Heimsieg der NSV-Staffel nach einem Drama in sieben Akten
Autorin: Sandra Arm / Fotos: Christoph Keil
Stunden voller Spannung, Minuten voller Dramatik: Der Heimkampf zwischen dem Box-Bundesligisten Nordhäuser SV (NSV) und dem Liga-Neuling BC BigBoard Prag am Samstagabend in der Ballspielhalle hatte es in sich. Es gab ein Drama in sieben Akten und am Ende in der NSV-Staffel einen glücklichen Sieger. Wie schon zum Saisonauftakt in Prag brachte erst der letzte Kampf des Abends die Entscheidung. Der polnische Neuzugang Michal Olas sorgte im Superschwergewicht für den vielumjubelten 11:10-Erfolg. Mit dem zweiten Saisontriumph halten die Nordhäuser nun weiterhin Kontakt zur Tabellenspitze.
„Diesen Film habe ich doch schon einmal gesehen“, muss es NSV-Cheftrainer Andreas Dietrich-Scherfling mehrfach durch den Kopf geschossen sein. Die Erinnerungen an den Saisonauftakt in Prag waren angesichts der neuerlichen Entwicklungen – nun im Heimring – allgegenwärtig. „Wir wussten, dass es der gleiche schwere Gang wie in Prag werden wird und wir keinen der gegnerischen Sportler unterschätzen dürfen. So wie wir es zu Beginn vermutet hatten, so schwer haben es uns die Prager auch gemacht“, blickte Dietrich-Scherfling auf das nervenaufreibende Geschehen zurück. Geliebäugelt hatten die NSV-Verantwortlichen dennoch mit dem einen oder anderen kleinen Punkt mehr. Schließlich wollte man den Anschluss zum SV Motor Babelsberg, der sich mit zwei souveränen Siegen gegen den BSK Seelze an die Tabellenspitze setzte, nicht verlieren.
Die Jagd nach den kleinen Punkten erlitt bereits in den ersten beiden Duellen einen gehörigen Dämpfer. Im Bantamgewicht erhielt erneut Erik Sokolov das Vertrauen der NSV-Verantwortlichen. Auf der gegnerischen Seite hatte man im Vergleich zum Auftaktkampf mit Viliam Tanko einen Wechsel vollzogen. „Ich war glücklich als ich sah, dass nicht der gleiche Gegner wie in Prag gekommen war. Der damalige Gegner war schon einen Nummer schärfer“, zeigte sich der NSV-Cheftrainer zunächst erleichtert. Ob der Wechsel allerdings ein schlechtes oder guten Omen darstellen sollte, zeigte sich erst nach den drei Ringrunden. Dietrich-Scherfling haderte bei seinem Schützling etwas mit dem Kampfstil: „Bei Erik sind Defizite in der Deckung sichtbar, er agiert zu leichtsinnig. Auch seine Haken, die er schlug, flogen vorbei. Das Kampfverhalten kostete natürlich ordentlich Körner, die am Ende vielleicht zum Sieg fehlten.“
Während Sokolov über drei Runden ging, kam Tobias Tatai im Leichtgewicht nicht über die erste Runde hinaus. Der Dauerbrenner im NSV-Dress hatte sich viel für den Wettkampf vorgenommen. Seine gesamte Körpersprache signalisierte Entschlossenheit. Die Revanche für die zuvor in Prag erlittene Niederlage gegen Michal Zátorský blieb dennoch aus. So kam es nach der Hälfte der ersten Runde zu einer Situation, die Dietrich-Scherfling wie folgt beschrieb: „Ich hatte das Gefühl, Tobias kommt immer besser in den Kampf. Mir war so, als ob ich irgendwann ein Stopp vom Ringrichter gehört habe. Tobias war ins Stolpern geraten und in dem Moment kommt der Kopfstoß des Gegners auf seinen Hinterkopf.“ Tatai wurde angezählt und versuchte sich mit den Fäusten mehrfach vom Boden hoch zu hieven, aber vergeblich. Der Punkt ging erneut an die Gäste aus Prag, die nun mit 9:7 führten.
