VERGESSENE BOX-STARS: Die tragische Story des Gerald McClellan!

Sie waren die Stars ihrer Zeit: Boxer, Fighter – Champions. Dennoch droht das Vergessenwerden! In der BOXEN1-Reihe „VERGESSENE BOX-STARS“ blicken wir auf frühere Helden des Seilgevierts zurück, die noch zur Gegenwart gehören – aber von der Vergangenheit leben. HEUTE: Die tragische Geschichte des Gerald McClellan!

Gerald McClellan: Von Mike Tyson bewundert – von Spitzenboxern gefürchtet!

„Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben“, heißt es im allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Boxsport hat in seiner langen Historie viele Storys zu bieten. Allerdings lässt sich in der Welt des Faustkampfes eine gewisse Tragik kaum vermeiden, wenn von einem Boxerleben berichtet wird. Besonders im Fall von Gerald McClellan spielt das tragische Element eine bedeutende Rolle.

Wirklich „tragisch“ endete es zunächst jedoch nur für die meisten Gegner von Gerald McClellan! Bereits als Amateur feierte der 1967 in Freeport (Illinois, USA) geborene McClellan beachtliche Erfolge. Nach Siegen gegen Roy Jones Jr. und Michael Moorer, wurde der 1,83 Meter große Linksausleger als heißer Favorit für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul gehandelt. Nachdem die Teilnahme bei Olympia scheiterte, wurde McClellan kurzerhand Profi.

Gerald McClellan (Kampfbilanz: 31-3-0, 29 Ko’s) holte sich in seiner Profikarriere die WM-Titel der Verbände WBO und WBC. Im Jahr 2007 wurde er in die „World Boxing Hall of Fame“ aufgenommen.

Im August 1988 gab der schlagstarke Gerald McClellan sein Debüt als Berufsboxer. McClellan stoppte seine ersten zehn Kontrahenten allesamt vorzeitig. Nach zwei jeweils knappen Punktniederlagen 1989 gegen Dennis Milton und Ralph Ward, schien die Karriere des damals aufstrebenden 22-Jährigen ins Stocken zu geraten. Doch der „G-Man“ eilte im Anschluss wiederum von Sieg zu Sieg. Auf dem Weg nach oben, knockte McClellan seine meisten Widersacher nahezu mühelos aus.

Seine bis dahin größte Chance erhielt er im November 1991: Im Kampf um die vakante WBO-WM im Mittelgewicht, stand Gerald McClellan in London gegen den von Wilfried Sauerland gemanagten John Mugabi (Uganda) im Ring. Nach insgesamt drei Niederschlägen, bezwang McClellan seinen chancenlosen Gegner bereits in der ersten Runde. Der erste wichtige Titel war somit sicher. Doch erst anderthalb Jahre später, sollte der wohl wichtigste Triumph in der Karriere des Gerald McClellan folgen!

Gegen den als gefürchteten Puncher geltenden Mittelgewichts-Champion Julian Jackson, griff Gerald McClellan im Mai 1993 nach der WBC-Krone. In der fünften Runde musste sich Jackson, der den WM-Titel gut zwei Jahre lang inne hatte, der Schlagkraft des Herausforderers geschlagen geben. McClellan krönte sich nicht nur zum WBC-Weltmeister im Mittelgewicht; Das renommierte US-Fachblatt „The Ring“ erklärte den vorzeitigen Sieg über Julian Jackson sogar zum „KO des Jahres“.

Die allgemeine Anerkennung zugunsten des neuen Champions, schien fortan grenzenlos zu sein: In Expertenkreisen und bei Boxfans galt Gerald McClellan als einer der größten Knockouter seiner Zeit. Selbst Schwergewichts-Ikone Mike Tyson outete sich einst in einem Interview mit dem früheren Star-Interviewer Larry King als großer McClellan-Fan.

Emanuel Steward: „Gerald hat namhafte Schwergewichtler ausgeknockt!“

Gerald McClellan (rechts) mit seinem langjährigen Mentor und Coach Emanuel Steward (links, *1944 – †2012)

Auch für Gerald McClellan’s langjährigen Trainer, den 2012 verstorbenen Emanuel Steward, waren die KO-Künste des „G-Man“ etwas ganz Besonderes. „Gerald hat im Sparring mehrfach namhafte Schwergewichtler ausgeknockt. Danach musste ich schriftliche Vereinbarungen unterzeichnen, in denen stand, dass deren Namen nie in der Öffentlichkeit genannt werden dürfen!“, sagte Steward in einem späteren Interview. Doch der sportliche Erfolg sollte auch seine Schattenseiten mit sich bringen!

Nach dem WM-Triumph über Julian Jackson, übernahm Promoter-Legende Don King die Regie über die Karriere von Gerald McClellan. Glaubt man Gerüchten und einigen Zeitzeugen, war es letztlich auch jener Box-Boss mit der berühmten Starkstrom-Frisur, der für das Ende der Zusammenarbeit zwischen McClellan und Emanuel Steward gesorgt haben soll. Stattdessen wurde ein gewisser Stan Jackson als neuer Chef-Coach verpflichtet.

Gerald McClellan mit Promoter-Mogul Don King (links).

