K.O.-Punkte und ihre Wirkung – Teil 1: Der Kopf

Foto: Torsten Helmke

Am Wochenende war er wieder zu beobachten: der Knock-Out nach einem Schlag zum Kopf. Der Nigerianer Onoriode Ehwarieme ging im WBA International-Schwergewichtskampf gegen Zhan Kossobutskiy in der 4. Runde schwer K.O. Doch was genau passiert bei einem Knock-Out-Schlag zum Kopf im menschlichen Körper? Ungeachtet der weiteren K.O.-Punkte des menschlichen Körpers soll diese Fragestellung etwas näher beleuchtet werden.

Der Knock-Out nach Schlag zum Kopf – was passiert da im Körper eigentlich?

Schwergewichtsboxer bringen zweifelsohne die größte Kraft in ihre Schläge. Dies lässt sich physikalisch simpel erklären: Kraft = Masse x Beschleunigung. So können mit einem Schlag Kräfte um die 400-500 kg aufgebracht werden. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass sich Schlagkräfte dieser Größenordnung gesundheitlich negativ auswirken können.

In Studien konnte gezeigt werden, dass es aber gar nicht unbedingt eines kräftigen Schlages bedarf, sondern auch repetitive (also wiederholende) kleinere Traumata gegen den Kopf für Erschütterungen des Gehirns und folglich zum Knock-Out führen können. Angefangen von Kopfschmerzen über temporäre Benommenheit bis hin zum Bewusstseinsverlust gibt es eine Vielzahl an klinischen Symptomen. Aber was genau passiert eigentlich physiologisch im Körper beim Knock-Out?

Es ist nicht abschließend geklärt, welcher Mechanismus genau für den Knock-Out verantwortlich ist, jedoch gehen Wissenschaftler aktuell davon aus, dass insbesondere Rotationsbeschleunigungen des Gehirns für einen Knock-Out verantwortlich sind. Dies würde erklären, warum insbesondere die Kopfhaken und Upper-Cuts als K.O.-Waffe gelten, jedoch gerade Schläge diesen deutlich seltener verursachen.

Eine Hypothese ist, dass durch diese Rotationskräfte eine unkontrollierte Freisetzung von Neurotransmittern und Aktionspotenzialen im Hirn erfolgt und sich dieses aufgrund der vorherrschenden Reizüberflutung buchstäblich kurzfristig abschaltet. Diese These kann jedoch nicht vollständig belegt werden, da der Knock-Out damit einem epileptischen Anfall sehr ähneln würde, ohne die typische Anfallssymptomatik hervorzurufen.

 

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Auch Verletzungen der Axone (Nervenzellfortsätze) sind ein möglicher Erklärungsansatz, wobei hierdurch eher die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit erklärt werden können, jedoch nicht der akute Knock-Out mit Bewusstseinsverlust.

Schließlich verfolgen aktuelle Forschungen einen Ansatz, der sich Mechanoporation nennt: dieses Erklärungsmodell geht davon aus, dass durch die einwirkenden Rotationskräfte Scherkräfte an der Zellmembran der Nervenzellen entstehen und so kurzzeitig Poren in diesen Zellmembranen entstehen, durch welche Aktionspotentiale gehemmt werden. Damit könnte man den kurzzeitigen Bewusstseinsverlust im Rahmen des Knock-Outs erklären, jedoch sind hier noch weitere Untersuchungen notwendig, um eine dieser Theorien vollständig zu bestätigen.

Referenzen:

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Hånell A, Rostami E. How Can a Punch Knock You Out?. Front Neurol. 2020;11:570566. Published 2020 Oct 26. doi:10.3389/fneur.2020.570566

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