, den Weg, der über Blut, Schweiß und Tränen führen wird, zu gehen. Schon allein das Wort Olympia lässt seine Augen funkeln. Die Vier-Jahres-Spiele üben einfach eine ganz besondere Faszination auf die Sportler wie Sopa aus: „Es gibt Europameisterschaften, es gibt Weltmeisterschaften, aber für einen Leistungssportler im Amateurbereich ist Olympia das Höchste, was man erreichen kann. Und wenn du dort noch eine Medaille holst, dann hast du ein Andenken für dein ganzes Leben.“
Gedanklich ist er bereits in der Wirklichkeit. Körperlich ist Rio noch kilometerweit entfernt und ein großer Traum, den er in den kommenden Wochen und Monaten verwirklichen will. Bis vor drei Jahren waren ihm die 60 Kilogramm (Leichtgewicht) noch ein stetiger Begleiter, er feierte große Erfolge auf nationalem Parkett. Nun heißt es: Raus aus der Komfortzone und „den inneren Schweinehund überwinden“. So arbeitet er derzeit akribisch am Olympiastützpunkt in Heidelberg auf den Chemie-Pokal in Halle (8. bis 11. März) hin. „Ich bin einer von zwei Leuten, der die Möglichkeit hat, an den Qualifikationsturnieren für Olympia in Istanbul und in Baku teilzunehmen. Dafür muss ich zunächst beim Turnier in Halle am besten abschneiden, um die Chance zu wahren.“
Wie es sich anfühlt, an einem Großereignis teilzunehmen und abschließend noch auf dem Podium zu stehen, daran erinnert sich Sopa gern zurück. Von den ersten Europaspielen, die im Juni in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfanden, brachte er eine Bronzemedaille mit. „Das war schon ein kleines Highlight und fühlte sich wie Olympia an. Alle Sportarten waren vertreten, es war alles sehr gut organisiert.“ Nun lockt das ganz Große.
Dafür heißt es auch einiges hinter sich zu lassen. Er tut es nicht gerne, aber „die Olympiaqualifikation ist für mich auf jeden Fall wichtiger“. So wird er der Bundesliga-Staffel des Nordhäuser SV für die Titelverteidigung im Meisterschaftskampf nicht mehr zur Verfügung stehen. Für das Team stand er in dieser Saison bereits dreimal im Ring. Dreimal als Kämpfer, dreimal als Kapitän. NSV-Trainer Andreas Dietrich-Scherfling legte sich fest und schenkte Sopa zu Saisonbeginn das Vertrauen, das Amt auszuüben. Die ihm zugewiesene Aufgabe erfüllte er stets mit Stolz. „Natürlich hast du eine gewisse Verantwortung, die Mannschaft im Vorfeld zu motivieren und aufzupushen. Du schickst sie schließlich in den Ring, um am Ende als Sieger herauszukommen.“ Das funktionierte bisher mehr als prächtig, wenn auch dreimal mit 11:10-Siegen recht knapp. Der Lohn war die Tabellenführung. Der Anreiz, den Titel zu verteidigen, ist schließlich groß. „In der Vorsaison waren wir die Jäger, jetzt sind wir die Gejagten. Natürlich spüren wir einen gewissen Druck, aber umso größer ist unsere Motivation, den Titel zu behalten.“
An der gegenwärtigen Situation hat auch Sopa einen gehörigen Anteil. Zum Saisonauftakt glänzte das Ausnahmetalent beim BC BigBoard Prag, er gewann sein Duell. Ebenso beim Rückkampf, der durch eine Cutverletzung etwas getrübt wurde. Beim Aufeinandertreffen mit dem Spitzenteam SV Motor Babelsberg und dem deutschen Meister Eugen Dahinten musste Sopa wenige Tage vor Weihnachten eine bittere Niederlage einstecken. Bedingt durch fehlende Fitness. Ein neunwöchiger Feldwebel-Lehrgang in Hannover ließ zuvor nur eingeschränktes und individuelles Training zu. „Ich bin Sportsoldat in der Sportfördergruppe und daher verpflichtet einmal im Jahr an einem solchen Lehrgang teilzunehmen. Zudem standen schriftliche und praktische Prüfungen an, die sehr wichtig für mich waren.“ Den Rückhalt durch seinen Arbeitgeber weiß Sopa sehr zu schätzen: „Die Bundeswehr gibt mir die nötige Sicherheit, um mich vollkommen auf den Sport zu konzentrieren und mich auf den Höhepunkt vorbereiten zu können.“ Schließlich soll Olympia in Rio nicht nur ein Traum bleiben.
Quelle: Sandra Arm, Bildquelle: Christoph Keil