Kommentar: Jake Paul vs. Tommy Fury – Alles nur geskriptet?

Heute Abend fliegen zwischen Jake Paul und Tommy Fury in Diriyah, Saudi Arabien endlich die Fäuste! Nun tauchte ein Skript zum Kampf auf, welches dessen Ausgang angeblich vorgeben soll und das Runde für Runde! Doch was ist da wirklich dran?

Skript im Netz aufgetaucht – Ist Paul vs. Fury ein abgekartetes Spiel?

Zwischen dem YouTuber/Influencer Jake Paul (6-0, 4 KOs) und Tommy Fury (8-0, 4 KOs) herrscht seit Monaten Beef! Der Kampf der Beiden sollte schon zweimal stattfinden, zweimal scheiterte er allerdings – beide Male, weil Tommy Fury entweder die Einreise in die USA nicht gewährt wurde oder krankheitsbedingt verhindert war. Immer wieder war mächtig Musik im Spiel und die Ansetzung zwischen dem weltweit bekannten Content-Creator Jake Paul, dem man immer wieder vorwarf, gegen keine richtigen Boxer zu kämpfen und dem Reality TV-Star/Profiboxer Tommy Fury wurde immer weiter aufgebauscht.

Jake Paul und Tommy Fury Face to Face.

Nun soll der Fight endlich über die Bühne gehen! Apropos Bühne: Ist alles schon abgesprochen zwischen den Beiden? In den sozialen Medien tauchte nämlich ein angebliches Skript auf, welches Runde für Runde vorgibt, was passieren soll. Mike Perry, ein ehemaliger UFC-Kämpfer, der als Ersatzgegner auf Stand By steht, hat dies als erster geteilt. Weiterverbreitet hat es dann auch MMA-Fight Dillon Danis. Handelt es sich um eine Fälschung oder ist alles nur ein abgekartetes Spiel?

Paul vs. Fury Skript: Ein schlechter Fake

Tommy Fury wog heutigen offiziellen Wiegen 83,7 Kilo.

Ein trauriger Fakt vorweg: Dass manche Boxkämpfe abgesprochen/manipuliert sind, ist in der Welt des Berufsboxens, also da wo es um etwas zwischen Daumen und Zeigefinger geht, leider nichts neues. Ein in Deutschland bestens bekanntes Beispiel wäre Alexander Kage, dem genau dies nachgewiesen und über den in der „BILD“ breit berichtet wurde. Auch Ex-Schwergewichtsweltmeister Sonny Liston warf man vor, Kämpfe manipuliert zu haben.

Jake Paul wog beim offiziellen Wiegen 87,3 Kilo.

Während es bei Kage um vermutlich „nur“ einige hundert Euro Sponsorengelder, ein angeknackstes Ego und Selbstgeltungsdrang ging, ist bei Paul vs. Fury schon viel viel mehr im Pott. Der Kampf im Catchweight (zwischen Halbschwer- und Cruisergewicht) bringt beiden Kämpfern nicht nur eine erhebliche Summe Geld ein. Jake Paul soll Berichten zufolge ca. 8,5 Millionen und Tommy Fury 4,5 Millionen US-Dollar erhalten. Für sie steht zudem ein Ranking im Cruisergewicht beim Weltverband WBC im Falle eines Sieges zur Disposition (auf der Undercard findet im übrigen die WBC-WM zwischen Ilunga Makabu und Badou Jack statt) und natürlich auch die Gunst tausender Fans. Auch der Stolz der Kämpfer ist ein wichtiger Aspekt. Tommy Fury stammt aus einer Traveler Familie, ist der (Halb)Bruder des weltberühmten „Gypsy King“ Tyson Fury, der hier auch einen Ruf zu verlieren hätte. Möchte man sich dies alles „verspielen“, sollte die Absprache rauskommen? Unwahrscheinlich.

Aber, was soll eigentlich im Kampf passieren? Das obige Skript (siehe Bild), gibt Aufschluss: Während in den ersten beiden Runden typisches und durchaus mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretendes Boxgeplänkel geschrieben steht (beide nutzen häufig den Jab, Paul trifft mit einem Haken, Tommy Fury übernimmt das Geschehen im Ring), sollte man beim „Drehbuch“ für Runde vier erstmals stutzig werden. Dort wird nämlich beschrieben, dass Fury „Probleme mit seinem linken Auge“ bekommen wird. Okay, auch das kann man spielen, beispielsweise durch auffälligen Lidschlag, Reiben und Wischen.