Nun standen die Nordhäuser abermals frühzeitig unter Zugzwang. In Prag war es dann Kastriot Sopa im Halbweltergewicht, der die Wende einleitete. Sollte ihm das nun vor dem euphorischen Heimpublikum erneut gelingen? Der von Dietrich-Scherfling auserkorene Kapitän wurde dieser Rolle mehr als gerecht. „Mit seiner Art zu boxen, stellt er für mich gegenüber der Mannschaft ein Vorbild dar“, begründete der Cheftrainer die Entscheidung. Und erneut enttäuschte Sopa die Erwartungen nicht, er überzeugte gegen Stepán Pitra und verkürzte zum 8:9.
Nach der 20-minütigen Pause warteten auf das Publikum zwei Debütanten im NSV-Dress sowie ein polnischer Doppelpack. Die NSV-Verantwortlichen hatten gerade in den oberen vier Gewichtsklassen im Vorfeld eine Mammutaufgabe vor sich. Mit Balács Bacskai (Weltergewicht) und Leon Bunn (Halbschwergewicht) fehlten zwei wichtige Stützen aufgrund ihres internationalen Einsatzes beim Turnier um den Goldenen Handschuh im finnischen Tampere. Superschwergewichtler Vladimir Ivanov musste ebenfalls passen, er boxte um den russischen Meistertitel. Man fand sogleich gleichwertigen Ersatz – und mit Slawa Kerber (Weltergewicht) und Denis Radovan (Mittelgewicht), er ersetzte den in Prag etwas glücklos agierenden Youngster Ibrahima Diallo, zwei Debütanten im Team. Allerdings standen beide schon in der Meistersaison im Kader des NSV, aber aufgrund von Verletzungen und Abstellungen vom DBV kam ein Einsatz nie zustande. Nun also die Premieren, die beide „recht ordentlich lösten“. Sie brachten den NSV zurück in die Erfolgsspur. Mit einer knappen 10:9-Führung für den Titelverteidiger ging es nun in die beiden abschließenden Kämpfe.
„Bis zu diesem Stand lief es eigentlich nach meinen Erwartungen und dann entwickelte sich erneut eine Zitterpartie“, sagte Dietrich-Scherfling, der auf die Entscheidung im Halbschwergewicht anspielte. Das Drama nahm seinen Lauf, als nach einer knappen Entscheidung Mateusz Tryc den Ring als Verlierer verließ. Der Pole lieferte sich gegen Matus Strinisko einen offenen Schlagabtausch und zeigte sich im Ring etwas präsenter. Ein Urteil, mit dem der NSV-Trainer gehörig haderte: „Für mich hatte Mateusz mehr vom Kampf. Er agierte, während sein Gegner nur reagierte.“ Es passte wiederum zur Dramaturgie des Abends, dass es abschließend auch Michal Olas gegen Daniel Táborsky (Prag) lange spannend machte. Olas wusste sich von Runde zu Runde zu steigern. Der 26-Jährige zündete in der dritten und letzten Runde das erhoffte Feuerwerk und setzte die entscheidenden Treffer zum Einzel- und Mannschaftssieg.
Nach zwei regelrechten Nervenkrimis zum Auftakt in die Boxsaison erwartet den NSV am 19. Dezember den nächsten. Der Tabellenführer SV Motor Babelsberg wird wenige Tage vor dem Weihnachtsfest in der Ballspielhalle gastieren. „Wir müssen uns definitiv auf einen Krimi einstellen. Die grobe Aufstellung haben wir schon im Kopf“, blickte Dietrich-Scherfling voraus. Stunden voller Spannung, Minuten voller Dramatik sind also bereits vorprogrammiert.