Vor fast 20 Jahren gründete der Magdeburger Unternehmer Ulf Steinforth die Box-Promotion SES-Boxing. Seitdem ist viel passiert! Inzwischen gilt Steinforth sogar – bei einem Großteil der Experten – als die Nummer 1 der deutschen Box-Veranstalter. BOXEN1 sprach nun mit dem 52-jährigen Geschäftsmann ausführlich über die Erfolgs-Story von SES, sowie über die künftigen Aufgaben seiner Boxer.
Ulf Steinforth: „Verlieren gehört zum Gewinnen dazu!“
Wenn man Ulf Steinforth kennt, oder sich zumindest für längere Zeit mit ihm in Gesprächen ausgetauscht hat, verspürt man diese gewisse Heimatverbundenheit. Den Magdeburger Dialekt hört man sofort heraus und es wirkt authentisch, wenn Steinforth „frei Schnauze“ seine Sicht der Dinge schildert. Der 52-Jährige hat seine Herkunft nie verleugnet und er ist stolz darauf, dass seine Heimatstadt in punkto Boxen einen mittlerweile nicht mehr wegzudenkenden Status genießt. Die von Steinforth veranstalteten Box-Galas gehören inzwischen zu Magdeburg genauso dazu, wie etwa der Dom oder die Elbe.
Vor über 20 Jahren fing alles an, als sich Ulf Steinforth mit dem Virus Boxen infizierte. Mit dem Amateurverein 1. Boxclub Magdeburg, dessen Sponsor und Präsident Steinforth war, feierte er Ende der 1990-er Jahre große Erfolge in der ersten Bundesliga. Das Unternehmen „Profiboxen“ reizte Steinforth spätestens zu dem Zeitpunkt, als er 1999 einen WM-Kampf von Sven Ottke nach Magdeburg holte, für dessen Organisation jenes Kampfabends Steinforth mitverantwortlich war. „Dieses gewisse Flair, welches man sonst nur aus dem Fernsehen kannte und sich für viele Magdeburger so weit weg anfühlte, war plötzlich bei uns auf heimischem Boden. Das war schon etwas Besonderes!“, erinnert sich Steinforth.
Ulf Steinforth, der zunächst als „kleiner Fisch“ im Haifischbecken des Berufsboxens das Schwimmen schnell erlernen musste, ging am 16. März 2000 das Wagnis ein, selbst einen Profi-Stall zu gründen. Dass sein Unternehmen auch zwei Jahrzehnte später immer noch Bestand hat und sogar internationale Anerkennung genießt, war für den Magdeburger nicht vorhersehbar. Steinforth: „Ich war schon sehr motiviert, einen eigenen Boxstall zu führen und eigene Ideen umzusetzen. Finanzielle Absichten haben dabei im Übrigen nie eine große Rolle gespielt! Dass wir inzwischen so lange schon dabei sind – und glücklicherweise auch noch mit Erfolg – war am Anfang natürlich nicht abzusehen!“ Neben der Unterstützung seiner Ehefrau Peggy, die ihrem Ehemann in all den Jahren den Rücken freihielt, wuchs das SES-Team im Laufe der Jahre an Mitarbeitern – und vor allem an Boxern.
