Eine Vor-Betrachtung zum WM-Kampf am Wochenende von Ebby Thust

Dieser Kampf wird mit Sicherheit der Schwergewichts-Kampf des Jahrzehnts werden, ein Kampf der Box-Geschichte schreiben wird und schon bevor die Beiden überhaupt am kommenden Samstag in den Ring steigen werden, sogar schon Geschichte geschrieben hat: Denn noch niemals in der Geschichte des im Jahre 2007 neu erbauten Wembley Stadions wurden über 90.000 Eintrittskarten für eine Veranstaltung verkauft.
Dies wird auch wohl kaum noch übertroffen werden können, denn mehr geht einfach nicht. Aus diesem Grund ist das schon einmal vorweg ein Rekord der Superlative, ein Rekord für die Ewigkeit der in die Geschichte dieses ehrwürdigen Stadions eingehen wird.

In England sind ca. 90% aller Box-Fans davon überzeugt, dass „ihr“ Landsmann Anthony Joshua, den inzwischen alle nur noch „AJ“ nennen, Wladimir Klitschko in Rente schicken wird. Bei den Buchmachern und Wettbüros ist Wladimir Klitschko der 1:2,75 Außenseiter. Auch ich werde täglich inzwischen sogar mehrmals gefragt wie ich diesen Kampf sehe und vor allem aber wen ich als Sieger tippe.

Meist bin ich selbst bei einem großen Kampf auch befangen, weil ich oft einen der beiden Hauptkämpfer persönlich gut kenne oder sogar mit ihm befreundet bin, erst recht wenn es sich um einen deutschen Athleten handelt und deshalb bin auch ich dann wohl eher subjektiv in meiner Einschätzung, weil dann natürlich auch das Herz und viel Sympathie mit entscheidet.
Allerdings sehe ich mich hier vor diesem Kampf doch schon eher als relativ unbefangen und sicher auch als ziemlich objektiv, denn wer mich kennt weiß, dass ich kein bekennender Klitschko-Fan bin, was aber nichts mit der Person oder dem Menschen Wladimir zu tun hat. Aus dieser Sicht ist er sicher ein toller und sympathischer Typ, aber ich sah das immer aus der Sicht eines Box-Begeisterten und da hat mir der Stil den Wladimir geboxt hat eher nicht gefallen. Diesen doch etwas langweiligen „Safety First Style“ von Wladimir fand ich eher unattraktiv und fand das hatte eher etwas mit Faust-Fechten oder Schachspielen als mit Boxen zu tun.
Auch das immer sich wiederholende Geklinsche und das Drauflegen auf seinen Gegner, das Unterbinden von längeren Kampfhandlungen, alles das hat mich kein Klitschko-Fan werden lassen. Aber ich stehe mit dieser meiner Einschätzung und Sichtweite von Klitschkos Kampfstil ja auch nicht alleine, denn genau dieser Boxstil des Anti-Boxens hat Wladmir selbst in Deutschland zu einem unbeliebten Weltmeister gemacht. Deshalb habe ich ihn auch im Titel dieses Beitrages den „Ungeliebten“ genannt.

Denn auch wenn Anthony Joshua in London die Goldmedaille im Schwergewicht gewonnen hat, dann ist sicher noch einigen Boxkennern im Gedächtnis geblieben, dass diese Goldmedaille doch damals auch schon etwas wie ein Geschenk des Amateur-Box-Weltverbandes AIBA an den Veranstalter der Olympischen Spiele London war, als dass Joshua im Ring von London das Schwergewicht beherrscht hätte.
Denn schon im Achtelfinale stand Joshua gegen den Kubaner Erislandy Savon vor dem Ausscheiden und kam hier nur durch ein mehr als kontroverses Punkturteil mit 17:16 eine Runde weiter und auch im Finale gegen den Italiener Roberto Cammarelle führte der Italiener, nach dem er die 1. und 2. Runde des Finales klar gewonnen hatte, eigentlich schon fast uneinholbar nach Punkten und dann bekam Joshua in der dritten Runde auf einmal eine Wertung mit 3 Punkten Differenz, so dass es am Ende 18:18 unentschieden stand.
Nach langem hin- und herrechnen hinter den Kulissen, wurde dann Joshua zum Olympiasieger erklärt und selbst die britischen Newspapers titelten damals: „Joshua wins gold medal on controversial decision over Cammarelle.“ Man kann sich übrigens heute noch beide vorgenannten Kämpfe auf Youtube anschauen und sich so selbst einen Endruck verschaffen.