Was allerdings nur schwer vorstellbar ist: in Runde fünf soll Furys Auge fast zugeschwollen sein. Gleichzeitig soll der Ringarzt hinzugezogen werden, der bescheinigt, dass der Halbbruder von Tyson Fury weiter boxen darf. Doch, kann man ein Zuschwellen des Auges herbeiführen? Ich habe bei BOXEN1-Redakteur und Ringarzt Dr. med. Sven Haladyn nachgefragt.

„Während des Kampfes ist es schwierig, das Auge zu ‚manipulieren‘. Tausende Kameras sind auf beide gerichtet, es schauen womöglich Millionen Zuschauer zu. Sowas bleibt nicht unbemerkt. Ein chemischer Reiz wäre denkbar, würde aber nicht plausibel aussehen. Man müsste, damit es real aussieht, beispielsweise mit einem Allergen arbeiten, um auch die Schwellung nachzustellen, die durch multiple Treffer entstehen kann. Das Allergen könnte man tatsächlich vorher zuführen, müsste es aber genau timen und wissen, wann das sog. Quincke-Ödem auftritt, welches dann aber auch noch einseitig sein müsste. Denn das ist schwer steuerbar, da sich systemisch zugeführte Allergene meist auch auf weitere Körperpartien auswirken (z.B. Nase, Lippen, anderes Auge, Anm.). Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ich halte es medizinisch allerdings für recht unwahrscheinlich“, so der studierte „Fight Doc“.

Im sechsten Durchgang soll Paul dann den Druck auf Fury erhöhen, da er „Blut gerochen“ hat. Fury soll massive Probleme bekommen, die seine Ecke in der siebten von angesetzten acht Runden in weitere Besorgnis versetzt. In der finalen letzten Runde, verpasst „The Problem Child“ Jake Paul seinem britischen Widersacher in der Diriyah Arena dann laut Skript einen massiven Punch, der Tommy Fury auf die Bretter schickt. Fury wird versuchen, hochzukommen, stolpert jedoch und fällt wieder. Erst dann zählt laut dem kursierenden Drehbuch der Referee erst an, was laut Regelwerk falsch wäre. Der dritte Mann im Ring muss nämlich genau dann mit dem Zählen beginnen, wenn ein Kämpfer aufs Canvas geht. Zu guter Letzt betritt nun der Ringarzt den Schauplatz, um Fury zu begutachten, wird aber weggewunken. Schlussendlich soll es die Augenverletzung sein, die den Referee dazu bewegt, den Kampf abzubrechen und Jake Paul zum Sieger durch TKO zu erklären.

Alles nur ein Marketing Stunt oder die Arbeit eines Internet-Trolls?

Jake Paul vs Tommy Fury und Derek Chisora mit dem extra von der WBC ausgelobtem Gürtel.

Es ist doch höchst unwahrscheinlich, dass das World Boxing Council, welches diesen Kampf sanktioniert und einen eigens kreierten „Diriyah Champion“-Gürtel für den Sieger auslobt, bei solch einem Hollywood-reifen Schauspiel beteiligt sein soll/will. Ein weiterer Fakt dafür, dass das Skript ein Fake ist: die auf dem Stück Papier stehende Promotion „Troop Boxing“ ist bei Google nicht auffindbar. Im Disclaimer werden rechtliche Schritte angedroht, die das „gewhistleblowte“ Dokument „echter“ wirken lassen soll. In meinen Augen ist vom ersten bis zum letzten Buchstaben alles Fake, Microsoft Word sei Dank. Die Frage ist nur: Marketing Stunt oder Werk eines Trolls?

Der PPV-Kampf, an dessen Einnahmen beide Boxer mitverdienen (Paul zu 65%, Fury zu 35%), könnte dank des Skripts durch cleveres Marketing am Kampftag nochmals gepusht werden. Die PPV-Zahlen, also die Anzahl derer, die sich ein Ticket zum Schauen des Kampfes kaufen, können mit diesem viral gegangenen Marketing Stunt durchaus nochmals erhöht werden. Hierzulande könnte sich die „BILD“ erfreuen, die das Spektakel live übertragen wird (ab 20 Uhr). Die Boxfans, die Jake Paul KO gehen sehen wollen, schauen mit Sicherheit zu, nun vielleicht aber auch die, die durch das Box-Drehbuch über acht Runden „angefixt“ sind und wissen wollen, ob das, was im Skript steht, tatsächlich eintritt und man Jake Paul endlich Manipulation nachweisen kann (bezichtigt wurde er derer schon mehrfach).

Was aber auch durchaus möglich sein könnten: es ist das Werk eines Internet-Trolls, der sich die Brisanz des Kampfes zunutze gemacht hat. Was die Intention am Ende auch immer war: das Dokument machte die Runde, Tausende teilten es, kommentierten und ich habe diesen Kommentar verfasst. Mission erfüllt!

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