Filmemacher Fatih Akin bei BOX-OUT

Kurz und schmerzlos / Soul Kitchen / Gegen die Wand

Ein Bericht von Wolfgang Weggen

Er ist boxverrückt – im gute Sinne. Der preisgekrönte Filmemacher Fatih Akin sitzt aber nicht nur als Zuschauer und Ehrengast bei Kampftagen in der ersten Reihe, nein, der 40-Jährige trainiert häufig selbst mit Profis – und er steht auch schon mal als Betreuer eines Boxers mit in der Ecke. Wie bei einigen Kämpfen von Mahir Oral. Mit dem Mittelgewichtler und BOX-OUT-Trainer verbindet den Filmemacher seit Jahren eine Freundschaft. Und so stand Fatih u.a. auch bei Orals WM-Kampf am 30. Oktober 2010 in Rostock gegen Sebastian Sylvester als Betreuer in der Ecke. Half leider nichts, sein Freund Mahir verlor den WM-Fight über 12 Runden nach Punkten.

Jetzt schaute Regisseur Akin bei BOX-OUT in der Hamburger Frankenstraße vorbei, wollte sich einen Eindruck von der Arbeit des gemeinnützigen Vereins verschaffen, der vor allem mit seiner Arbeit GEGEN GEWALT AN SCHULEN (die Trainer um Mahir Oral geben zurzeit an 30 Hamburger Schulen Boxunterricht) auf sich aufmerksam macht. Und der 40-Jährige zeigte sich beeindruckt von der Idee, Kinder und Jugendliche durch den Sport, speziell durch das Boxen, auf die richtige Bahn zu bringen, Bildungsbarrieren abzubauen und die Integration zu unterstützen.

Gleichzeitig wurden bei dem Träger des Bundesverdienstkreuzes Erinnerungen an die eigene Jugend wachgerufen. Der Spiegel (Kultur) schrieb Ende der 90iger Jahre u.a. über den jungen Fatih Akin: „Aufgewachsen in einer Hochhaussiedlung in Altona-Nord, hing er als Zwölfjähriger nachmittags auf dem Spielplatz ab – zusammen mit seiner Gang, den Türk Boys. Mit viel Gel in den Haaren und übergroßen Bomberjacken taten sie so, als würden sie ihr Revier verteidigen. „Da wohnten entweder Ausländer“, sagt Akin, „oder deutscher Schrott: Junkies, Dealer, Zuhälter.“

Als aus Knüppeln Messer wurden und es darum ging, anderen die teuren Jacken wegzunehmen, zog sich Akin zurück. „Du bist ein Weichei, Fatih“, riefen ihm die anderen Jungs hinterher. Statt dessen schaute er sich Filme an, las Bücher und überlegte sich, wie er beim Film Karriere machen könne. „Wir machten auf kultiviert.“

Mit 18 schließlich entdeckte ihn eine Produktionsfirma als Schauspieler in einem Jugendzentrum. Seitdem hat er in mehreren Fernsehfilmen den Ausländer gemimt. „Ich mußte immer nur den Türken vom Dienst spielen: einen messerstechenden Dealer, der die verlorene Ehre der Schwester wiederherstellt.“

Statt dessen beschloß Akin, sich sein eigenes Drehbuch zu schreiben, und natürlich schrieb er seine Geschichte und die seiner Freunde im multiethnischen Arbeiterviertel Hamburg-Altona auf: von Fatih, dem Türken, von Adam, dem Griechen, der sich im Film selbst spielt, und von Tomi, dem Serben, der sich mit den Albanern anlegte und heute in Belgrad ein Sonnenstudio führt“ Ende des Spiegel-Zitats.

Heute genießt Filmemacher Fatih Akin Weltruhm. Seine Werke, wie zum Beispiel Kurz und schmerzlos, Soul Kitchen oder Gegen die Wand, sind die großen Renner. Akin selbst gilt als Superstar, trotzdem hat er die Bodenhaftung nicht verloren. Und genau mit dieser Bodenhaftung, der Nähe zu den „normalen“ Menschen, punktete Akin auch bei den BOX-OUT-Geschäftsführern Christian Görisch und Thorsten Friedrich: „Er ist überhaupt nicht abgehoben und er hat richtig Ahnung vom Boxen. Deshalb haben wir ihn auch eingeladen, hier bei uns im Gym zu trainieren. Mahir würde sich sicher freuen, wenn er mit seinem Freund Fatih ein paar Sparringsrunden drehen kann und die Kids könnten den Film-Star beim Boxtraining bewundern“!

Übrigens ist Fatih Akin auch stark sozial engagiert. Im soul kids e.V. zum Beispiel. Das ist ein gemeinnütziger Verein Hamburger Kulturschaffender, der mit Veranstaltungen und Aktionen jeglicher Art Spendengelder sammelt, die an ausgesuchte gemeinnützige Vereine, Einrichtungen und Projekte gespendet werden. Auf diese Weise will soul kids e.V. auf die unterschiedlichen Nöte, Probleme und Bedürfnisse von Kindern in Hamburg und weltweit aufmerksam machen und gleichzeitig all jenen eine Öffentlichkeit schaffen, die sich im Kleinen wie im Großen für Kinder und Jugendliche einsetzen.

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