Mit Dirk Dzemski, der heute zu den erfolgreichsten deutschen Boxtrainern zählt, und dem leider schon verstorbenen Rene Monse, startete Ulf Steinforth seine ersten Gehversuche im Profiboxsport. Nach und nach kamen weitere Boxer hinzu. Das „SES-Experiment“ gewann im Laufe der Zeit immer mehr an Bodenhaftung und Potential. Eines Tages stellte sich ein junger Mann vor, den später viele Boxfans unter dem Namen Robert Stieglitz kennen und schätzen lernten. Mit Stieglitz feierte Steinforth seine bisher größten Erfolge. Auch heute noch, kann sich der Promoter sehr gut an die Anfangszeit mit seinem einstigen Musterschüler erinnern: „Robert war von Beginn an immer sehr fleißig und bescheiden!“
„Ich habe immer an Robert Stieglitz geglaubt!“
Nachdem Robert Stieglitz 29 Profikämpfe in Folge gewann, sollte es am 3. März 2007 in Rostock zum bisher größten Coup kommen. Im Kampf gegen den Kolumbianer Alejandro Berrio, um die vakante IBF-Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht, schienen die Sieges-Chancen für Stieglitz und Steinforth so günstig wie nie zu stehen. Stieglitz stand Berrio bereits anderthalb Jahre zuvor gegenüber und gewann vorzeitig. Steinforth: „Es war im Vorfeld nahezu alles perfekt. Ich werde niemals den Moment vergessen, als mich nur wenige Stunden vor dem Kampf eine große deutsche Box-Persönlichkeit anrief und mir zum bevorstehenden WM-Sieg gratulierte. Plötzlich dachte ich ‚Oh, Gott. Das ist kein gutes Omen‘!“
Jene böse Vorahnung sollte sich letztlich bewahrheiten! Stieglitz verlor durch TKO in der dritten Runde. Doch Ulf Steinforth glaubte weiterhin an seinen Boxer. Im August 2009 wurde schließlich der langersehnte Traum vom WM-Titel wahr, als Robert Stieglitz den ungarischen Titelverteidiger Karoly Balzsay in Budapest durch Aufgabe bezwang. Als WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht feierte Stieglitz – unter Steinforth – mehrere erfolgreiche Titelverteidigungen. Bei den deutschen Boxfans besonders im Gedächtnis geblieben, sind die vier Gefechte gegen Arthur Abraham, von denen allein zwei Duelle in der Magdeburger GETEC-Arena stattfanden.
Neben den Erfolgen von Robert Stieglitz, setzten sich auch Jan Zaveck (IBF-Weltmeister im Weltergewicht 2009 bis 2011) und Lukas Konecny (WBO-Interims-Champion im Superweltergewicht) in bedeutenden Titelkämpfen erfolgreich durch. Mit dem Schwergewichtler Francesco Pianeta griff Steinforth – wenn auch vergebens – zweimal nach der WM-Krone in der Königsklasse des Faustkampfes. „Wir tun alles, um unseren Sportlern die bestmöglichen Chancen zu bieten und sie ins Finale zu begleiten. Dass man dabei nicht immer als Sieger hervorgeht, wenn man sich mit den Besten duelliert, liegt nun mal in der Natur des Wettkampfes. Mein Motto lautet: ‚Verlieren gehört zum Gewinnen dazu!'“, sagt Steinforth.
Gewonnen – hat Steinforth mit seinen Boxern jedoch nicht zu knapp! Neben mehreren nationalen und internationalen Erfolgen in der Historie seiner Schützlinge, ragen besonders die EM-Titel von Dominic Bösel, Robin Krasniqi, Stefan Härtel und Agit Kabayel hervor. Auch die Berlinerin Nina Meinke konnte sich unter der SES-Flagge zur Europameisterin im Federgewicht küren.
Die SES-Zukunft: Schwarz, Bösel, Kabayel und Co.!
Mit Schwergewichtler Tom Schwarz, den Steinforth von Beginn seiner Profikarriere begleitete, griff das SES-Team im Juni dieses Jahres nach den Sternen. Gegen Ausnahmeboxer und Ex-Weltmeister Tyson Fury, stand Tom Schwarz im MGM-Grand-Hotel in Las Vegas vor seiner – mit Abstand – bisher größten Herausforderung. Auch wenn der Hallenser nicht über die zweite Runde hinauskam, sieht Ulf Steinforth jene Niederlage als eine Art Horizonterweiterung.
