Nachbetrachtung zum Kampf Felix Sturm vs. Istvan Szili

Felix Sturm vs. Istavan Szili. Foto: Torsten Helmke.

Leserbrief: Kritik an Sturm-Trainer Mo Weber

Nach dem Boxen1, sowohl an die Adresse unserer Redaktion, als auch in unzähligen Posts in unserer Boxen1-Facebook-Gruppe und Kommentaren in unserem Internet-Portal, eine wahre Flut von Reaktionen unserer Leser und Boxsport-Fans erreicht hat, haben wir uns entschlossen, eine E-Mail von den Vielen, stellvertretend für die vielen Zuschriften, zu veröffentlichen. Wir haben hierbei bewusst eine der vielen Zuschriften herausgesucht, die nicht beleidigend war und aus der viel sachliche Boxsport-Kompetenz spricht.

Felix Sturm vs. Istavan Szili. Foto: Torsten Helmke.

Leserbrief

Warum hat Felix Sturm den Kampf verloren? Lag es am Alter?

Wäre dem so, dann wäre Sturm bei all den Schlägen, die Szili insbesondere auf sein linkes Ohr durch den unorthodoxen rechten Haken, der auch manchmal den Hinterkopf traf, wenn sich Sturm nach vorne lehnte, wohl KO gegangen. Sicherlich war Felix etwas langsamer als früher und wurde vielleicht auch ziemlich oft von Szili weggeschubst, wie niemals zuvor, was allerdings aber auch daran lag, dass Felix, obwohl er eigentlich ein sehr guter Techniker ist, beim Rückwärtsgang desöfteren, anstatt zunächst das hintere Bein nach hinten zu setzen, zuerst das vordere Bein nach hinten setze, wodurch man dann natürlich schnell das Gleichgewicht verliert.

Wie jemand, der ein Top-Amateur und Olympiateilnehmer war und insgesamt mehr als 20 WM-Kämpfe bei den Profis gemacht hat, solche fundamentalen Schrittfehler macht, die er übrigens sonst zurückliegend noch nie gemacht hat, bleibt wohl das Geheimnis von Felix Sturm und dessen Trainer Maurice Weber.

Felix Sturm vs. Istavan Szili. Foto: Torsten Helmke.

Lag es am Willen? War Felix Sturm schon zu satt?

Mit Sicherheit nicht, denn wenn er bei diesem Kampf etwas bewiesen hat, dann Herz wie ein Löwe. Respekt! Wenn man bedenkt wie Jürgen Brähmer gegen Nathan Cleverly oder Graciano Rocchigianni gegen Thomas Ulrich aufgegeben hat und viele andere große Boxer ebenfalls. Felix Sturm hat bewiesen, dass er ein unglaubliches Kämpferherz hat.

Zwischendurch hatte ich wirklich Angst, dass er endet wie Eduard Gutknecht und war froh, dass er am Ende ganz klar und deutlich reden konnte. Ich habe noch nie einen Kampf gesehen, wo er so viel eingesteckt hat und wo ich so oft gedacht habe, dass er gleich umfällt. Noch nie. Gegen Castllejo lag er nach Punkten vorne und bekam einen Volltreffer, gegen Geale, Soliman und Chudinov verlor er zwar nach Punkten, aber ich kann mich nicht erinnern dabei einmal Angst um seine Gesundheit gehabt zu haben, aber am letzten Samstag in Dortmund sah Felix teilweise hilf- und ratlos aus. Es wirkte auch mehrmals so, als sei er angeschlagen oder er wollte den Kampf aufgeben. Vielleicht lag dies aber auch an diesem Abend, an seiner nichtvorhandenen Beinarbeit oder der schlechten Balance.

Felix Sturm vs. Istavan Szili.. Foto: Torsten Helmke.

Lag es am Ringrichter?

Vom Sturm-Lager und seinen Fans wird der Ringrichter als der Verlierer des Kampfes gesehen. Für Maurice Weber war alleine der Ringrichter daran Schuld, dass Felix den Kampf verloren hat. Hätte der Ringrichter Szilli verwarnt, wäre der Kampf ganz anders ausgegangen. Das stimmt auch tatsächlich. Hätte der Ringrichter ihn verwarnt, dann hätte der Kampf vielleicht sogar noch unentschieden geendet und wir würden heute darüber diskutieren, was das wieder für ein Betrug in einem deutschen Ring war, da der klar bessere Boxer an diesem Abend, nämlich Istvan Szilli, den Sieg nicht bekommen hätte, obwohl er den Kampf machte, mehrere klare Treffer und insgesamt auch die härteren Punches hatte. Wir hätten es dann heute wieder mit einem Skandalurteil zu tun, da der ungarische Punktrichter Ferenc Budai seltsamerweise 6 Runden bei Sturm sah und Marco Morales 5 Runden bei Sturm.

Man muss Sturm eine Runde geben und mit viel Wohlwollen und Großzügigkeit kann man ihm vielleicht auch drei Runden geben, aber niemals 5 oder 6 Runden ist einfach ein Witz. Das ist der eigentliche Skandal . Der ungarische Punktrichter Ferenc Budai sollte nie mehr einen Boxkampf punkten dürfen und Punktrichter Marco Morales sollte nochmal eine Schulung durchlaufen.

Ich persönlich konnte keinen einzigen Kopfstoss ausmachen, bei dem es klare Indizien dafür gab, dass er absichtlich war. Alle vermeintlich „absichtlichen“ Kopfstöße geschahen, wenn Sturm freiwillig seine größere Reichweite von 11 cm (!!!) aufgab um sich mit Szilli Kopf an Kopf in den Infight zu begeben. Die Reichweite von Szilli beträgt 174 cm und die von Sturm 185 cm.

