Anfang dieser Woche traf ich den bisher ungeschlagenen Ahmad Ali (14-0-1, 10 KOs) zum Gespräch. Außerdem mit dabei waren sein Manager, Rainer Gottwald von TS FIGHT-SPORTMANAGEMENT, sowie sein Trainer, der ehemalige Amateurweltmeister, Zoltan Lunka.
Am späten Nachmittag betrete ich das Gym des Boxclub Eggenstein in der Nähe von Karlsruhe. Ahmad Ali steckt noch mitten in seiner Trainingseinheit. Der „Pretty Boy“ aus Ludwigshafen am Rhein bearbeitet gerade den Sandsack. Dem folgen eine Runde Seilspringen im Ring sowie einigen Minuten am Speedball. Ali trägt ein graues T-Shirt auf dessen Front der Schriftzug des legendären „Wild Card Gym“ von Trainerlegende Freddy Roach zu lesen ist. Auf dem Rückweg prangern die groß angelegten Buchstaben M und C – die sich zum Logo des mehrfach-Weltmeisters Miguel Angel Cotto verbinden. Der Puerto-Ricaner feierte einige seiner großen Erfolge im Halbmittelgewicht, der Gewichtsklasse, in der auch Ali seit kurzem zu Hause ist.
Wenige Minuten nachdem der junge Mann mit dem Schulbubengrinsen (worauf wohl auch der Zusatz „Pretty Boy“ zurückzuführen ist) seine Trainingseinheit beendet hat, sitzen wir, gemeinsam mit Manager und Trainer an einem Tisch im Hinterzimmer des Gyms. In der folgenden Stunde erlebe ich einen äußerst sympathischen aber auch ambitionierten Ahmad Ali. Im Folgend, das Ergebnis dieses Gesprächs:
Du hast schon früh mit dem Boxen begonnen. Wie bist du dazu gekommen?
Ahmad Ali: Ich war damals neun Jahre alt und mein älterer Bruder, Wissam, ging regelmäßig zum Boxtraining. Neugierig, wie man als kleiner Bruder so ist, wollte ich immer mitkommen und habe ihn genervt „nimm mich mit, nimm mich doch mal mit…“ – er wollte zwar nicht so wirklich aber als sich meine Mutter irgendwann eingeschaltet hat, gab er doch nach. Sie sagte ihm, er solle mich doch einfach nur einmal mitnehmen und dass ich nach dem ersten Training sowieso keine Lust mehr haben würde. In diesem Fall lag meine Mutter allerdings deutlich daneben. Nach meiner ersten Trainingseinheit wollte ich nämlich erst recht wieder und wieder zum Boxen. So kam es dann, dass ich im Alter von zehn Jahren meinen ersten Kampf gemacht habe und seit dem, mit allen Höhen und Tiefen, bis heute beim Boxsport geblieben bin.
Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit? Wie sah deine Welt damals aus? Was hat dich besonders geprägt?
Ahmad Ali: Besonders geprägt hat mich damals mein Trainer, Ludwig Braus, der wie ein zweiter Vater für mich war. Er hat mir viel über das Boxen beigebracht und mich, bis ich Profi wurde unter seine Fittiche genommen. Er hat mir vieles mit auf den Weg gegeben, nicht nur was das boxerische angeht. Es war ihm wichtig, dass ich mich auch außerhalb des Sports weiterentwickle, eine Ausbildung mache und so weiter. Er hat immer gesagt: „es gibt auch ein Leben nach dem Boxen“. Ich denke seiner war der richtige Weg. Ich habe also eine Ausbildung bei Mercedes Benz begonnen und abgeschlossen, einen Festvertrag bekommen und bin bis heute dort angestellt – jetzt aber nur noch in Teilzeit damit ich mehr Zeit fürs Training habe.
Neben dem Boxsport habe ich auch lange im Fußballverein gespielt und mich erst als ich 15 Jahre alt war ganz für das Boxen entschieden. Der ausschlaggebende Punkt war ein verlorenes Fußballspiel. Weil ich es hasse zu verlieren, war ich nach dem Spiel richtig wütend und habe mich in der Umkleidekabine furchtbar aufgeregt. Alle anderen haben die Niederlage völlig gelassen genommen womit ich überhaupt nicht klar kam. In diesem Moment habe ich beschlossen mich nur noch auf den Boxsport zu konzentrieren wo ich alleine für mich verantwortlich bin und nur meine eigene Leistung über Sieg oder Niederlage entscheidet.
Wie lange hat es gedauert, bzw. wann hast du gemerkt, dass du ein Talent für das Boxen hast?
