Oleksandr Usyk mit verdientem Punktsieg gegen bärenstarken Chisora

Foto: Mark Robinson/Matchroom Boxing

Der große Upset zur Halloween-Party gelang Derek Chisora zwar nicht, dafür blieb der Darling der britischen Box-Fans in puncto Kampfeswillen nichts schuldig und verlangte Oleksandr Usyk einen extrem harten Fight ab. Letzlich sollte er aber an der boxerischen Extraklasse und Raffinesse des Ukrainers scheitern.

Usyk besteht Test im Heavyweight

Für den 36-jährigen Derek Chisora (32-10, 23 K.o.) war es im Vorfeld die wohl letzte Gelegenheit sich noch einmal für einen WM-Fight in Stellung zu bringen. Dementsprechend vollmundig kündigte der einstige „Del Boy“ an,  Oleksandr Usyk (18-0, 13 K.o.) in einen Brawl zu verwickeln und ihn mit seiner Masse zu erdrücken. Und für eine ganz kurze Zeit schien dieser Plan sogar aufzugehen. Gleich zu Beginn des ersten Durchgangs legte Chisora los wie die Feuerwehr, und versuchte sofort in die Nahdistanz zu kommen. Er traf Usyk hierbei mehrere Male gut zum Körper und trieb den 17 Kilo leichteren Modellathleten regelrecht vor sich her. Auch im Clinch konnte sich „War“ aufgrund seiner extrem bulligen Statur gute Vorteile verschaffen. Usyk hielt Chisora zwar mit Mühe auf Distanz, konnte seine boxerische Linie dabei aber nicht zur Entfaltung bringen. Deshalb ging die erste Runde klar an den Lokalmatador.

In Runde zwei gelang es Usyk nun besser in den Kampf zu finden. Er traf Chisora einige Male mit schönen linken Kontern zum Kopf, lief aber Gefahr von dem stets heranstürmenden Londoner am Seil gestellt zu werden. Dennoch behielt Usyk in dieser Phase leicht die Oberhand, auch wenn Chisora stets brandgefährlich mit seiner starken Rechten und ansatzlosen Schwingern über die Außenbahn agierte und den Kampf wie erwartet oft unsauber und dreckig gestaltete. Die ersten vier Durchgänge dürften insgesamt ausgeglichen gewesen sein, mit jeweils zwei Runden für beide Kontrahenten.

Foto: Mark Robinson/Matchroom Boxing

Spätestens ab Runde fünf allerdings, beherrschte Usyk fortan die Ringmitte. Er hatte die kritische Anfangsphase überstanden und brachte nun vermehrt schöne Kombinationen an Chisora’s Kopf, glänzte durch seine hervorragende Beinarbeit und landete Treffer aus den verschiedensten Winkeln. Chisora begann konditionelle Probleme zu bekommen und dem hohen Anfangstempo Tribut zu zollen. Kurzzeitig wechselte der 116-Kilo-Koloss die Auslage um Usyk damit zu verwirren, hatte hierbei aber nur wenig Erfolg. Auch in den Durchgängen sechs, sieben und acht zeichnete sich ein ähnliches Bild ab.

Usyk gestaltete mit gutem Auge die Pace, fintierte mit seiner rechten Führhand und landete traumhafte Kombinationen zu Kopf und Körper seines Gegners, während Chisora immer berechnender und müder wurde, dabei aber nie ganz aufsteckte. Im Clinch beziehungsweise Infight agierte er nach wie vor höchst unsauber und konnte Usyk so auch einige Male wehtun. Ein echter Brawler eben. In der neunten Runde kam Chisora noch einmal mit ein paar überfallartigen Schwingern zurück in den Kampf und bewies hierbei sein überragendes Kämpferherz.

Diesen Durchgang sollte er sich noch gesichert haben. In den Championship-Rounds diktierte aber wieder Usyk das Ringgeschehen. Er landete die klareren Treffer und konnte sich aus den Aktionen Chisora’s immer wieder geschickt herausdrehen. Chisora wiederum beeindruckte durch seine hohe Schlagfrequenz und seinen unbändigen Willen, doch noch irgendwie den Lucky Punch zu landen. Letztlich sollte es aber nicht für die Sensation reichen, da Chisora boxerisch für Oleksandr Usyk einfach zu limitiert war.

Foto: Mark Robinson/Matchroom Boxing

Einstimmiges Urteil für Oleksandr Usyk

Die drei Offiziellen werteten den Kampf einstimmig und völlig verdient für Oleksandr Usyk, wobei die zwei Wertungen mit jeweils 115:113, der Judges Jan Christensen und Yury Koptsev deutlich untertrieben ausfielen. Lediglich der Punktzettel von Robert Williams mit 117:112 entsprach noch am ehesten dem realen Kampfgeschehen.

Chisora vor Karriere-Ende? Usyk als nächstes um WBO-WM

Der geschlagene Krieger konnte seine Enttäuschung nach der verlorenen Schlacht nicht verbergen. Im anschließenden Interview gab er zu Protokoll: „Ich denke ich habe gewonnen. Ich habe das Tempo bestimmt und war deutlich aktiver. Natürlich konnte er (Usyk) auch mehrere Runden holen und mich einige Male treffen. Aber seine Schläge habe ich fast nicht gespürt.“ Ob und wie es für Chisora weitergeht scheint indes ungewiss. Mit nunmehr 36 Jahren und einer weiteren Niederlage, ist ein erneuter Angriff auf die Weltspitze praktisch auszuschließen.

Oleksandr Usyk verriet im Post-Fight-Interview, dass er „Chisora genauso stark, wenn nicht sogar noch stärker erwartet habe und nun bereit sei der alleinige ‚Undisputed Heavyweight-Champion‘ zu werden.“

Nach dieser zweifelsohne großartigen Vorstellung von Usyk, bleibt abzuwarten, ob Anthony Joshua seine WM-Titel gegen Kubrat Pulev erwartungsgemäß verteidigen wird. Sollte dies der Fall sein, so ist damit zu rechnen, dass „AJ“ den WBO-WM-Titel niederlegt, um den Weg frei für den britischen Showdown mit Tyson Fury zu machen. Usyk würde demnach im kommenden Jahr höchstwahrscheinlich gegen Daniel Dubois um die Krone kämpfen. Eines hat der Rechtsausleger aber bereits jetzt bewiesen: er kann trotz mangelnder Power gegen nahezu jeden Schwergewichtler der Welt bestehen.

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