Tyson Fury nun schon zum zweiten Mal vom Ringrichter geschützt – Eine Nachbetrachtung zum Kampf Fury vs Wallin von Ebby Thust

Nach dem schweren Cut im Kampf gegen Otto Wallin hatte Fury Glück, dass der Referee den Kampf nicht abgebrochen hat

Der Schwede Otto Wallin hat den Boxsport-Fans weltweit, in der Nacht zum Sonntagmorgen, in der T-Mobil Arena in Las Vegas, einen großen Fight geschenkt. Alle die Tyson-Fury-Fans und auch die vielen Fury Hater, wie Eddie Hearn und Anthony Joshua, die damit gerechnet hatten, dass der Kampf gegen Otto Wallin ein gleiches Mismatch, wie der Kampf Fury´s gegen unseren Deutschen Tom Schwarz würde, sahen sich getäuscht.
Im Vorfeld dieses Kampfes hatte sogar der Promoter von Anthony Joshua, Eddie Hearn lautstark verkündet, dass er nicht einmal seinem größten Feind zumuten würde sich den Kampf zwischen Fury und Wallin anschauen zu müssen.

Doch es kam alles ganz anders: Otto Wallin hat ein großes Herz und großes Boxen gezeigt und er hat bewiesen, dass er zudem ein gutes Kinn hat (um das Wort Nehmerfähigkeiten zu vermeiden). Sind wir doch einmal ehrlich: Wer von den Millionen Boxsport-Fans dieser Welt hätte den überhaupt zuvor gedacht, dass dieser Kampf über die volle Distanz von 12 Runden gehen würde?

Fury Trainer Ben Davison schaut sich besorgt die Verletzung an.

In der 3. Runde traf Wallin Fury mit einem linken Seitwärts-Haken an dessen rechten Augenbraue. Dieser Schlag verursachte einen brutalen Cut von ca. 8 Zentimeter und ab diesem Zeitpunkt wurde der Kampf zu einer wahren Blutschlacht. Die Ecke konnte diese blutende klaffende Wunde über Fury rechtem Auge kaum stoppen und immer wenn es in eine neue Runde ging, versuchte Wallin immer wieder diese Wunde zu treffen und auch immer wenn die Beiden in den Clinch gingen wischte Wallin mit seinem linken Handschuh schnell noch einmal über die Verletzung von Fury. Aber das alles ist nicht regelwidrig, so lange der Ringrichter den Kampf freigibt und nicht stoppt, kann ein Gegner auch immer wieder mit Vorsatz auf eine Wunde schlagen. Das ist eben Boxen!

Ich möchte vorweg klarstellen, dass es letztlich überhaupt keine Diskussion um den klaren und einstimmigen Sieg von Tyson Fury gibt, auch  wenn Punktrichter Tim Cheatham mit seiner Wertung von 118-110 doch schon ein Fury-Fan gewesen gewesen sein muss. Aber auch wenn der eine oder andere Punktrichter Otto Wallin eine oder zwei Runden mehr zugesprochen hätten, hätte dies am klaren Punktsieg von Tyson Fury letztlich nichts geändert.
So unstrittig das Punkturteil am Ende des Kampfes war, so strittig dürfte aber doch die Entscheidung des Ringrichters sein, den Kampf wegen der doch schon ziemlich schweren Augenbraun-Verletzung nicht abzubrechen. Ich selbst habe schon Kämpfe gesehen, bei denen der Ringrichter wegen einer weitaus geringeren Verletzung einen Kampf abgebrochen hat. Und ich möchte auch Mal die Frage in den Raum stellen, ob denn auch der Arzt oder der Ringrichter den Kampf vielleicht nicht doch abgebrochen hätte, wenn Otto Wallin die gleiche Verletzung gehabt hätte?

Wir kennen das ja nun alle auch aus Deutschland. Die Ringrichter sind doch oft sehr  „Promoter-freundlich“ und auch der Ringarzt wird am Ende vom Promoter bezahlt. Erinnern wir uns nur Mal an den Kampf von Arthur Abraham, der als „Die Blutschlacht von Wetzlar“ in die Analen eingegangen ist. Auch da hat ein Promoter-freundlicher Ringrichter und ein Promoter-freundlicher Ringarzt, den Kampf, trotz eines zweifachen Kieferbruchs von Arthur Abraham, weiterlaufen lassen. Hätte damals der Abraham-Gegner die gleiche Verletzung gehabt,  hätte der Referee den Kampf ganz sicher sofort ohne viel nachzudenken abgebrochen und es hätte sich auch nicht ein einziger Zuschauer über solch eine  Entscheidung aufgeregt.

Im WM-Kampf zwischen Lennox Lewis und Vitali Klitschko, im Jahre 2003, hatte Vitali auch eine Augenbrauenverletzung, die sicher ähnlich, aber doch nicht so schlimm war, wie die Verletzung bei Tyson Fury und hier hat der Ringrichter den Kampf abgebrochen obwohl Vitali Klitschko nach Punkten in Front lag.

