Spomers‘ Vergeltung – Heilbronner Boxnacht am 25.06.2022 im Eisstadion Heilbronn

„Boxen ist zu 80% Mindset“, erklärt Cruisergewicht Nino Kolicic auf der nächtlichen Heimfahrt über die ruhige A6. Der Lärm in den Ohren klingt langsam ab, und Kolicic hat es genau mit diesen Worten auf den Punkt gebracht, was vor wenigen Momenten im Heilbronner Eisstadion abgelaufen ist. Am Samstagabend lud Slawa Spomer Boxing (Spomer zum ersten Mal Main Event und Veranstalter) in die Eishockey Arena der Heilbronner Falken zur Boxnacht.

Der Hauptkampf des Abends wurde zwischen IBO Intercontinental Champ Slawa Spomer, und dem WBF Intercontinental Champ Viktor Ionascu, um die Europameisterschaft der WBO im Super-Weltergewicht ausgetragen.

Gemächlicher Auftakt

Auftakt des Abends macht jedoch Aro Schwartz gegen Giorgi Abramishvili über 4 Runden im Super-Mittelgewicht. Schwartz, der mit einer Glanzleistung in seinem letzten Kampf überzeugen konnte, braucht dieses Mal die voll Distanz, ließ aber dennoch nichts anbrennen. Sieg Schwartz nach Punkten.

Es folgte ein für 8 Runden angesetzter Kampf im Light-Heavyweight zwischen Yhor Velokovskyi und dem tschechischen Veteran Thomas Adamek (42 Jahre alt). Der jüngere Ukrainer ließ allerdings keine Chancen für Adamek zu und erzielte bereits in der ersten Runde ein Knockdown. In der zweiten Runde beendete der Referee den Kampf, nachdem Velokoskyi seinen Gegner zwei weitere Male auf den Boden schickte, und Adamek sichtlich genug hatte.

In den Showactpausen trafen wir Slawa Spomer zu einem kurzen Interview vor dem Kampf. Mindset, 80%, und von denen hatte Spomer 100%. Zwar war Spomer voller Vorfreude, aber sein Gegner war in seinen Kopf gekommen, nachdem der ihm beim Wiegen etwas zu nahe gekommen war. Spomer kündigt uns zwei Stunden vor Kampfbeginn an, dass die volle Zeit heute nicht gebraucht wird. Dass Ionascu in Spomers‘ Kopf ist, war für Ionascu ein Teil des Gameplans. Ionascu selbst war auf sich und sein Team fokussiert, wie beim anschließenden Gespräch in seiner Kabine ersichtlich wurde. Doch zurück in den Ring.

Tosun schlägt die Funken, Tahiri entzündet das Feuer

Der dritte Kampf des Abends bezeichnete den Auftritt eines ersten Lokalmatadors. Weltergewicht Hakan Tosun brachte erstmals richtig Stimmung in die Halle. Aus den Rängen donnerte ihm bereits beim Einlauf der Jubel entgegen. Die Unterstützung aus dem Publikum kam genau richtig, wie Tosun im anschließenden Interview mit Boxen1.com wissen ließ, denn sein Gegner, Nika Nakashidze, war ein zäher Bursche. Umso unterhaltender war der Kampf, ganz zur Freude des Publikums. Bereits in der zweiten Runde entschieden sich beide Boxer schweres Leder abzufeuern. Es flogen Haken nach belieben. Das Feuerwerk war eröffnet. Tosun war allerdings der etwas aktivere Mann und landete auch die klareren Treffer. Dennoch war der Kampf unglaublich unterhaltsam und Tosun bekam als Andenken auch einen kleinen Cut mit. Nach 6 Runden hieß der Sieger Hakan Tosun nach Punkten.

Der folgende Kampf zwischen Andranik Hakobyan und Adnan Zilic war zwar auf 8 Runden angesetzt, dauerte aber nicht mal die Hälfte der vorhergesehenen Zeit. Gute und harte Körpertreffer von Hakobyan nahmen Zilic die Luft aus den Flügeln. Endstation Runde 3, Sieg Hakobyan.

Mit dem Einlauf von Bujar Tahiri kam die Halle jetzt richtig zum Beben. Ein große Gefolgschaft feiert ihren Fighter, der sich darüber überaus glücklich schätzt, wie er im anschließenden Interview mit Boxen1 berichtet. Bereits in der ersten Runde kommt es zu einem Knockdown, doch Tahiris Gegner, Oktavian Gratii, wird dadurch erst richtig wach. Der Kampf der beiden Männer wird zum Katz- und Maus Spiel.  Gratii ist fit und macht viel Show, kommt immer wieder mit ein paar Haken durch Tahiris Deckung, der boxt jedoch super diszipliniert und intelligent. Seine Anhänger feuern Tahiri lautstark an und nach 6 sehr unterhaltsamen Runden heißt der Sieger einstimmig nach Punkten Bujar Tahiri.

