Rückblick Super Six: Froch vs. Kessler I – „A Warrior’s Call“

Es war eine Materialschlacht sondersgleichen und der mit Abstand beste und dramatischste Kampf des damaligen, von Sauerland Event und Showtime aus der Taufe gehobenen, Super Six-Turniers. Boxen1 gewährt einen Rückblick zum zehnten Jubiläum auf das Duell zweier großer Krieger.

Vor 10 Jahren: Carl Froch vs. Mikkel Kessler I

Am Abend des 24. April 2010 wurde das Messecenter Herning Schauplatz des größten Box-Spektakels, das das kleine Land Dänemark jemals auf die Beine gestellt hat. Denn der Nationalheld der Dänen, ihr „Viking Warrior“ Mikkel Kessler, trat in der zweiten Runde des so verheißungsvoll gestarteten „Super Six“-Turniers auf den ungeschlagenen WBC-Champ im Supermittel – Carl „The Cobra“ Froch aus Nottingham.

Kessler’s Karriere stand dabei auf dem Spiel. Denn obwohl er zu dieser Zeit als absoluter Weltklasseboxer im Supermittel- und Favorit auf den Gesamtsieg galt, verlor der Kopenhagener seinen ersten Turniereinsatz gegen den Olympiasieger und späteren Gewinner Andre Ward. Mit einer weiteren Punktniederlage zwei Jahre zuvor, im November 2007 in Cardiff im Titelvereinigungs-Kampf gegen den Überflieger und bis heute vielleicht besten Supermittelgewichtler aller Zeiten, Joe Calzaghe, stand der damals 31-Jährige für das Duell mit Froch (32) am Scheideweg seiner Karriere.

Sollte der Wikinger ein weiteres Mal verlieren, wäre er nicht nur aus dem Turnier ausgeschieden, sondern hätte sich höchst wahrscheinlich auch nicht mehr für größere Kämpfe und „Pay Days“ empfehlen können. Auf der anderen Seite begann der Stern von Carl Froch bereits Ende 2008 hell zu leuchten, als die „Kobra“ im heimischen Nottingham den bis dato unbesiegten Jean Pascal (UD Froch) entthronen konnte und sich somit erstmals den WM-Gürtel nach WBC-Version um die Hüften schnallte.

Es folgten für Froch zwei weitere Siege über Jermain Taylor, wobei Froch diesen, nach Punkten hoffnungslos zurückliegend, mit einem grandiosen Willensakt in der letzten Runde noch stoppte sowie ein nicht unumstrittener Auftaktsieg im Super Six via Split Decision über Andre Dirrell, den späteren Bezwinger von Arthur Abraham. Froch konnte also, im Gegensatz zu Kessler, trotz offensichtlicher technischer Defizite, relativ entspannt in das bis dato größte Gefecht seiner Karriere gehen. Es herrschte im Vorfeld absolute Hochspannung. Die Chancen waren in etwa gleich verteilt.

Die Anfangsrunden

Kessler bestimmte die ersten drei Runden aufgrund seiner boxtechnischen Vorteile und seiner höheren Beweglichkeit im Oberkörper. Mit guter Defensive und guten Kombinationen zu Kopf und Körper konnte er Froch auf Distanz halten und sich so schon zu Beginn leichte Vorteile auf den Scorecards sichern. Vorallem die Bodyshots von Kessler machten der „Kobra“ arg zu schaffen. Froch hingegen punktete mit teils herabhängenden Armen aus der langen Distanz mit seinem Jab und seiner rechten Schlaghand und konnte so auch Kessler einige Male ordentlich beeindrucken und durchschütteln. Seine deutlich größere Reichweite wurde ihm hierbei zum Vorteil.

Die mittlere Phase

Ab Runde vier erhöhte Froch dann das Tempo und konnte Kessler zusehens in den Rückwärtsgang drängen und den „Viking Warrior“ nun immer häufiger treffen. Insgesamt dürfte der Durchgang vier bis sechs klar an Froch gegangen sein. Kessler steckte jedoch nicht auf, sondern kam in der siebten Runde mit einer bärenstarken Rechten over the top zurück, ebenso mit einem guten rechten Konter im achten Durchgang, der Froch sichtlich beeindruckte und einen riesigen Cut an seiner Nase hinterließ. Es war der wohl bis dato beste Treffer des Gefechts. Auch im achten Durchgang konnte Kessler wieder das Zepter in die Hand nehmen, indem er Froch’s windmühlenartige Schläge austarierte und den Fighter aus Nottingham mit harten Treffern zum Körper nun immer müder machte.