Stan Jackson, der selbst eine erfolglose Profilaufbahn absolvierte, genoss in der Boxszene keinen sonderlich guten Ruf. Dennoch verteidigte Gerald McClellan seinen WBC-Gürtel in der Folge kurzrundig gegen Jay Bell und Gilbert Baptist. Bei seiner dritten Titelverteidigung kam es im Mai 1994 zur Revanche gegen Julian Jackson. Auch das Rematch gewann McClellan durch Ko – diesmal bereits in der ersten Runde.

Obwohl sich der damals 27-Jährige auf dem Leistungs-Zenit zu befinden schien, machten Anfang 1995 einige Negativ-Schlagzeilen um den Mittelgewichts-Champ die Runde. So war u.a. die Rede von angeblichen illegalen Hunde-Kämpfen, bei denen McClellan eine zentrale Rolle gespielt haben soll. Bestätigt wurde dies allerdings nie.

Benn vs. McClellan – Dokumentation einer Tragödie (Video):

Einen großen Zahltag sollte es bald vor allem in sportlicher Hinsicht geben! Am 25. Februar 1995 stand der WM-Kampf in London gegen Lokalmatador Nigel „The Dark Destroyer“  Benn auf dem Programm. Mit einem Sieg gegen den damals 31-jährigen Benn, der den WBC-Titel im Supermittelgewicht hielt, wollte sich Gerald McClellan die nächste WM-Trophäe in einer weiteren Gewichtsklasse sichern. Dass es am Ende jedoch zu einer Katastrophe kommen sollte, war freilich nicht zu erahnen.

Dabei sah es schon nach nur wenigen Sekunden des ersten Durchgangs so aus, als würde Gerald McClellan seine Ko-Bilanz ein weiteres Mal aufbessern! Mit mehreren, wuchtigen Schlägen beförderte er den britischen Titelverteidiger durch die Ringseile. Nigel Benn kam jedoch wieder auf die Beine. In den darauffolgenden Runden lieferten sich Benn und McClellan eine wahre Ringschlacht, welche später von verschiedenen internationalen Fachzeitschriften als einer der größten Boxkämpfe aller Zeiten gewürdigt wurde.

Der Schicksalskampf: Nigel Benn (links) und Gerald McClellan kämpften im Februar 1995 um die Supermittelgewichts-WM. Danach sollte nichts mehr sein, wie es mal war!

Im achten Durchgang musste Nigel Benn ein zweites Mal zu Boden. Benn kam wiederum zurück! In Runde neun kam es schließlich zu jener Szene, die von vielen Beobachtern als Ursache für das spätere Schicksal von Gerald McClellan bezeichnet wird: Nachdem ein Schlagversuch von Nigel Benn misslang, prallten beide Boxer mit den Köpfen aneinander. Dabei krachte Benn gegen die Stirn von McClellan, der daraufhin sichtlich beeinträchtigt wirkte und ungewöhnlich oft blinzelte.

Im zehnten Durchgang musste Gerald McClellan erstmals zu Boden – ohne augenscheinlich große Schlagwirkung. Nur wenige Sekunden später ging McClellan, der offensichtlich Atemprobleme hatte, wiederum zu Boden – und ließ sich schließlich auszählen. Einige Fans und Kritiker vermuteten zunächst, dass das Ende die Folge einer freiwilligen Aufgabe von Gerald McClellan gewesen sei und unterstellten diesem kurzfristig eine gewisse Feigheit. Während sich Nigel Benn als Sieger feiern ließ, kollabierte Gerald McClellan in seiner Ecke – und musste letztlich von Sanitätern aus der Halle getragen werden.

Gerald McClellan – Das Leben danach!

Gerald McClellan wird seit über zwanzig Jahren von seiner Schwester Lisa McClellan (links) liebevoll umsorgt. – Foto: Stacey Wescott / Chicago Tribune

Nachdem Gerald McClellan in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert wurde, musste ihm ein Blutgerinsel im Gehirn operativ entfernt werden. Außerdem erlitt McClellan zwei Schlaganfälle sowie einen Herzinfarkt. Nachdem der zweifache Box-Weltmeister elf Tage im Koma lag, brachten weitere Untersuchungen die bittere Erkenntnis, dass eine vollständige Genesung ausgeschlossen ist. Gerald McClellan ist seither völlig blind und zu achtzig Prozent taub.

Er ist auf einen Rollstuhl angewiesen und muss rund um die Uhr betreut werden. Zudem ist das Gedächtnis von McClellan erheblich beschädigt. Die medizinische Rundum-Betreuung brachte die McClellan-Familie an ihre finanziellen Grenzen. Durch eine im Jahr 2007 ins Leben gerufene Spendenaktion, bei der auch Nigel Benn als Veranstalter involviert war, kamen über 200.000 Dollar Spendeneinnahmen zusammen.

Gerald McClellan ist heute 53 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in seinem Geburtsort Freeport im US-Bundesstaat Illinois. Für seine Schwester Lisa McClellan, die sich jeden Tag rührend um das Wohl ihres Bruders sorgt, ist es oftmals eine seelische Mammutaufgabe: „Gerald fragt sehr oft nach dem Ausgang des Benn-Kampfes. Wenn er mir die Frage stellt, ‚Habe ich den Kampf verloren?‘, sage ich ihm: Nein, hast Du nicht!“

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