Kambosos jr. überrascht Selby, Marshall und McCarthy siegen – die Undercard in London

Foto: Matchroom Boxing (Twitter)

Neben dem Schwergewichtskracher zwischen Oleksandr Usyk und Dereck Chisora standen in London weitere spannende Paarungen auf dem Programm. Während sich Lee Selby dem Australier George Kambosos jr. nach Punkten geschlagen geben musste, konnten Savannah Marshall und Tommy McCarthy wichtige Siege feiern.

George Kambosos jr. löst WM-Ticket mit starker Leistung gegen Lee Selby

Im Co-Mainevent erhielt der ehemalige Federgewichtsweltmeister Lee Selby (28(9)-3-0) die Gelegenheit, sich für eine erneute Titelchance zu empfehlen. Im Leichtgewichtsduell gegen den unbesiegten Australier George Kambosos jr. (19(10)-0-0) ermittelte die IBF den nächsten Pflichtherausforderer von Champion Teofimo Lopez, welcher den Gürtel vor zwei Wochen sensationell Vasyl Lomachenko abgeknöpft hatte.

Kambosos jr. hatte sich im Vorfeld des Kampfes äußerst selbstbewusst präsentiert. Und auch im Seilquadrat zeigte sich der Sparringspartner von Manny Pacquiao durchaus entschlossen. Aus der Ringmitte heraus versuchte er von Beginn an das Geschehen zu diktieren. Dabei benötigte er in den ersten beiden Runden aber häufig zu lange, um seine Aktionen zu beginnen. Selby zirkelte gut um Kambosos jr. herum und konnte die Begegnung zunächst mit seiner schnellen, aber wenig druckvollen Führhand kontrollieren. Ab der dritten Runde übernahm jedoch Kambosos jr. das Kommando und wusste mit einem soliden Jab, effektiven Meidbewegungen und explosiven Händen in der Halbdistanz zu gefallen. Dennoch ließ er zeitweise etwas Aktivität vermissen, um die Durchgänge klar für sich zu entscheiden. Selby bereitete weiterhin Angriffe mit seinem Jab vor, verpasste es aber zu oft, diese dann auch zu starten.

Ab der siebten Runde schien der 33-jährige Selby den Ernst der Lage zu erkennen und erhöhte seine Offensivbemühungen. Auch die rechte Schlaghand nutzte er nun häufiger. Es entwickelte sich ein enger Kampf, in dem beide Boxer ihre Momente hatten. In der zwölften und letzten Runde suchte Selby noch einmal den Vorwärtsgang, wurde jedoch mehrfach von Kambosos jr. abgekontert. Ein entscheidender Treffer gelang aber keinem der beiden Kontrahenten.

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Daher mussten nach zwölf Runden die Punktrichter über den Kampfausgang entscheiden. Während Phil Edwards mit 115:114 für Selby wertete, sahen Yury Koptsev und Daniel van de Wiele Kambosos jr. mit 118:110 und 116:112 vorn. Ein starker Erfolg für den 27-jährigen, der sich nun auf eine WM-Chance und den damit verbundenen großen Zahltag gegen Teofimo Lopez freuen kann.

TKO in Runde 7: Savannah Marshall überzeugt gegen Hannah Rankin

Im einzigen WM-Kampf des Abends duellierten sich Savannah Marshall (9(7)-0-0) und Hannah Rankin (9(2)-5-0) um den vakanten WBO-Gürtel im Mittelgewicht. Die beiden Britinnen sollten eigentlich schon vor zwei Wochen aufeinandertreffen. Ein positiver Corona-Test von Marshalls Trainer Peter Fury verhinderte jedoch kurzfristig den Kampf auf der Ritson-Vasquez-Undercard.

Beim Nachholtermin zeigte Marshall eine beeindruckende Leistung. In gewohnt lässiger Kampfhaltung bestach die ehemalige Amateurweltmeisterin von Beginn an mit eleganter Beinarbeit und schönen Meidbewegungen. Dadurch konnte sie sich den zu kraftvoll geschlagenen Händen der deutlich kleineren Rankin mühelos entziehen. Darüber hinaus zeigte sie sich auch offensiv äußerst variabel und sorgte insbesondere mit dem rechten Aufwärtshaken für sehenswerte Treffer. Ab der vierten Runde agierte Marshall deutlich aggressiver, ohne dabei die Übersicht zu verlieren. Rankin wirkte zunehmend überfordert und musste eine Vielzahl harter Hände nehmen. Im siebten Durchgang konnte die Schottin dem Dauerfeuer ihrer Gegnerin nicht mehr standhalten und ging kurz vor Rundenende auf die Knie. Obwohl Rankin Kampfbereitschaft signalisierte, brach Ringrichter Phil Edwards das einseitige Duell ab.

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Mit ihrem dominanten Auftritt konnte Savannah Marshall nicht nur ihren ersten WM-Titel im Profilager gewinnen, sondern auch ein klares Statement in Richtung ihrer Dauerrivalin Claressa Shields setzen. Diese konnte Rankin zwar vor zwei Jahren ebenfalls bezwingen, benötigte dafür aber die volle Distanz von zehn Runden.

Tommy McCarthy gewinnt glanzlos den EM-Titel

Der Nordire Tommy McCarthy (17(8)-2-0) konnte in London den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere feiern. Gegen den erfahrenen Belgier Bilal Laggoune (25(14)-2-2) genügte eine mäßige Leistung, um sich mit einem Mehrheitsentscheid den vakanten EBU-EM-Gürtel im Cruisergewicht zu sichern.

McCarthy fand schwierig in die Begegnung und wirkte in der Anfangsphase zu behäbig. Laggoune machte nur einen unwesentlich dynamischeren Eindruck, überzeugte aber durch einen schnellen Jab und sicherte sich die Auftaktrunden. Ab dem vierten Durchgang konnte der 29-jährige McCarthy den Kampf offener gestalten, ohne boxerisch sonderlich glänzen zu können. Bereits ab der Mitte des Zwölfrunders offenbarten beide Boxer konditionelle Defizite, wodurch die Begegnung zunehmend zerfahrener verlief. McCarthy landete in der zweiten Kampfeshälfte aber insbesondere zum Körper seines Kontrahenten die Mehrzahl der Treffer und konnte sich so die meisten Runden sichern. Nachdem Laggoune in der zehnten und elften Runde noch einmal aufdrehte, ließ McCarthy im Schlussdurchgang schließlich doch noch seine boxerische Klasse aufblitzen und zeigte schöne Aktionen aus dem Rückwärtsgang.

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Somit durfte er sich nach zwölf Runden den blau-goldenen Gürtel des Europameisters umschnallen. Im anschließenden Interview forderte McCarthy ein Duell gegen WBSS-Sieger Mairis Briedis. Mit seiner gezeigten Leistung dürfte er sich aber nicht für eine derart große Aufgabe empfohlen haben.

Zuvor feierte die für Somalia startende Ramla Amli ein erfolgreiches Profidebüt. Gegen die kurzfristig eingesprungene Eva Hubmayer (1(1)-1-0) aus Euskirchen dominierte die dekorierte Amateurboxerin alle sechs Runden. Ein vorzeitiger Sieg blieb ihr gegen die tapfere Hubmayer jedoch verwehrt. Im Auftaktkampf musste das erst 20-jährige Talent Amy Timlin (4(0)-0-1) den ersten kleinen Dämpfer ihrer noch jungen Profikarriere verkraften. Gegen die physisch robuste Carly Skelly (3(0)-0-1) reichte es nach zehn Runden nur zu einem Unentschieden.

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