Die Championship Rounds

In Runde neun wendete sich das Blatt nocheinmal dramatisch, denn Froch öffnete, wiederum mit einer starken Rechten, einen gewaltigen Cut über Kessler’s linker Augenbraue. In den letzten drei Runden bahnte sich ein reiner Willensakt an. Froch’s Ecke um Coach Robert McCracken motivierte ihren Fighter nocheinmal alles zu hineinzuwerfen und den Dänen k.o. zu schlagen. Sie wußten, dass ihr Schützling hinten lag. In der gegenüberliegenden Ringecke griff Kessler’s Coach, Jimmy Montoya, zu einem besonderen psychologischen Kniff. „Junge du liegst zurück. Du musst die letzten zwei Runden unbedingt noch holen“, gab der Mexikaner an, obwohl sein Kämpfer knapp vorne lag. Kessler mobilisierte seine letzten Reserven, und konnte so die Runden elf und zwölf mit guten linken Haken zum Kopf tatsächlich noch verbuchen, wobei viele seiner Schläge durch die pure Erschöpfung nicht mehr präzise, sondern mehr geschoben als abgefeuert kamen.

Kessler mit dem besseren Ende

Die drei Punktrichter erklärten Mikkel Kessler jeweils zum einstimmigen Sieger, wobei die Wertung von Judge Roger Tilleman mit 117:111 für den neuen WBC-Champion eindeutig zu hoch ausfiel und jenseits von Gut und Böse lag. Selbst ein 116-112 von Daniel van Wiele zugunsten Kesslers war noch schmeichelhaft für den Dänen. Lediglich Guido Cavalleri mit seiner Scorecard von 115:113 wurde dem Kampfgeschehen gerecht. Noch im Ring versprach der glückliche Sieger seinem nicht minder starken Kontrahenten ein Rematch in England. Doch zunächst der Reihe nach.

Froch konnte trotz Niederlage weiterhin für Aufsehen sorgen, als er im späteren Verlauf des Super Six-Turniers Arthur Abraham und Glen Johnson bezwang und erst im Finale, einer Unification (WBC und WBA-Super), an Andre Ward scheiterte. Darüber hinaus schlug er in seiner Heimatstadt Nottingham im April 2012 den klaren Favoriten Lucian Bute (damaliger IBF-Champ) in der fünften Runde vernichtend, und wurde zum dritten Weltmeister. Kessler schied nach dem Erfolg über Froch wegen einer Augen-OP unfreiwillig aus dem Turnier aus. Er hatte in der Folgezeit immer wieder mit Verletzungspech zu kämpfen und sollte bis zum Rematch mit seinem Erzrivalen am 25. Mai 2013 nur noch drei Kämpfe bestreiten, die er allesamt vorzeig gewann. Darunter fiel ein weiterer WM-Sieg (WBA-Super) über den Nordiren Brian Magee.

Die Revanche am 25. Mai 2013

Den besagten Rückkampf in der O2-Arena in London – am selben Abend wurde der FC Bayern im Wembley-Stadion, ein paar Kilometer weiter – Champions-League-Sieger über Borussia Dortmund – verlor der „Viking Warrior“ diesmal ebenso knapp, wie er den ersten Kampf gewonnen hatte. Froch punktete vermehrt mit seinem langen Jab, der Kessler bereits im ersten Duell vor große Probleme stellte.

Letztlich sollte auch der zweite Kampf eine ebenso große Schlacht werden wie der erste, nur diesmal eben mit dem besseren Ende für die „Kobra“. Alles in allem trafen mit Froch und Kessler zwei Warrior aufeinander die den Boxfans weltweit zwei der unvergesslichsten Schlachten der letzten zwanzig Jahre geliefert haben. Während Froch physisch und von der Robustheit der minimal Stärkere war, hatte Kessler leichte boxerische Vorteile. Beide konnten sie ungeheuer austeilen und ebensoviel einstecken. Kurzum: Ihr jeweiliger Stil war füreinander wie geschaffen. Ein Duell auf absoluter Augenhöhe, wie es sich jeder Boxfan wünscht. Durch diese zwei großen Battles sind Carl Froch und Mikkel Kessler in die Box-Geschichte eingegangen und für immer miteinander verbunden.

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