Seit der inzwischen 27-jährige Joshua im Jahre 2013 seinen ersten Profikampf bestritt, wurde um den Olympiasieger von London ein unglaublicher Hype gemacht. Ganz England träumte vom ersten Tage seiner Profikarriere von einem neuen Lennox Lewis. „AJ“, wie ihn selbst die Medien inzwischen nur noch nennen, besitzt zwar den Körper eines Mister Universums, obwohl dies für Puristen des Boxsports an sich kein Attribut ist das für die Qualität eines Schwergewichtsboxers steht und letztlich auch kein Garant dafür ist harte Schläge wegzustecken.
Joshua ist zwar sehr schnell und hat auch richtig Power in seinen Schlägen, aber man sieht bei ihm kaum Meid-Bewegungen und seine Beinarbeit ist die eines Anfängers und nicht die eines Champions. Und dann muss man sich hinterfragen: Wen hat denn Joshua bisher geboxt bzw. mit welchen Gegnern hat er denn bisher im Ring gestanden?

Cornish hatte zwar einen makellosen Rekord, der aber nur durch handverlesene Gegner zustande kam. Danach boxte er gegen Dillian Whyte den er zwar in der 7. Runde bezwang, aber hier merkte man erstmals, dass Joshua auch verwundbar ist, nachdem er von einem linken Haken Whites doch schon mächtig ins Wanken geriet.
Den IBF Titel holte sich AJ dann vor fast genau einem Jahr gegen den wohl schwächsten Schwergewichts-Weltmeister aller Zeiten, gegen Charles Martin. Danach absolvierte er zwei Titelverteidigungen gegen Dominic Breazeale und gegen den überschätzten Eric Molina. Das sind alles keine großen Namen aus den Top Ten der internationalen Schwergewichtsszene. Deshalb halte ich Anthony Joshua für den am meisten ungetestesten Schwergewichts-Champion in der modernen Geschichte des Boxens.

Anthony Joshua ist sicher durch härtestes Training in einer guten Verfassung und er hat den Körper eines Adonis, aber ist er auch physisch und physiologisch schon soweit um gegen einen Wladimir Klitschko bestehen zu können?
Sein Gegner Wladimir Klitschko ist mittlerweile die Verkörperung eines getesteten Kämpfers. Ein Veteran mit absolvierten 29 WM-Kämpfen und 68 Fights insgesamt. Seit seinem Profidebut im Jahre 1996 hat der 41-jährige Ukrainer schon einige Kilometer auf dem Tacho seiner Boxkarriere. Dennoch ist er immer noch hungrig um den WM-Titel, den er gegen den Briten Tyson Fury im Jahr 2015 verloren hat, zurückzuerobern.

Aber das scheint alles wie weggewischt, wie vergessen, nur weil Wladimir einmal einen schlechten Tag gehabt hat und gegen einen starken Tyson Fury nach Punkten verloren hat. Zwar waren da auch einige dieser Kämpfe dabei die Boxkenner nicht so mögen und die ihm eben den Namen „Der Ungeliebte“ eingebracht haben, aber wenn Wladimir mit einem solchen Herzen und einer solchen Schlagkraft boxt ,wie er das im Kampf gegen Kubrat Pulev gezeigt hat, dann werden ihm auch wieder die Herzen derer zufliegen, die seine Kämpfe eintönig und langweilig fanden.
Und es spricht auch für Wladimir Klitschko, dass er sofort wieder gegen Fury boxen und dieses Scharte auswetzen wollte, aber er wurde gleich zwei Mal von Fury versetzt bis der Revanchekampf dann ganz platzte. Und Wladimir suchte sich dann nicht etwa einen Parker oder einen Wilder oder einen Gegner den er sich hätte selbst aussuchen können um den vakanten WBA Titel zu boxen, nein Wladimir Klitschko wollte gegen den vermeintlich Besten antreten um sich seine verlorenen WM-Titel zurückzuholen und deshalb hat er sich Anthony Joshua ausgesucht.
Beim Schreiben dieses Artikels merke ich inzwischen, dass meine vorhin noch erklärte Objektivität nun doch schon ein bisschen in Richtung Klitschko ausschlägt. Deshalb meine Prognose: Ich sehe am Samstagabend Wladmir Klitschko als neuen Dreifach-Weltmeister im Schwergewicht, vielleicht sogar durch einen KO-Sieg in der zweiten Hälfte des Kampfes.
Wer gewinnt im Schwergewichts-Mega-Fight zwischen Anthony Joshua und Wladimir Klitschko?
- KO-Sieg Wladimir Klitschko (41%, 146 Votes)
- KO-Sieg Anthony Joshua (29%, 103 Votes)
- Punktsieg Wladimir Klitschko (20%, 70 Votes)
- Punktsieg Anthony Joshua (8%, 29 Votes)
- Draw - Unentschieden (2%, 6 Votes)
Abgegebene Stimmen: 354









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