Ich konnte auch keinen Hinterkopfschlag ausmachen, bei dem es Indizien dafür gab, dass er absichtlich und vorsätzlich ausgeführt wurde. Alle Hinterkopfschläge geschahen dann wenn Sturm wieder freiwillig sein 11 cm grössere Reichweite aufgegeben hat und Szilli im Infight mit seinem unorthodoxen rechten Haken, an der Doppeldeckung von Sturm vorbei, auf dessen Ohr zielte und sich Sturm nach vorne beugte. Sturm hat regelrecht um die Schläge gebettelt. Außerdem sollte man nach über 20 WM-Kämpfen wissen wie es läuft, aber vielleicht braucht man eben doch auch einen erfahreneren Trainer, der einem in der Ecke die richtigen Anweisungen gibt, anstatt sich über den Ringrichter aufzuregen und so die Konzentration von Sturm von dem wesentlichen, nämlich den Kampf, ablenkt.

Istvan Szili siegt gegen Felix Sturm. Foto: Torsten Helmke.

Woran lag es also?

Es lag ganz einfach an der Taktik bzw. dem offensichtlichen Fehlen einer Taktik. Sturm meinte nach dem Kampf, dass sie damit nicht gerechnet haben. Ich hätte mir gewünscht, dass der Reporter nachhakt und fragt womit er konkret nicht gerechnet hat. Womit hat er denn gerechnet? Dass er als 43-jähriger der nie bekannt war für seine Schlagkraft, plötzlich wie durch ein Wunder durch das zauberhafte Training eines American Football Profis, plötzlich zum Deontay Wilder des Supermittelgewichts mutiert? Oder hat er damit gerechnet, dass Szilli mit 11 cm weniger Reichweite plötzlich wie Muhammad Ali durch den Ring schwebt und sticht wie eine Biene? Womit haben Trainer und Boxer denn genau gerechnet? Das ist hier echt das Rätsel. Mein Gefühl sagt mir, dass sie tatsächlich damit gerechnet haben, dass der Szilli schon irgendwann umkippen wird, denn nur das erklärt , dass man von der ersten bis zur 12 Runde nicht eine einzige taktische Änderung seines Kampfstils vorgenommen hat. Warum sagt Maurice Weber ihm nicht einfach: „Felix stell dich nicht mit ihm in den Infight sondern boxe ihn lang und bewege dich doch auf deinen schnellen Beinen, denn im Infight knallt ihr mit den Köpfen aneinander und er trifft dich andauernd, wie er es will, dem rechten Hacken!“ ???

Man musste kein Genie sein um Felix an diesem Abend die richtigen taktischen Anweisungen zu geben. Man muss nur den Gegner ernst nehmen, etwas Erfahrung und Fachkenntnis haben und in der Ecke die Nerven nicht verlieren. Spätestens nach der dritten Runde musste die Ecke doch merken, dass man mit Szilli im Infight nichts zu suchen hat. Und dann muss man im Rückwärtsgang vor allen Dinge gerade Hände schlagen um die größere Reichweite zu nutzen und Szilli beim Überbrücken der Distanz anfangen. Die boxerischen Mittel dazu hat Felix Sturm schon seit seiner Kindheit bei Paul Smolarczyk von seinem Amateurverein Bayer Leverkusen. Aber diese boxerischen Mittel hat er an diesem Tag nicht genutzt, sondern anscheinend ausgetauscht mit der mit seinem Coach Mo Weber geteilten Begeisterung über seine neu erworbene Schlagkraft, von der nichts zu sehen war und auf die man bis zur 12. Runde vergeblich gewartet hat. Deswegen sage ich:
Hätte sich Felix Sturm an diesem Abend auf seine boxerischen Mittel verlassen, dann hätte er diesen Kampf locker und bequem, trotz Kopstösse, trotz Hinterkopfschläge, trotz Ringrichter, klar und deutlich gewonnen.

Felix Sturm mit Cheftrainer Maurice Weber in der Ringecke während des Kampfes. Foto: Torsten Helmke.

Ganz schnell den Trainer wechseln

Mein Tipp: Die Fehler bei sich selber suchen und wenn es weitergehen soll, einen erfahreneren Cheftrainer einstellen, der nicht, in der Härte des Gefechts, völlig die Nerven verliert.

Sebastian M. NRW

Felix Sturm vs Istvan Szili Fight-Poster
2.9/5 - (1137 votes)

5 Kommentare

  1. Brähmer hatte Cleverly bis zur Aufgabe eindeutig dominiert. Dieser Vergleich hinkt ja wohl mal so richtig. Sturm konnte nicht eine Runde für sich entscheiden. Dem Rest des Beitrages kann ich zustimmen.

  2. Der Verfasser des Artikels zeigt viel Sachverstand und man merkt, dass er ein echter Fan von Felix ist. Ich glaube aber nicht, dass der Ausgang des Kampfes eine Frage des Trainers ist. Die Frage ist vielmehr, ob Felix unbedingt noch einen solchen Kampf machen muss.
    Mit 43 nützen oft die besten Kenntnisse über Bewegungsabläufe wenig, wenn der Körper dagegen spricht. Für mich war Felix Vorbild und Legende, für Unzählige sicher ebenfalls. Es gibt viele Möglichkeiten, außerhalb des Ringes zu kämpfen…

  3. Der Bericht trifft den wunden Punkt Schiedsrichterleistung unterirdisch der bdb wäre gut beraten die Unparteiischen besser zu Schulen. Boxen ist halt ein Kampfsport und nicht nur Show.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein