Am Donnerstag fand ein Event in Paris statt. Sadjo bekam einen sehr unangenehmen und wehrhaften Gegner. Samake gewinnt hingegen kontrovers.
Das Zenith, Frankreichs wichtigste Konzerthalle, war am Donnerstag Schauplatz einer Boxveranstaltung. Samake Promotion lud zu einer interessanten Fightnight ein, bei der die beiden Hauptkämpfe mit aufstrebenden nationalen Stars bestückt sein sollten. Es war durchaus ein großer Moment für die französische Boxszene und wurde selbstverständlich live auf dem Pay-TV-Sender RMC Sport übertragen. Zwar gewannen beide Favoriten am Ende ihre Kämpfe, doch sie verliefen sehr unterschiedlich.
Puncher Sadjo überrennt seinen physisch starken Gegner nicht
Im Hauptkampf des Abends fand ein WBC-Silvertitelkampf im Supermittelgewicht statt. Die gefürchtete KO-Maschine Kevin Lele Sadjo (23-0) traf auf den argentinischen Kontrahenten Durval Elias Palacio (13-3). Sadjo, der amtierender Europameister ist, konnte in der jüngeren Vergangenheit auch seine Qualitäten gegen deutsche Boxer unter Beweis stellen. So wurden Sven Elbir (20-2) und Emre Cukur (21-3-1) jeweils vom Franzosen chancenlos in der siebten Runde gestoppt. Sadjo ist für seine offensive Herangehensweise bekannt. Er fühlt sich im Vorwärtsgang wohl und presst gerne im Infight, wodurch die Kontrahenten mit der Zeit das Volumen nicht mehr bewältigen können und zusammenbrechen. 20 seiner 22 Siege holte Sadjo somit vorzeitig. Palacio wurde im Vorfeld jedoch stark eingeschätzt, da er physisch viel mitbringt und zudem selbst einiges an Dynamit in den Fäusten hat.
Palacio bewies auch von Beginn an, dass er nicht des Geldes wegen nach Paris reiste, sondern aus sportlichen Ambitionen heraus. Immer wieder stürmte er auf Sadjo zu und konnte diesen ungewohnter Weise nach hinten drängen. Im Grunde kämpfte Palacio den Kampf von Sadjo. Im Infight war es zumeist jedoch der französische Favorit, der die leicht besseren Treffer verbuchte. Insgesamt waren die meisten Runden relativ eng, weil beide Boxer ein enormes Tempo gingen und kontinuierlich arbeiteten. Der besondere technische Feinschliff war jedoch nicht zu erkennen. Es lag auch daran, dass Palacio sich so sehr an Sadjo heranschob, dass die Schläge zu sehr in der Nahdistanz abgefeuert wurden und somit etwas an Kraft verloren. Den Schritt, mal herauszugehen und eine bessere Distanz zu schaffen, vollzogen beide nur selten.
Sadjo kommt dem WM-Kampf immer näher
Nach einer sehr ausgeglichenen ersten Kampfhälfte war es spannend zu sehen, wie sich der Kampf konditionell auf beide Boxer auswirkte. Ab Runde 8 schien es, als hätte Sadjo mehr im Tank und drückte ganz schön. Palacio blieb zwar standhaft und feuerte zurück, doch sein Output schwächelte etwas. In dieser Phase konnte Sadjo einige Runden für sich entscheiden und auch einen komfortablen Vorsprung erarbeiten. Palacio zeigte aber eine wirklich mehr als beachtliche Leistung und drückte sogar nochmals in den letzten beiden Runden. Beide Boxer zeigten konditionell wirklich eine bombastische Leistung und holten alles aus sich heraus. Besonders die 12. Runde war von der Intensität nochmals so stark, dass man sich fragen musste, woher die beiden Herrschaften solch eine Kraft noch mobilisieren konnten.
Am Ende gingen 12 harte, intensive und auch relativ enge Runden vorbei, und die Punktrichter sollten über das Resultat bestimmen. Sadjo erhielt in Runde 10 einen Punktabzug für wiederholtes Hinterkopfschlagen. Es war die einzige Handlung des sonst stark überforderten Ringrichters. Immer wieder schlug Sadjo unsauber und auch auf den Hinterkopf, was der schwache Ringrichter nie ahndete. Der Mann war völlig inkompetent oder absichtlich inaktiv. Mit diesem Geschmäckle kamen die Punktrichter auf ein einstimmiges Urteil, welches mit 118-108, 115-111 und 114-111 durchaus eng verlief, wenn man die eine parteiische Blindschleiche ignoriert.
Sadjo, der aktuell die Nummer 4 der WBC, 6 der IBF und 7 der WBO ist, kam durch diesen Erfolg einem WM-Kampf nochmals näher. Es zeigte sich jedoch auch, dass er, wenn die Gegnerqualität steigt, nicht mehr spielend leicht seine Gegner überrennen kann.
Samake siegt kontrovers im Co-Mainevent
Im Co-Mainevent standen sich Bakary Samake (16-0) und Julio Alamos (16-3) gegenüber. Samake, der erst 20 Jahre jung ist, hat in Frankreich einen regelrechten Hype um seine Person entfachen können. Mit Kampfsportinfluencern drehte er einige Sparringvideos, die millionenfach aufgerufen wurden. Die Franzosen sind heiß auf seine Kämpfe und sportliche Entwicklung, zuletzt schwächelte er jedoch beim Kampf gegen den erfahrenen Ahmed El Mousaoui (35-6-1). Mit Alamos stand nun ein harter Test bevor. Der Chilene ist in Deutschland bestens bekannt und stand zwei Mal bei Agon-Veranstaltungen im Ring. Björn Schicke (20-2-1) stoppte er eiskalt in Berlin. Daraufhin erfolgte in einem 50/50-Kampf eine knappe Punktniederlage um den IBO-Titel gegen Etinosa Oliha (20-0). Alamos wechselte nun die Gewichtsklasse und stieg aus dem Mittelgewicht in das Superweltergewicht ab, was ihn nochmals bedrohlicher erscheinen ließ.
Dies konnte man auch von Beginn an im Kampf beobachten. Der große Alamos bekam seine Führhand sofort etabliert und gewann das Jabduell gegen Samake. Der Franzose blieb in den ersten beiden Runden enorm blass, konnte in der dritten Runde aber dann zeitweise gut aufdrehen. Da er jedoch den Jab nicht etabliert bekam, setzte er immer wieder auf explosive Momente, wo er insbesondere mit dem linken Haken einiges an Gefahr ausstrahlte. Somit verhielt es sich so, dass er häufig die Highlight-Hände besaß, jedoch insgesamt von Alamos, der beständig traf, outworked wurde. Das liegt natürlich auch sehr nahe. Wenn man mit dem Jab nicht trifft, sondern getroffen wird, dann muss man über die Powerpunches ein deutliches Mehr verzeichnen, sonst ist die Runde weg. Und auch bei den Powerpunches gab es dieses Plus nicht, wodurch überwiegend die Runden an Alamos hätten gehen sollen.
Auswärtsreisen sind nicht empfehlenswert
In der zehnten und letzten Runde drehte Alamos nochmals auf. Er zeigte eine fantastische Leistung und drängte Samake teilweise an die Seile, bearbeitete ihn dort mit den Händen. Tatsächlich kam der Franzose aber kurz vor Ende nochmals hart durch und schickte Alamos erstmalig in seiner Karriere zu Boden! Ein Niederschlag komplett aus dem Nichts. Nun war man gespannt, wie die französischen Punktrichter den Kampf bewerten würden. Der Niederschlag war für Alamos auswärts natürlich sehr bitter und unnötig, doch eigentlich sollte seine forsche Leistung dennoch ausgereicht haben. Tja, eigentlich.
Bakary Samake 🇫🇷 lands a knockdown in the final seconds of the fight against Julio Alamos 🇨🇱. pic.twitter.com/iC6d1U77vz
— Permante (@PermantexG) June 13, 2024
Die Punktrichter werteten diesen Kampf 2x 97-91 und 96-92 jeweils für Samake, der den Niederschlag in der letzten Runde nicht einmal benötigt hatte. Da fehlen einem die Worte. Es kann nur abgeraten werden, sich als Boxer einem Auswärtskampf zu stellen. Sei es in Frankreich, Deutschland oder sonst wo – denn über die Punkte wird man dort fair praktisch nicht gewinnen können.
Julio Alamos 🇨🇱, el campeón de Santiago de Chile y verdadero ganador en París! pic.twitter.com/fnelBSYp51
— Permante (@PermantexG) June 13, 2024