Der Weg zum Mainevent

Die Halle ist inzwischen da, und sie ist laut. Nebelwerfer sind inzwischen auf Hochbetrieb und der Abend nähert sich dem Mainevent. Tahiris Anhänger tragen die Energie direkt weiter zum nächsten Kampf zwischen einem weiteren Lokalmatador in Ali Hetemi und Michael Klempert. Technische Finesse war nun definitiv nicht das Aushängeschild dieses Kampfes, es wurde roh und wild. Der „Knockout-King“ Hetemi setzte alles daran um seinem Namen gerecht zu werden, doch Klempert zeigte sich unbeeindruckt und drückte stetig dagegen. Klempert hatte sichtlich Spaß an den sechs Runden im Seilquadrat, auch wenn der Sieg am Ende an Hetemi ging.

Mainevent. Spomer vs. Ionascu

Es war langsam Zeit für den Mainevent und irgendwie konnte man in der ganzen Halle spüren dass es ernst wurde. IBO Intercontinental Champ Slawa Spomer wusste bestimmt was ihn erwartet, auch wenn der Gegner erst wenige Wochen vor dem Kampf feststand. Ionascu sollte eigentlich in den Vorkämpfen der Heilbronner Boxnacht seinen WBF Titel verteidigen, doch ein Ausfall von Spomers ursprünglichen Gegner bot eine riesige Möglichkeit für Ionascu. Spomer sollte eigentlich ursprünglich auch seinen Intercontinental Titel der IBO verteidigen, bis die WBO die Möglichkeit für die Europameisterschaft ermöglichte. Das führte dazu dass weder IBO noch WBF Intercontinental Titel auf dem Spiel standen. Auf Grund der vielen Wechsel der Verbände und den Informationen die über Social Media von verschiedenen Seiten vor dem Kampf kamen, und denen die im Laufe des Abends kommuniziert wurden, kam es zu ein paar Missverständnissen – wie man auch in den Interviews mitbekommt. Doch an diesem Abend ging es nun schlussendlich LEDIGLICH um die WBO Europameisterschaft – keinen Intercontinental Titel. Auch für einen Reporter musste das Mindset an diesem Abend stimmen.

Endlich war es Zeit für die Einläufe der Kämpfer. Ionascu hatte von Anfang an mit einer komischen Stimmung von Seiten des Publikums zu kämpfen. „Buhs“ und Sticheleien aus den VIP Reihen, als auch den Rängen musste der junge Moldawe aus dem Karlsruher Home of Champions Boxclub über sich entgehen lassen.

Hometown-Hero Spomer wurde natürlich hingegen mit Trompeten und Posaunen empfangen. Die Halle feierte und sorgte für einen Rockkonzert-Lautstärkepegel. Spomer war ready und ließ seinen Augen keine Sekunde von Ionascu, während der Ansprache, der Nationalhymne und den letzten Instruktionen, war Spomer wie besessen.

Ring frei Runde 1. Spomer prophezeite uns vor dem Kampf dass er die volle Distanz nicht brauchen wird. Nach dem Kampf erklärte er uns dass er Ionascu in der ersten Runde schon einen heftigen Treffer mitgeben wollte. Doch was in den ersten 90 Sekunden passiert ist, hat niemand in der Arena erwartet.

Ionascu trifft den ersten langen Jab und rollt weit zur linken Seite aus. Das hat der Gameplan sein MÜSSEN. Halt Spomer lang und beweg ihn. Doch in der kreisenden Bewegung verfolgt Ionascu ein Haken von Spomer und trifft ihn direkt auf der Schläfe. An Ionascus‘ Beinen erkannt man erstmals Nervosität. Spomer setzt nach, erster Knockdown. Ionascu springt sofort wieder auf die Beine und ist bereit weiter zu machen. Doch Spomer ist locked in. Wieder trifft Spomer direkt aufs Kinn. Dieses mal deutlich härter. Die Halle eskaliert, Spomer macht kurzen Porzess und packt mit dem dritten Schlag eine Bombe aus, die den Kampf beendet. K.O. in Runde 1. Schade, denn Ionascu hätte das Potential gehabt den Kampf interessant zu machen, doch der Moment war zu groß für den jungen Moldawen und Spomers‘ Mindset war besser. Hochkonzentriert und voller Energie. Momentum war noch nie so greifbar zu verstehen, wie in dieser ersten Runde.

Spomer war top vorbereitet und hatte nur Zerstörung im Sinn. Ionascu wollte in Spomers Kopf, doch war das der falsche Ort an diesem Abend in Heilbronn. Die Menge feierte ihren neuen Europameister und Slawa Spomer gab uns noch ein abschließendes Interview bevor er nun in seinen wohlverdienten Urlaub fährt. Mindset sind 80% im Boxen, es gab schon viele Trainingsweltmeister die nix gerissen haben, mit diesen Worten endet ein weiterer Boxabend des Jahres, und Europa hat einen neuen Champion im Super-Weltergewicht: Slawa Spomer.

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