
WBF-Weltmeisterschaft (v.l.): Orlen Padilla (COL), Chris Rösen und Angelo „Europa“ Frank (GER)
© Torsten Helmke
Die World Boxing Federation will talentierten Boxern und engagierten Promotern eine Bühne geben, die nicht im grellen Rampenlicht stehen. Ein Gespräch mit dem offiziellen Repräsentanten der WBF, Christian Rösen.
„WBF versteht sich als Alternative zu großen, oft schwer zugänglichen Verbänden“
Die World Boxing Federation (WBF) ist ein vergleichsweise junger Weltverband. Was war die Motivation für die Gründung?
Die WBF wurde 1988 in den USA gegründet. Der erste offiziell anerkannte WBF-Titelkampf fand im November 1990 in England statt. Ziel des Gründers war es, einen fairen, unpolitischen Weltverband zu schaffen, der den Sport in den Mittelpunkt stellt und vor allem talentierten, aber bislang wenig beachteten Boxern eine Bühne bietet – unabhängig von großen Namen oder wirtschaftlicher Macht.
Welche Rolle haben Sie dabei innerhalb der WBF?
Ich bin offizieller Repräsentant der WBF weltweit und betreue unter anderem die Kommunikation mit Veranstaltern, Promotern, Medien und Managern sowie die Koordination nationaler Titelkämpfe.
Also, wenig bekannte Boxer, wenig bekannte Matchmaker, sie sollen eine Plattform bei der WBF erhalten – gewissermaßen ein Verbandsideal, ein Verbandskonzept?
Ja, absolut. Die WBF bleibt dieser Philosophie treu. Wir möchten nicht nur Spitzensport fördern, sondern auch den Unterbau des Profiboxens stärken – mit transparenten Regeln und einer realistischen Chance auf Titelkämpfe für talentierte Athleten und engagierte Veranstalter.
WBF-Weltmeisterschaft: Freddy Kiwitt (GER) – Evander Castillo (VEN)
© Torsten Helmke
Wie ging es nach dem ersten Titel-Fight 1990 weiter, etwa mit dem organisatorischen Aufbau, der wettkampfsportlichen Entwicklung?
Über die Jahre entwickelte sich der Verband international weiter, mit einer zunehmenden Anzahl von Titelkämpfen auf allen Kontinenten. Die Organisation wurde internationaler, mit Vertretungen in Europa, Afrika, Asien und den USA.
Aber bereits 1998 gab es einen Inhaberwechsel – und 2004 soll es nach einem Rechtsstreit eine sogenannte Übergangszeit gegeben haben, ein „Interregnum“. Was war der Hintergrund?
1998 kam es zu strukturellen Veränderungen innerhalb des Verbandes, und 2004 führte ein juristischer Konflikt zu einer vorübergehenden organisatorischen Unsicherheit. Diese Übergangsphase wurde jedoch 2009 durch eine Neustrukturierung und Neuausrichtung erfolgreich beendet.
Worin bestand die „vorübergehende organisatorische Unsicherheit“? Zumal aus dem Konflikt zwei Verbände mit dem Akronym „WBF“ hervorgegangen sind, die sich in der Tradition des 1988 gegründeten Verbands sehen…
Diese sogenannte WBF-Foundation steht in keinerlei Verbindung zur heutigen WBF, also der World Boxing Federation, die weltweit aktiv ist und sich sportlich wie organisatorisch stetig weiterentwickelt. Die Trennung der beiden Gruppierungen erfolgte seinerzeit aufgrund unterschiedlicher strategischer Auffassungen der damaligen Führungspersönlichkeiten – ein Prozess, wie er in der Geschäftswelt nicht unüblich ist.
WBF-Weltmeisterschaft (v.l.): Orlen Padilla (COL), Chris Rösen und Angelo „Europa“ Frank (GER)
© Torsten Helmke
Ja, fraglos, und 2009 erfolgte eine Art Wiederbelebung der WBF, mit welchem Ziel?