Ahmad Ali: Selbst habe ich das nicht gemerkt. Von vielen anderen habe ich immer gehört „ Talent hier, Talent da…“ – als kleiner Junge begreift man das aber nicht wicht wirklich. Mein Amateurtrainer hat immer gesagt: „du fauler Hund/du fauler Sack, wenn du dich nur ein bisschen am Riemen reißen würdest, könntest du noch viel mehr erreichen…“ oder „…wenn du deinen Arsch nur mal hochkriegen und richtig diszipliniert Trainieren würdest, würdest du schon sehen“ – Leider hat es bei mir aber erst „klick“ gemacht nachdem er verstorben ist. Als ich dann angefangen habe anders, intensiver zu trainieren und gesehen wie viel mehr ich aus mir herausholen konnte , habe ich auch gemerkt, dass an den Dingen die mein Trainer immer gesagt hatte, wirklich etwas dran war.
Einen weiteren Schub gab es mit meinem jetzigen Trainer, Zoltan Lunka. Ich kannte ihn bereits aus dem Amateurbereich als Nationaltrainer und habe darauf bestanden von ihm trainiert zu werden. Glücklicherweise hat mein Manager mir diesen Wunsch erfüllen können. Alle, die meine Karriere ein bisschen verfolgen, sehen auch die Fortschritte in den letzten drei Kämpfen.
Wenn du gerade schon über deinen „neuen“ Trainer sprichst; was wären ein paar Punkte die das Training bei ihm besonders machen und in was unterscheidet er sich am meisten von deinen vorherigen Trainern?
Ahmad Ali: Struktur! Also richtige Trainingsplanung, die er an seine jeweiligen Sportler anpasst. Er geht ganz individuell auf seine Boxer ein und weiß, wie er mit wem reden muss. Die Dinge, die er zu Vince (Feigenbutz) sagt, sind, zum Beispiel ganz andere als die, die er zu mir sagt.
Das Verhältnis zu meinem Trainer war mir schon immer sehr wichtig. Wir haben viel Spaß nd können viel zusammen lachen. Wenn es aber Zeit ist zu trainieren, hat er die sofort die nötige Ernsthaftigkeit und weiß auch wie er sie mir vermittelt.
Auch was das Mentale angeht, hat er mir schon viel beigebracht…
Ahmad hält kurz inne und fährt dann fort:
Wenn ich ehrlich bin, war ich noch kein einziges Mal wirklich top-fit, wenn ich in den Ring gestiegen bin. Ich habe das nie groß in die Öffentlichkeit getragen aber zum Beispiel bin ich gegen Aro Schwartz mit einer Rippenprellung in den Kampf gegangen. Ein zwölf Runden Kampf gegen einen Mann der ständig nach vorne geht und immer Druck macht, ist mit so einer Verletzung nicht ganz einfach. Mein Trainer hat mich während dem Kampf ständig mental bearbeitet, mir eingeredet, dass da überhaupt keine Verletzung ist und dass wir das Ding gewinnen werden, was dann ja auch so war.
Ich denke, es ist offensichtlich, dass er seine Qualitäten als Trainer hat. Er wäre sonst nicht über so viele Jahre so erfolgreich im Amateurbereich gewesen. Ich habe seine Arbeit schon als Kind verfolgt und meinem Manager gesagt: Wenn ich große Kämpfe machen soll, dann nur mit Zoltan Lunka in meiner Ecke!
Du bist jetzt seit genau zweieinhalb Jahren Profi. Bevor man sich zu diesem Schritt entscheidet, hat man gewisse Vorstellungen davon, was es heißt Profiboxer zu sein. Genauso geht man mit bestimmten Erwartungen in diese Situation.
Was sind die größten Unterschiede zwischen dem was du dir vorher ausgemalt hast und der Realität dieses Geschäfts?
Wirklich viel habe ich mir da vorher gar nicht ausgemalt. Ich dachte nur: „Profiboxer“ usw. hört sich schön an. Was da alles dahinter steckt, wie viel Arbeit man investieren muss – das habe ich erst später gemerkt.
Ich wollte es am Anfang auch eigentlich erst in Amerika versuchen. Nach meiner Amateurlaufbahn, habe ich den Boxsport eine Zeitlang nur als Hobby gesehen. Über einen guten Freund wurde es mir dann ermöglicht eine Zeit in Los Angeles zu verbringen, wo ich unter anderen, mit Denis Lebedev bei Freddy Roach trainieren durfte. Ich habe dort mit Leuten zum Sparring im Ring gestanden die zu diesem Zeitpunkt, bei allen großen Verbänden in den Top-2 oder -3 gelistet waren. Ich war da zwar körperlich nicht in der besten Form, habe aber festgestellt, dass ich boxerisch mit diesen Leuten mithalten kann.
Dadurch kam auch die Motivation Profi zu werden wieder zurück.
Das ich nicht in den USA geblieben bin, lag vor allem daran, dass mein Vater krank wurde und ich in dieser Situation nicht so weit entfernt sein wollte.
Als ich wieder in Deutschland war, hat mir mein jetziger Manager, Rainer (Gottwald), ein paar Runden Sparring mit Leon Bauer ermöglicht. Rainer war damals noch bei Fächer-Sport-Management und man hat mir gesagt, dass er dort für das Management zuständig sei, obwohl das gar nicht mehr so war. Ich habe überhaupt erst den Vertrag mit Fächer unterschrieben, weil ich mit Rainer zusammenarbeiten wollte…
Im Nachhinein hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich aus dem Vertrag wieder draußen war.
