Denis Radovan hat den Deutschen Boxsport-Verband im November 2016 verlassen und einen Vertrag bei Sauerland Events unterschrieben. Zukünftig wird der 24-jährige von Jürgen Brähmer betreut, einem der besten Halbschwergewichtler weltweit. Dieser hat mit Radovan noch einiges vor.
Denis Radovan – Erfolge wie aus der Kabeltrommel
Im August 2013 gab Denis Radovan in der Geschäftsstelle seines Heimatvereins, dem SC Colonia 06 Köln sein erstes großes Interview. „Europameisterschaft, Weltmeisterschaft, Chemiepokal und die Olympischen Spiele. Danach will ich Champion in den großen Profi-Verbänden werden.“ Radovan wusste, was er wollte und er war bereit dafür zu ackern.
Jetzt kann er seine Erfolge abspulen, wie von einer Kabeltrommel: Bronze bei Jugend-EM und -WM, vielfacher deutscher Meister, Chemiepokal-Sieger. Olympia steht nicht auf der Erfolgsliste, der deutsche Boxsport-Verband plante ohne ihn. Einen Einfluss auf seine Entscheidung hätte dies nicht gehabt, sagte Radovan kurz nach seinem Wechsel zu Sauerland.
Für seinen neuen Arbeitgeber wird Radovan im Supermittelgewicht boxen, einer Gewichtsklasse, in der es bei Sauerland zugeht, wie auf einer Promi-Gala. Stars wie Artur Abraham, Leon Bauer, Vincent Feigenbutz und Stefan Härtel klettern für die Berliner in dieser Gewichtsklasse in den Ring. Auch der WBA-Weltmeister Tyron Zeuge ist einer der illustren Supermittelgewichtler im Sauerland-Stall.
Amateurboxen ohne TV: Davon lässt sich Radovan nicht beirren. Er will Profi-Weltmeister werden und weiß, dass er früher oder später einem seiner fünf Stallgefährten gegenüberstehen wird. Bei der Dichte an Kämpfern wird dies sicherlich früher als später sein. Mit dem Wechsel zu den Profis hat er den höchsten „Level“ im Boxen erreicht, davon ist der gebürtige Kölner überzeugt. Als Amateur boxte er für Ruhm, Ehre und den DBV. Als Profi kämpft er für sich und ein gutes Leben. Was ihn besonders reizt, ist der Moment, in dem er seinen ersten WM-Gürtel in die Fernsehkameras halten wird. „Im Amateurboxen wäre dies nie der Fall gewesen.“
Radovan weiß, dass die TV-Sender das olympische Boxen abgeschrieben haben. Derzeit ist sein neues Zuhause die Trainingsgruppe von Jürgen Brähmer in Schwerin. Er musste nicht einmal umzuziehen. Als Amateur war er dem Olympiastützpunkt Schwerin und Coach Michael Timm zugeordnet. Früher wurde sein Tagesablauf von Timms Übungsplänen bestimmt, heute sind es die von Jürgen Brähmer. Training, Training und noch mehr Training, zweimal täglich zwei Stunden.
Druck fühlt er keinen. Im Gegenteil, er fühlt sich freier, weil er sich auf das konzentrieren kann, was ihm Spaß macht. Dazu gehört auch sein Fernstudium im Sportmanagement, das ihm jetzt einfacher von der Hand geht. Beim DBV war die Zeiteinteilung problematisch. Kurzfristig angesetzte Lehrgänge und Turniere verhagelten ihm die eine oder andere Klausur. Die neue Planungssicherheit gefällt ihm.
Keine Stallorder: Jürgen Brähmer hat mit Denis Radovan und Tyron Zeuge zwei erstklassige Supermittelgewichtler in seiner Trainingsgruppe. Radovan wird er an die großen Kämpfe heranführen und Zeuge soll seine Position als Weltmeister ausbauen. Zeuge ist der Platzhirsch in der Trainingsgruppe. Trotzdem gibt es bei den Schwerinern keine Stallorder, wie in der Formel Eins. „Die einzige Order heißt Weltmeister werden.“
Jürgen Brähmer will die richtigen Schritte machen und nicht die falschen. Er konfrontiert seine Boxer mit Herausforderungen. Bei Radovan schlägt das durch. Bereits in seinem ersten Kampf als Berufsboxer absolvierte Radovan einen Sechs-Runden-Kampf, statt wie für Jungprofis üblich, einen Vier-Runder. Radovan siegte in der Karlsruher Ufgauhalle gegen Joszef Racz nach Punkten. Es war das schönste Gefecht des Abends, ganz nach Brähmers Geschmack. Racz ist kein unbekannter im Sauerland-Stall. Anfang 2016 bezwang Stefan Härtel den Ungarn. Allerdings war es bereits Härtels achter Kampf und nicht wie bei Radovan, der Erste.
Titelfight in 2017: Die nächsten Schritte hat der gebürtige Stralsunder für seinen Schützling bereits formuliert: Für 2017 sind fünf bis sechs Kämpfe geplant. Abhängig von Radovans Entwicklung könnte als Abschluss ein Titel-Fight um die deutsche Meisterschaft stehen.
Eigentlich gilt der Kölner als Boxer, dem man nicht mehr viel beibringen kann. Wenn man Brähmer damit konfrontiert, tritt er sofort auf die Bremse: „Es gibt noch viel, was Denis lernen muss, vor allem müssen wir an seiner Athletik, Explosivität und Stabilität arbeiten. Ganz wichtig sind auch Kampfführung und taktische Einstellung. Er nimmt manchmal Schläge an – das braucht Denis eigentlich nicht.“ Übt er Kritik? Falsch. Es ist eine beinahe wissenschaftliche Analyse über einen Hochleistungssportler, den er ganz nach oben bringen wird.
Ab der siebten Runde kämpfen Profis nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen ihren inneren Schweinehund, ähnlich wie sich ein Marathonläufer mit schmerzenden Beinen auf den letzten Kilometern quält. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Brähmer weiß, dass Denis mit der „berühmten siebten Runde“ keine Probleme haben wird. Er muss nur seinen Stil leicht umstrukturieren, damit er hinten hinaus nicht schwächelt. „Absolut machbar“, sagt Brähmer mit dem leichten Akzent der Ostseeküste.
Aufstieg ins Halbschwer: Aber auch körperlich wäre bei Radovan noch einiges möglich. Von seiner Körpergröße und seiner Statur könnte er auch im Halbschwergewicht boxen und dadurch Brähmers Thronfolger werden. Mit der Entscheidung wird sich das Duo noch Zeit lassen. Radovan soll ja nicht schon Ende des Jahres Weltmeister werden.