Das Schwergewicht gilt seit jeher als die Königsklasse des Boxsports. Von Jack Johnson über Joe Louis, bis hin zu Muhammad Ali und den Klitschko Brüdern: im Reich der schweren Jungs waren schon viele illustre Namen unterwegs, die der Boxgeschichte ihren Stempel aufdrücken konnten. Doch bereits um die Jahrtausendwende erlebte die Gewichtsklasse einen Abstieg, von dem sie sich bisher nicht so recht erholt hat. Zu wenige neue Talente, langweilige Kämpfe und eine durch die Titelflut der Verbände einhergehende Verwässerung des Sports – dies ließ speziell die Fans aus Übersee Abstand nehmen von der einstigen „Glamour Division“. Erst mit der Ankunft des Briten Anthony Joshua änderte sich so einiges. Die Welt schaut wieder auf das Schwergewicht, doch wer sind die neuen Gesichter, die der Gewichtsklasse auch wieder die Qualität geben können, die sie so sehr benötigt?
Im Folgenden möchten wir den Lesern von Boxen1.com die neuen Talente des Schwergewichts präsentieren. Dabei geht es sowohl um frisch im Profibereich angekommene Boxer, als auch um Männer, die schon auf der Schwelle zur Weltspitze stehen, jedoch noch keine WM-Chance erhalten haben. Zudem blicken wir weit voraus auf vielversprechende Amateurboxer, die in Zukunft auch eine Rolle bei den Profis spielen könnten.
Die Briten
Joe Joyce (32 Jahre alt, Kampfrekord: 3-0-0, 3 KOs)
Diese Serie mit Joe Joyce zu starten, steht eigentlich sinnbildlich für das Schwergewicht in der jüngeren Vergangenheit. Wie so viele seiner groß gewachsenen Kollegen fing auch Joyce erst sehr spät mit dem Boxen an. Zunächst war er vor allem in der Leichtathletik aktiv, bevor er im Alter von 22 Jahren das erste mal ein Box-Gym von innen sah. Die hielt ihn jedoch nicht davon ab, im Laufe der Jahre zu einem Top-Amateur zu reifen. Von nationalen Meisterschaften hin zu internationalen Turnieren, wo Joyce in aller Regelmäßigkeit Medaillen mit nach Hause nahm, bewies Joyce seine Siegermentalität.
In den letzten Jahren seiner Amateurkarriere gewann er Gold bei den European- und Commonwealth Games, immerhin Bronze bei einer WM und scheiterte nur knapp und äußerst umstritten im Olympia-Finale am Franzosen Tony Yoka. Mit der Silbermedaille im Gepäck ging es für ihn zu den Profis, wo er unter der Promotion von David Haye bislang drei Kämpfe bestritt. Der 1,98 m große und gut 115 Kilogramm schwere Modellathlet wirkt im Ring etwas steif, unorthodox, ja fast wie ein Roboter, doch seine beeindruckende Beweglichkeit auf den Beinen gepaart mit einer für Schwergewichtsverhältnisse hohen Schlagfrequenz, einem soliden Jab und guter Schlagkraft, lässt schon jetzt positive Schlüsse bezüglich seiner Zukunft ziehen.
Kein Wunder also, dass David Haye seinen Schützling schon in weniger als zwei Wochen gegen Lenroy Thomas um den Commonwealth-Titel boxen lässt. Auch Dereck Chisora hatte man bereits ein Angebot unterbreitet, doch dieser lehnte ab.
Daniel Dubois (20 Jahre alt, Kampfrekord: 7-0-0, 7 KOs)
Einen komplett anderen Weg Schlug hingegen Daniel Dubois ein. Der junge Mann aus London stammt aus einer ohnehin Boxsport verrückten Familie (auch seine jüngeren Geschwister bestreiten bereits Wettbewerbe), weshalb er schon seit frühester Kindheit im Ring steht.
Als Amateur legte er keine vergleichbare Karriere wie Joyce hin, was allerdings auch darin begründet liegt, dass er schon mit zarten 19 Jahren einen Profivertrag bei Frank Warren unterschrieb, wodurch er sich unter anderem die Perspektive auf eine Olympiateilnahme 2020 verbaute. Trotzdem reichte es noch zu Gold bei den nationalen Meisterschaften und einem Sieg beim renommierten Brandenburg Cup, wo er den hoch gehandelten deutschen Peter Kadiru bezwang.
