Kubrat Pulev entthront Mahmoud Charr und ist neuer WBA-Champion

Kubrat Pulev gewinnt einstimmig nach Punkten gegen Mahmoud Charr.

Neben einem Hymnen-Fiasko schenkten sich beide Boxer im Titelkampf nichts.

In der Arena in Sofia bot sich am Samstag ein Schwergewichtsspektakel. Mahmoud Charr (34-5) trotzte einigen Widrigkeiten und verteidigte erstmals seinen regulären WBA-Titel im Schwergewicht. Einige können sich noch schwammig daran erinnern, wie Charr „Weltmeister“ mit einem Punktsieg über den damals schon in die Jahre gekommenen Aleksandr Ustinov (36-6-1) in Oberhausen wurde. Das war im November 2017, und nach mittlerweile sieben Jahren stand nun die erste Titelverteidigung in Bulgarien an. Zwischenzeitlich versuchten Don King und die WBA, Charr seinen Status als WBA-Champion streitig zu machen. Juristische Mittel wurden angewandt, und eine Hängepartie entwickelte sich. Im vergangenen Jahr wurde Charr der reguläre WBA-Titel wieder zugesprochen.

Charr war die große Unbekannte vor dem Kampf

Бокс – Пресконференция на Кубрат Пулев и Махмуд Чар в София – 22.02.2024 – Boxing – Pressconference of Kubrat Pulev and Mahmoud Charr in Sofia – 12.02.2024
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Nun traf der langjährige Titelträger auf den Bulgaren Kubrat Pulev (32-3), der sich im Vorfeld bereits zweimal erfolglos um die Weltmeisterschaft bemüht hatte. 2014 unterlag er Wladimir Klitschko (64-5), und 2020 musste er sich Anthony Joshua (28-4) vorzeitig geschlagen geben. Beide Gegner verkörperten jedoch absolute Weltklasse. Pulev blieb unbeirrt und absolvierte seit 2022 immerhin 44 Runden, wodurch es ihm an Aktivität nicht mangelte. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Pulev in seinen Kämpfen zuletzt nicht sonderlich überzeugend wirkte und auch jegliche Schlagstärke vermissen ließ. Dennoch ist der 43-Jährige ein technisch gut ausgebildeter Boxer, der nach wie vor beweist, dass er auf europäischem Niveau konkurrenzfähig ist.

Bei Charr war eine solche Bewertung kaum möglich. Zwar gab es 2021 und 2022 noch Kurzeinsätze, doch der letzte ernstzunehmende Kampf von Charr war jener gegen Ustinov vor sieben Jahren. In welcher Verfassung würde sich der Titelträger präsentieren? So genau wusste das niemand. Neben der fehlenden Aktivität kamen auch schwerwiegende Verletzungen hinzu. Neben Schusswunden und einer Titanhüfte zog sich Charr für den eigentlich geplanten Kampf gegen Pulev im März einen Bizepssehnenriss zu. Eine massive Verletzung, die für einen 40-jährigen Kampfsportler sogar das Karriereende bedeuten kann. Doch Charr arbeitete akribisch an seinem Comeback und bereitete sich in Tirol auf den Titelkampf gegen Pulev vor. Der Bulgare hingegen nutzte die Gelegenheit, in Hamburg im Universum-Gym zu trainieren, unter anderem mit dem Kubaner Jose Larduet (13-0). Trainiert wurde Pulev zudem von keinem Geringeren als Ulli Wegner. Der Meistermacher und Kulttrainer ließ es sich auch mit 82 Jahren nicht nehmen, seinen ehemaligen Schützling für diesen wichtigen Titelkampf zu begleiten.

Charr begann sehr druckvoll und aggressiv

Der Kampf begann kurz vor Mitternacht Ortszeit in Bulgarien. Doch bevor beide Männer endlich ihr Können unter Beweis stellen durften, wurden vor über 10.000 Zuschauern die obligatorischen Hymnen gespielt. Neben der bulgarischen Hymne erklang auch die deutsche – allerdings mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles“. Ein Fauxpas, der für Irritationen sorgte. Doch nach diesem peinlichen Moment war es endlich so weit: Mahmoud Charr verteidigte erstmals seinen WBA-Titel nach über sieben Jahren.

