Das Urteil beim Weltmeisterschaftskampf in Falkensee hat Diskussionspotenzial. Die amerikanische Seite fühlt sich betrogen.
Die große Weltmeisterschaft in Falkensee ist schon eine Woche her, dennoch ist sie in aller Munde. Im hochklassigen und international relevanten Hauptkampf trafen in der Stadthalle Falkensee William Scull (23-0) und Vladimir Shishkin (16-1) um den vakanten IBF-Titel im Supermittelgewicht aufeinander. Es wurde der Nachfolger von keinem Geringeren als Boxsuperstar Saul „Canelo“ Alvarez (62-2-2) gekürt, wobei AGON-Sports-Schützling William Scull das einstimmige Punkturteil (116-112, 116-113 und 115-113) zugesprochen bekam. Die Reaktionen auf diesen großen Sieg fielen gemischt aus. Während auf der einen Seite der Jubel groß war, war auf der anderen Seite die Enttäuschung umso größer. Auch mehrten sich zahlreiche Stimmen, die das Urteil kritisch beäugten. Vor einigen Tagen gab der Promoter von Shishkin bekannt, dass er das Punkturteil anfechten wird.
Dmitriy Salita legt Revision ein – welche Chancen sind realistisch?
Die Meinungen zum Kampf fielen durchaus gemischt aus. Vor Ort zeigte sich ein Duell, das sehr taktisch geprägt war und nicht gerade voller Highlights strotzte. Teilweise waren nur wenige Treffer pro Runde zu beobachten, wodurch auch wirklich jede einzelne Aktion über Sieg oder Niederlage der Runde entscheiden konnte. Es war einer dieser Kämpfe, bei dem man durchaus froh sein konnte, nicht selbst am Ring entscheiden zu müssen. Am Ende fanden sich drei Punktrichter, die ein entsprechendes Urteil fällten, das einstimmig an Scull ging. Dem kann man vielleicht zustimmen – oder auch nicht.
Die amerikanische Seite empfand den Punktsieg für Scull als indiskutabel. Dmitriy Salita, der Promoter von Shishkin, konnte auch Tage nach dem Kampf das Urteil nicht akzeptieren. Er hat daraufhin Berufung eingelegt und möchte die Niederlage juristisch anfechten. Boxen1 bekam die Gelegenheit, sich mit Salita auszutauschen, der seine Entscheidung wie folgt begründet: „The numbers don’t lie. According to CompuBox, Vladimir threw and landed almost twice as many punches as William Scull. It was a very technical fight between two skilled boxers, but I, as well as most watching the fight, believe that Vladimir won the fight!“ | Übersetzung: „Die Zahlen lügen nicht. Laut CompuBox hat Vladimir fast doppelt so viele Schläge wie William Scull geschlagen und getroffen. Es war ein sehr technischer Kampf zwischen zwei talentierten Boxern, aber ich – wie auch die meisten Zuschauer – bin der Meinung, dass Vladimir den Kampf gewonnen hat!“
Ein Punktrichter gab sogar die letzte Runde an Scull
Nun gab es in der Vergangenheit schon etliche enge Kämpfe, bei denen sich die unterlegene Seite betrogen fühlte. Man erinnere sich an das Rematch zwischen Robin Krasniqi (54-7) und Dominic Bösel (32-3) im Oktober 2021, bei dem Krasniqi knapp nach Punkten unterlag und seinen IBO-Titel im Halbschwergewicht verlor. Im Nachgang gab es hitzige Diskussionen: Krasniqi fühlte sich betrogen und investierte große Summen, um das Urteil juristisch zu kippen. Am Ende resultierten daraus lediglich zahlreiche Anschuldigungen – dem BDB wurde von Krasniqi beispielsweise eine „Watergate-Affäre“ unterstellt –, doch das Urteil blieb bestehen, und Krasniqi veranstaltet fortan nach alter Sauerland-Tradition bei den Österreichern (Austrian Boxing Federation).
Entsprechend gering scheinen die Aussichten für Salita Promotions und Shishkin, das Urteil ernsthaft zu ändern. Der Kampf war zu eng, als dass man von einem klaren Fehlurteil sprechen müsste, was vermutlich Voraussetzung für eine Änderung wäre. Dennoch wirft so manche Wertung natürlich Fragen auf. Zum Beispiel die Scorecard von Punktrichter René Fiebig, der tatsächlich die letzte Runde an Scull wertete, obwohl der Kubaner in dieser wackelte und danach nur noch auf Abstand ging.
Zur Einordnung des Urteils im internationalen Kontext: Die renommierten Boxseiten Bad Left Hook (116-112) und BoxingScene (115-114) sahen jeweils Scull vorne und unterstützen somit das Urteil.
100% Betrug. Wie immer Pütz überall.