Über solche Die oder auch wie viel Arbeit im Management dahinter steckt, habe ich mir, bevor ich Profi geworden bi überhaupt keine Gedanken gemacht.
Eine weitere unschöne Sache sind wohl die ständigen Verletzungen. Du hast von deinen zwei- ein halb Jahren als Profi schon sechs Monate Verletzungsbedingt pausieren (Ali hatte sich im vergangenen Jahr das Sprunggelenk gebrochen) müssen…
Rainer Gottwald übernimmt mit einem Stöhnen das Wort, während Ahmad ihm grinsend gegenüber sitzt:
Seine Schwester hat uns da angerufen. Er hat sich gar nicht getraut. Ich dachte erst sie will uns verarschen…
Ahmad Ali:: und das zwei Wochen vor dem WM-Kampf im Wildparkstadion…
Zoltan Lunka: Da waren wir bei der Vorbereitung noch mitten im Sparring. Samstags ist es passiert und am Freitag habe ich ihm nach dem Sparring noch gesagt er soll am Wochenende nur locker Laufen damit er Montag/Dienstag wieder fit fürs Sparring ist. Auf jeden Fall bekomme ich einen Anruf von Rainer, der mir sagt, dass Ahmad sich beim Fußballspielen das Bein gebrochen hat. Ich dachte nur: warum spielt der Fußball? Ich habe doch gesagt er soll nur locker Laufen gehen.
Ahmad Ali: Die Verletzung hat mich viel Zeit gekostet. Es ist aber trotzdem verhältnismäßig schnell verheilt und ich stand 3 Monate später wieder zum Training im Ring. Trainiert habe ich aber schon nach zwei Wochen wieder. Bei meinem Trainer gibt es nämlich keine Verletzungspausen. Mir hat er einen Stuhl hingestellt und mich im sitzen 12 Runden Gerätearbeit machen lassen…
Jetzt bist du ja zum Glück wieder fit. Gibt es schon konkrete Planungen zum nächsten Kampf?
(Ahmad verweist auf seinen Manager der die Antwort übernimmt)
Rainer Gottwald: Es stehen gerade Verhandlungen wegen einem Promotion-Vertrag bei Sauerland an. Die ursprüngliche Idee war es gegen Jonathan Jose Eniz zu boxen. Den Argentinier, der zuletzt Deniz Ilbay geschlagen und den Inter-Conti-Titel der IBO gewonnen hat. Das wäre ein starker Mann der in Deutschland kein unbekannter ist und wir könnten zudem den IBO Gürtel mitnehmen. Das alles würde dazu beitragen, einen späteren Kampf gegen einen Top-Mann aus Deutschland größer zu machen. Allerdings müsste Ahmad dafür runter ins Welter- oder der Argentinier hoch ins Super-Weltergewicht. Momentan sind die Wunschkandidaten auf Seiten Sauerlands aber Angelo Frank oder Arman Torosyan.
Ahmad Ali: Noch laufen die Gespräche, wir hoffen aber den nächsten Kampf im Juni oder im Juli zu machen.
Abgesehen davon ob ein Kampf jetzt im Juni oder auch im Juli stattfindet, wie sehen die langfristigen Ziele aus? Gibt es irgendwelche „Traumgegner“?
Ahmad Ali: Im Juli geht es für Sebastian Formella um den WM-Gürtel der IBO. Wenn er sich den Titel holt, wäre das sicherlich ein interessanter Kampf für uns aber vor allem für das deutsche Publikum. Ich denke, ich hätte auch mit dem Gewicht keine Probleme und könnte runter ins Weltergewicht.
Das langfristige Ziel ist aber natürlich die ganz große internationale Bühne – die großen Events machen und am besten mehrere WM-Titel gewinnen. Ich denke aber wichtiger als die ganzen Titel ist es heutzutage welche Kämpfe man gemacht und mit wem man im Ring gestanden hat. Traumgegner wären deshalb die Art Boxer, die selbst schon einen Legendenstatus erreicht haben, wie ein Manny Pacquiao zum Beispiel.
Finanzielle Aspekte spielen selbstverständlich auch eine Rolle. Vor allem wenn man bedenkt, wie viel man für den Sport geopfert hat und weiterhin opfert. Für mich sind es jetzt schon zwanzig Jahre. Wenn andere Kinder in den Ferien in Urlaub gefahren sind, war ich im Training. Wenn andere den Sommer im Schwimmbad verbringen, bin ich morgens im Training, ruhe mich mittags kurz aus, bevor es dann zur nächsten Trainingseinheit geht. Leider sehen die wenigsten was wir als Boxer alles opfern. Klar, zwingt einen niemand dazu aber trotzdem möchte man sich irgendwann für die harte Arbeit belohnen und sich im besten Fall selbst einen großen Namen machen.
Na ja, mit Ali, habe ich den großen Namen ja eigentlich schon – sagt Ahmad zum Ende des Gesprächs und lacht.