Seit seinem Profidebüt vor gut einem Jahr bewies der breit gebaute Dubois in erster Linie enorme Schlagkraft, was in einigen fürchterlich brutal Knockouts mündete. Seine große Waffe ist zudem der Jab, der teilweise fast Foreman‘esque für Zerstörung sorgt. Dass es trotzdem noch eines gewissen Feinschliffs bedarf, ist offensichtlich. Etwas zu grob und vorhersehbar sind die Attacken von „Dynamite“ noch und auch der Schnellste ist er nicht. Bei einem behutsamen, aber gezielten Aufbau, ist jedoch noch eine Menge drin für den blutjungen Puncher.
Nathan Gorman (21 Jahre alt, Kampfrekord: 12-0-0, 10 KOs)
Etwas im Schatten von Dubois sorgt derweil ein anderes Talent für Aufsehen. Der aus der Traveller-Gemeinschaft in England stammende Nathan Gorman wurde ebenfalls sehr früh Profi, konnte sich aber zunächst abseits des öffentlichen Interesses bei kleineren Veranstaltungen beweisen. Mit Englands ehemaligem Ausnahmeboxer Ricky Hatton in seiner Ecke, ging seine Entwicklung so heimlich, still und leise voran.
Mit seinem mühelosen KO-Erfolg über den jungen Deutschen Mohammed Soltby ließ er erstmals auch ein breiteres Publikum aufhorchen – das Ganze im Rahmenprogramm des Rematches zwischen Liam Smith und Liam Williams. Dabei beeindruckte der über 1,90 m große Gorman mit schnellen Kombinationen und saftigen Körperattacken, die in ihrer methodischen Gewalt schon beinahe an die seines Trainers erinnerten.
Der 21-jährige mag keinen allzu austrainierten Oberkörper besitzen, aber sein Gespür im Ring und seine Bewegungen erscheinen durch und durch natürlich, als besitze er die Art von Kampfinstinkt, die man nur schwer jemandem beibringen kann. Nathan Gorman könnte das „Dark Horse“, der unbekannte Dritte sein, welcher ohne maßlosem Hype an die Spitze klettert.
Weitere Talente aus dem Vereinigten Königreich
Der 30-jährige Nick Webb wartet schon seit längerem auf den großen Durchbruch, doch der entscheidende Kampf, der ihn auf die nächste Stufe heben könnte, blieb bis dato aus. Der hochaufgeschossene Mann aus Chertsey besticht durch seine Physis und Schlagkraft, könnte sowohl in der nationalen als auch europäischen Szene für Furore sorgen. Für ganz oben wird es hingegen eher nicht reichen. Weiter am Anfang stehen die Jungspunde Naylor Ball und Fabio Wardley. Noch eher als gern gesehene Sparringspartner für die etablierten Kräfte im Einsatz, könnte 2018 das Jahr werden, in dem sie erstmals von sich Reden machen.
Talente aus dem Amateurbereich
Das Maß aller Dinge ist dort der 26 Jahre alte Frazer Clarke. Der langjährige Trainingspartner und Kumpel von Anthony Joshua holte erst vor 10 Tagen Gold bei den Commonwealth Games und gilt perspektivisch als einer der Topfavoriten auf den Olympiasieg in zwei Jahren. In der semi-professionellen World Series of Boxing vom Weltverband AIBA verlor Clarke bisher keinen einzigen Kampf und begeistert das Publium immer wieder mit krachenden Knockouts.
Gleich hinter ihm steht Solomon Dacres, ein Ex-Rugbyspieler, welcher seit einiger Zeit auch als Boxer glänzt. Bei den GB Boxing Championships 2016 unterlag er noch knapp Daniel Dubois, dafür gewann er ein Jahr später die England Boxing Elite National Championships und trat ebenfalls erfolgreich in der World Series of Boxing an. Dacres bringt vor allem physisch alles mit, um bei den Profis erfolgreich zu sein.
Morgen geht es weiter mit Teil 2. Dabei wird es um die neuen Gesichter Ost-Europas gehen. Seid gespannt!