Wer erinnert sich nicht noch an den WM-Kampf um den grünen WBC-Gürtel im Jahre 2003, zwischen den Schwergewichts-Legenden Lennox Lewis und Vitali Klitschko, bei dem Vitali Klitschko eine ähnliche, aber lange nicht so schlimme Augenbrauenverletzung erlitt, wie sie Tyson Fury am letzten Sonntagmorgen hatte? Damals brach Ringrichter Lou Moret den Kampf in der 6. Runde wegen dieser Verletzung ab und erklärte Lennox Lewis, obwohl dieser nach Punkten zurück lag, zum tKO-Sieger. Hier war der Veranstalter Gary Shaw, bei dem Lewis unter Vertrag stand. Ich kann mir nicht vorstellen, ob der damalige Ringrichter den Kampf auch abgebrochen hätte, wenn Lewis die gleiche Verletzung gehabt hätte.

Und hätte Otto Wallin die gleiche Verletzung wie Fury gehabt hätte sicher auch der Ringarzt zum Kampfabbruch geraten und der Ringrichter hätte sicherlich den Kampf auch abgebrochen. Aber so war der Veranstalter dieses Kampfes auch in Personalunion der Promoter von Tyson Fury und der durfte auf keinen Fall diesen Kampf verlieren, weil dann das 150 Millionen-Projekt mit dem Revanche-Kampf gegen Deontay Wilder in Gefahr gewesen wäre.

Tyson Furys mexikanischer Cutman Jorge Capetillo: Ich habe in meiner gesamten Laufbahn als Cutman, noch niemals eine solch schlimme Augenbrauenverletzung gesehen.

Fury’s Cutman befürchtete nach der dritten Runde zu jeder Sekunde, dass der Kampf  gestoppt werden könnte, als Blut aus einer Verletzung über seinem rechten Auge und dann auch noch eine weitere Verletzung am rechten Augenlid dazu kam und das Blut immer und immer wieder ins Auge floss. „Aber ich kannte die Fähigkeit von Tyson, ich kannte seine Erfahrung und seinen Willen zu kämpfen, also wusste ich, dass ich es richtig machen musste, dass ich meinen Job aufs Spiel setzen und die Arbeit erledigen musste, damit er weiter kämpfen und nicht gestoppt werden konnte.“ Der mexikanische Cutsman Jorge Capetillo sagte: „Das war wahrscheinlich die schlimmste Augenbrauenverletzung, die ich je in meinen vielen Jahren als Cutsman gesehen habe. „Gott sei Dank habe ich das getan und der Arzt hat uns grünes Licht gegeben, damit Tyson seine Leistung erbringen konnte.“

Im Anschluss an diesen Kampf wurde Tyson Fury sofort ins Universitätsklinikum im Süden Nevadas gebracht wo ihm die beiden Verletzungen über seinem rechten Auge mit 50 (!) Stichen genäht wurden. Auf die Frage, wie es ihm denn gehe, sagte Fury der Nachrichtenagentur PA: „Ich fühle mich fantastisch. Die Ärzte haben einen absolut fantastischen Job gemacht. Fünfzig Stiche haben sie dazu gebraucht!“

Es war Tyson Furys Glück im Kampf gegen Deontay Wilder, dass es Ringrichter Jack Reiss war der diesen Kampf leitete. Wohl jeder andere Ringrichter hätte nach diesem brutalen Niederschlag erst gar nicht mit dem Zählen begonnen und den Kampf sofort abgebrochen.

Apropos Deontay Wilder: Erinnern wir uns doch Mal an diesen ersten Kampf zwischen Wilder und Fury, hier schlag Wilder Fury in der 12. Runde so brutal zu Boden, dass dieser Sekunden lang bewusstlos am Boxen lag und in einer Situation, bei denen neun von 10 Ringrichter erst gar nicht mit dem Zählen beginnen sondern den Kampf sofort und unverzüglich abbrechen, rettete hier Ringrichter Jack Reiss Fury vor einer KO-Niederlage. Auch hier hätte sich sicher kaum ein Fury-Fan aufregen können, wenn Jack Reiss den Kampf ohne Anzählen abgebrochen hätte.

Es liegt mir fern Furys große Siege zu schmälern, zumal ich selbst ein bekennender Tyson-Fury-Fan bin, aber seihen wir doch einmal ehrlich: Da kam nun am Sonntagmorgen zum zweiten Mal Tyson Fury die Gunst des Ringrichters zu Hilfe.

Otto Wallin hat einen großen Kampf geliefert, den er zwar nach Punkten verloren, aber doch den Respekt aller Boxfans gewonnen hat.

Aber ich möchte diesen Bericht nicht beenden ohne noch einmal dem unterlegenen Otto Wallin meinen höchsten Respekt zu zollen, auch wie er selbst seine Niederlage anerkannt hat und dies nich etwa auf „die falschen Boxhandschuhe“ schob, wie dies im Kampf gegen Tyson Fury jemand zuvor getan hatte. Selbst in der 12. und letzten Runde war es der überaus konditionsstarke Otto Wallin, der zum Endspurt ansetzte und Fury noch einmal in Gefahr brachte. Wallin gewann diese letzte Runde bei allen drei Punktrichtern.
Otto Wallin ist durch diesen Fight vom aussichtslosen Underdog zu einem Schwergewichtsstar geworden, mit dem alle Top Ten Schwergewichte in naher Zukunft rechnen müssen.

Und abschließend noch ein großes Lob an den MDR – wo wir doch oft zurecht so negativ gegen unsere deutschen TV-Sender sind, die einfach zu wenig gute Boxkämpfe live übertragen. Danke lieber MDR, dass ihr allen deutschen Boxsport-Fans die Möglichkeit gegeben habt, diesen großen Boxkampf live und das auch noch im Free-TV, miterleben zu dürfen.

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