Ulf Steinforth: „Für Tom, der mit seinen 25 Jahren noch sehr jung für einen Schwergewichtler ist, war es eine Riesen-Erfahrung in Las Vegas – dem Mekka des Boxens – in einem Hauptkampf im Ring zu stehen. Nach einer Niederlage stellt sich immer die Frage: Wie geht der Sportler damit um? Die mentale Verarbeitung spielt also eine große Rolle. Wenn man die richtigen Erkenntnisse und Schlüsse zieht, kann eine Niederlage noch hilfreicher sein, als etwa mehrere Siege. Bei Tom habe ich momentan ein gutes Gefühl. Ich gehe davon aus, dass er im nächsten Jahr wieder richtig durchstarten wird!“
Eine ähnlich positive Entwicklung stellt Steinforth auch bei Halbschwergewichtler Dominic Bösel fest. Der 30-jährige Freyburger kassierte im Sommer 2017 gegen Karo Murat, nach großem Kampf, eine TKO-Niederlage in der elften Runde. Nach dem Gewinn des EM-Gürtels und seinen erfolgreichen Titelverteidigungen, u.a. gegen den Berliner Enrico Kölling, brennt Bösel nun auf seine baldige WM-Chance. Am 16. November steigt er in Halle gegen den schwedischen IBO-Champion Sven Fornling in den Ring.
Steinforth: „Dominic hat in den letzten zwei Jahren enorm an Persönlichkeit und Selbstvertrauen gewonnen. Aus der Niederlage gegen Karo Murat hat er sehr viel lernen können. Spätestens nach seinem klaren Sieg gegen Enrico Kölling, hat er mich von seinen boxerischen und mentalen Fähigkeiten überzeugt – zumal viele Experten Dominic nur Außenseiter-Chancen im Vorfeld eingeräumt hatten! Gegen Sven Fornling, der ja bereits Karo Murat bezwingen konnte, steht nun die nächste Herausforderung an. Ich bin optimistisch, dass Dominic – wie auch schon beim Kölling-Fight – einige seiner Kritiker wiederum eines Besseren belehren wird!“
Neben weiteren talentierten Boxern aus dem Hause Steinforth, stehen vor allem die WM-Ambitionen von SES-Schwergewichtler Agit Kabayel besonders günstig. Der 27-jährige Kabayel genießt hervorragende Weltranglistenpositionen. Nachdem man nun eine Zusammenarbeit mit US-Partner Top Rank in die Wege leitete, blickt Steinforth mit Vorfreude auf die Zukunft seines Boxers: „Agit hat schon gegen Dereck Chisora bewiesen, dass mit ihm international zu rechnen ist. Ich bin mir sicher, dass er das Zeug zum Weltmeister hat. Wir arbeiten daran, dass er sein Können bald auch in den USA unter Beweis stellen und seinem Traum vom WM-Titel ein großes Stück näher kommen wird!“
Nach Tragödie um Patrick Day: „Ein gewisses Risiko ist immer gegenwärtig…“
Die Zukunftsplanungen laufen bei Ulf Steinforth und seinem Team also auf Hochtouren. Doch neben den sportlichen Zielen, hat Steinforth auch den jüngsten Schicksalsschlag um den US-Amerikaner Patrick Day, der vor zwei Wochen nach einer Ko-Niederlage ins Koma fiel und anschließend verstarb, zur Kenntnis genommen.
Steinforth: „Es ist immer schlimm, wenn solche Tragödien passieren. Für jeden Veranstalter, Ausrichter oder Trainer ist es wichtig, auch an die Gesundheit des Sportlers zu denken. Natürlich können wir nur froh und dankbar sein, dass wir in Deutschland von derartigen Ereignissen bisher weitestgehend verschont blieben. Dennoch haben wir und der BDB eine Fürsorgepflicht. Dieser gilt es nachzukommen! Besonders wichtig, ist eine gute Beobachtungsgabe durch den Ringrichter oder den Ringarzt. Auch die ärztlichen Voruntersuchungen der Boxer sind nach wie vor von großer Bedeutung, damit auch wir – als Veranstalter – die Gewissheit haben, dass die Sportler gesund sind, wenn sie in den Ring steigen. Sicherlich ist ein gewisses Risiko immer gegenwärtig. Dies trifft allerdings auch auf andere Sportarten zu.“
Auf einen verletzungsfreien und sportlich hochwertigen Kampfabend, hofft Ulf Steinforth nun auch bei der nächsten SES-Gala, die am 16. November in der Messe-Arena in Halle (Saale) stattfinden wird.