Die Wiederbelebung erfolgte unter neuer Führung, mit dem Ziel, einen sauberen, sportlich orientierten Neustart zu schaffen. Seither legt die WBF großen Wert auf Transparenz, Fairness und die Förderung des Boxsports auf breiter Basis.
Nur, es gibt bekanntlich bereits eine Vielzahl von Weltverbänden im Profi-Boxen, zahlreiche Boxsportfreunde haben längst den Überblick verloren, wünschen sich nicht mehr, sondern weniger Verbände, weniger Titel und Gürtel. Warum braucht es die WBF?
Die WBF versteht sich als Alternative zu den großen, oft schwer zugänglichen Verbänden. Unser Fokus liegt auf fairen Titelkämpfen, nachvollziehbaren Strukturen und einem klaren sportlichen Fokus. Gerade kleinere Promoter und talentierte Boxer finden bei uns oft Möglichkeiten, die ihnen anderswo verwehrt bleiben.
Neben der Anzahl der Weltverbände ist die Anzahl der Champion-Titel strittig. Welche Titel boxt die WBF aus?
Die WBF vergibt Weltmeistertitel in allen Gewichtsklassen, dazu Kontinental-Titel, beispielsweise Intercontinental- und International-Titel, sowie nationale Titel. Dabei achten wir darauf, keine Titelinflation zu erzeugen und den sportlichen Wert eines Gürtels hochzuhalten.
Im August vergangenen Jahres ist bekannt geworden, dass BoxRec die WBA aus der Datenbank verbannt hat. Seitdem sieht man WBA-Titelkämpfe nur noch. wenn man einen BoxRec-Account hat. Stattdessen werden nun aber die Wettkämpfe der WBF statistisch erfasst und gewertet. Ein Renommee-Gewinn für Ihren Verband?
Ja, das war für uns ein deutliches Signal und eine Anerkennung für die kontinuierliche Arbeit der letzten Jahre. Die Aufnahme in die BoxRec-Datenbank stärkt unsere Sichtbarkeit und erhöht die sportliche Relevanz unserer Kämpfe deutlich. Laut Wikipedia gehört die WBF zu den bedeutenden Verbänden. Eine Einordnung, die führende Vertreter aus der Boxwelt teilen.
WBF-Weltmeisterschaft: Shefat Isufi (GER) – Grigor Saruhanian (BUL), Alexander Petkovic
© Torsten Helmke
Und welche Bedeutung hat das professionelle Boxen von Frauen für die WBF?
Frauenboxen hat bei der WBF einen hohen Stellenwert. Wir fördern gezielt Titelkämpfe für Frauen und unterstützen die Entwicklung dieses Bereichs mit derselben Ernsthaftigkeit und Strukturiertheit wie im Männerbereich. Gerade hier stehen große Namen wie Clarissa Shields und Fai Phannarei Nestiri auf unserer Champions-Liste.
Was steht seitens der WBF in diesem Jahr an Highlights an, welche weitere Entwicklung soll der Verband nehmen?
2025 stehen mehrere hochkarätige Titelkämpfe in Europa, Afrika und Asien an. Wir möchten weiter international wachsen, insbesondere in Märkten wie dem Nahen Osten und Lateinamerika. Gleichzeitig arbeiten wir daran, junge Talente frühzeitig zu fördern und den Promotern ein zuverlässiger Partner zu sein.
Zur Einordnung der WBF: Im Oktober letzten Jahres fand ein Kampf um den Mittelgewichtstitel der WBF statt. Dabei standen sich gegenüber Angelo Frank, ein deutscher Boxer der 5 Jahre lang nicht mehr im Ring gestanden hatte (aber ohne Probleme mal eben zu einer „WM“ von der WBF zugelassen wurde) und ein 39 Jahre alter Columbianer mit Namen Orlen Padilla, ein Boxer den man bestenfalls als „Aufbaugegner“ bezeichnen kann, der nicht mal in der Top 500 der Weltrangliste aufzufinden ist. Und die WBF hat kein Problem damit dies als „Weltmeisterschaft im Mittelgewicht“ zu bezeichnen. DAS ist der Wert der WBF!!!!