Der Kampf begann, und die Zuschauer bekamen einen aggressiven Titelträger zu sehen. Charr versuchte, Druck zu erzeugen, während Pulev viel mit dem Jab arbeitete und den Clinch suchte, wenn Charr in die Nahdistanz ging. Darauf schien sich Charr jedoch gut vorbereitet zu haben, denn in den Clinch-Momenten setzte er viele Körpertreffer und agierte äußerst unbequem, was Pulev zu schaffen machte. Die Anfangsphase gehörte eindeutig Charr, und auch die darauffolgenden Runden waren hart umkämpft und ausgeglichen. Pulev zeigte dabei seine bessere technische Ausbildung, die sich insbesondere mit seinem präzisen Jab bemerkbar machte. Charr hingegen setzte auf seine Physis, Aggressivität und Willenskraft, um den Kampf zu diktieren. Es zeichnete sich jedoch ab, dass dies ein sehr enger Kampf werden würde, solange Charrs Kondition hielt.

Pulev bestimmt die mittleren Runden des Kampfes

Mahmoud Charr vs. Kubrat Pulev.

Nach den ersten vier guten Runden von Charr wurde Pulev zunehmend dominanter. Sein Jab landete immer wieder, während Charr weniger Gegenwehr zeigte. Auch bei den Powerpunches wirkte der Bulgare in dieser Phase stärker. Von Runde fünf bis neun musste man Pulev klar als den dominierenden Mann im Ring betrachten. Charr, der zwischenzeitlich einen Cut erlitt, wirkte gezeichnet und kassierte einige Treffer. In diesen Runden zeigte sich die boxerische Ausbildung und verbesserte Kondition von Pulev, während Charr merklich an Explosivität einbüßte. Nun musste Charr hoffen, dass seine Körpertreffer Pulev in den letzten Runden doch noch sichtlich zusetzen würden.

Beide Boxer geben alles – Pulev siegt einstimmig nach Punkten

Kubrat Pulev ist neuer regulärer WBA-Champion.

Ein wahrer Weltmeister gibt seinen Titel nicht kampflos her, und das schien auch Charr zu denken. In der Schlussphase des Kampfes konnte er noch einmal zulegen. Die Runden neun und zehn waren wieder stark von ihm, wenngleich sie insgesamt ausgeglichen blieben. Angesichts des Kampfverlaufs und der Tatsache, dass er auswärts boxte, war dies jedoch nicht genug. Charr hätte in den Championship-Rounds einen klaren Akzent setzen müssen, am besten durch einen KO, um das Urteil der Punktrichter nicht zu riskieren. Doch die große Schlussoffensive blieb aus. Beide Boxer hatten zwar nochmals ihre Momente, doch Pulev hielt dagegen und war nicht weniger aktiv als Charr. Nach zwölf intensiven Runden ging es auf die Scorecards.

Die Punktrichter werteten den Kampf mit 2x 117-111 und 116-112 zugunsten von Pulev, was ein gerechtes Urteil war. Pulev war der technisch etwas bessere Mann, der konditionell stärker wirkte und Charrs harte Körpertreffer gut wegsteckte. Trotz der Niederlage braucht sich Mahmoud Charr jedoch nicht zu verstecken. Er bewies viel Kämpferherz und zeigte eine starke Leistung, insbesondere in Anbetracht seiner geringfügigen Aktivität und der Verletzungsgeschichte. Für Ulli Wegner war dieser Erfolg sicherlich ein Highlight: Mit 82 Jahren führte er Pulev zu einem WM-Titel, was einen würdigen Abschluss seiner großartigen Trainerkarriere darstellt.

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5 Kommentare

  1. Wo kann man sich bewerben?

    Bin 1,84m groß, aktuell 113 Kg schwer und traue mir einen Kampf gegen Pulev zu.. ach ja, ich bin 51 Jahre alt, habe nie geboxt und arbeite auf dem Bau – WBA Weltmeister wäre schon ein lukrativer – aber offensichtlich machbarer Titel 😉

    • na dann viel Spaß gegen einen Profiboxer… Selbstbewusstsein hast du auf jeden Fall…ich gönne dir den Titel…doch daran glauben tu ich nicht. Keine drei Runden dann war es das…

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