Interview mit Dr. Harry Kappell

Trägt viel Verantwortung – Dr. Harry Kappell

Dr. Harry Kappell: Er soll den DBV auf Erfolg trimmen

Seit Oktober 2014 ist Harry Kappell der leitende Trainer des Deutschen Boxsport-Verbands. Der promovierte Sportwissenschaftler ist vom Fach. Bei Fiete von Thien, der Trainerlegende der SG Dynamo Wismar, hat er das Boxen gelernt.

Er drückte gemeinsam mit Michael Timm und Karsten Röwer die Schulbank an der Kinder- und Jugendsportschule in Schwerin. Während Röwer für Sauerland Box Promotion arbeitet und Jürgen Brehmer coacht, wechselte Timm 2012 vom Universum Boxstall zum DBV. Jetzt arbeiten die beiden zusammen.

1976 gewann Kappell Silber bei der DDR Jugend-Meisterschaft. 2009 war Kappell als Trainer beim Deutschen Boxverband angestellt. Im gleichen Jahr gewann er auf der Weltmeisterschaft in Mailand mit Jack Culcay die Goldmedaille. Ronny Beblik holte Bronze. Fünf weitere Boxer kamen bis ins Viertelfinale. „Das beste Abschneiden seit 15 Jahren“, freute sich der Coach damals.

Ein Jahr später trennten sich Kappell und der DBV. Seine Ansichten über den Leistungssport waren mit denen der DBV-Verantwortlichen nicht vereinbar. Zu unterschiedlich waren die Meinungen, wie sich das deutsche Boxen weiterentwickeln müsste. Kappell wollte dem Verband bei seiner Entwicklung nicht im Weg stehen und entschied sich für seinen Rückzug.

Es war nur eine Trennung auf Zeit, denn 2013 holte ihn Lothar Heine, Präsident des Landesverbands Brandenburg, als sportlichen Leiter an den Olympiastützpunkt Frankfurt/Oder.

18 Monate später wechselte er zurück zum DBV in sein neues Amt. Kappells Verantwortung ist groß, denn wie alle anderen Sportverbände sind auch die Boxer von den Fördergeldern des Bundesministeriums des Inneren (BMI) abhängig. Und die Förderung des BMI ist nur für die Verbände ausreichend, die erfolgreich sind. Der Gradmesser für den Erfolg hat einen Namen, er lautet: Olympische Spiele in Rio de Janeiro.

Was hat der Neue im DBV vor und wie sind die Aussichten für Rio? Beim Chemiepokal in Halle nahm sich Dr. Kappell die Zeit, die Fragen zu beantworten.

Frage: Dr. Kappell, im Mai veranstalteten Sie in Hennef einen Lehrgang zur Vorbereitung auf die Euro-Games. Diesmal war er anders organisiert als seine Vorgänger. War der Lehrgang ein Signal für den Aufbruch zu neuen Ufern?

Dr. Kappell: Wir haben die bisherige Marschroute verlassen und den Lehrgang neu strukturiert sowie andere Inhalte gesetzt. In der Wettkampfvorbereitung gehen wir jetzt auf jeden Boxer individuell ein und entwickeln ihn weiter, abhängig von dessen Trainingsstand. Darüber hinaus ist es mir wichtig, enger mit den internationalen Boxverbänden zusammenzuarbeiten. Deshalb hatten wir sie auch zum Trainingslager nach Hennef eingeladen.

Frage: Wo sehen Sie den DBV in fünf Jahren?

Dr. Kappell: Die Frage ist schwer zu beantworten, denn die Antwort hängt von dem Ergebnis der Deutschen in Rio ab. Wenn alles gut verläuft sehe ich uns in fünf Jahren wieder mit vorne an der europäischen Spitze.

Frage: In Hennef sagten Sie, dass sie sich über zwei Medaillen bei den Euro-Games freuen würden. Fünf Bronzene sind es geworden. War das professionelle Tiefstapelei?

Dr. Kappell: Die beiden Medaillen bei den Männern hatte ich erwartet, einer hätte die Spiele gewinnen können. Bei den Frauen hatte ich auf eine Medaille gehofft. Dass es dann drei geworden sind, freut mich sehr. Wir hatten auch die Vorbereitung der Frauen geändert und sie in den Lehrgang in Hennef integriert. Es hat sich bewährt.

Frage: Der DOSB hält das Boxen für eine Sportart mit Medaillenchancen und sieht das Potential für mehrere Top-Acht-Platzierungen. Bei den nächsten olympischen Spielen hat man dem DBV zwischen einer und drei Medaillen in die Zielvereinbarung geschrieben. Schaffen wir das?

Dr. Kappell: (Lächelt) Na klar!

Frage: Vor einiger Zeit hat DBV-Vize Erich Dreke gesagt, dass er Angst davor hat, dass der deutsche Nachwuchs von der Weltspitze abreißt. Ist diese Gefahr gebannt?

Dr. Kappell: Nein, die Gefahr ist immer noch da und wir arbeiten dagegen. Wir müssen bei der Talentsichtung und -Förderung ebenfalls neue Wege gehen. Dafür erarbeiten wir gemeinsam mit dem IAT (Institut für angewandte Trainingswissenschaften) ein Talentförderungskonzept. Derzeit liegt aber der Fokus auf dem Erreichen unserer Ziele für die olympischen Ziele.

Frage: Viele sprechen von einem Qualifizierung-Wirrwarr für die Olympischen Spiele. Stichwörter sind olympische Boxer, WSB und die APB-Profis. Können sie hier ein wenig Licht ins Dunkel bringen?

Dr. Kappell: Die olympischen Boxer können sich über die Weltmeisterschaft in Doha qualifizieren. Zusätzlich wird es ein Turnier in Istanbul geben, über das die Europäer weiterkommen können und dann ein weltweites in Baku.

Die WSB hat eine eigene Rangliste. Hier fahren automatisch die ersten Beiden pro Gewichtsklasse nach Rio. Die Boxer ab Platz drei können über den Pfad der olympischen Boxer weiterkommen, d.h.: Doha, Istanbul und Baku.

Darüber hinaus wird es ein Qualifikations-Turnier in Sofia geben, an dem alle Athleten teilnehmen können, die jemals in der WSB oder APB geboxt haben.

Kommen wir zur AIBA-Pro Serie. Zuerst möchte ich mit einem Trugschluss aufräumen. In der AIBA boxen keine Profis. Deshalb reden wir von AIBA-Pro Boxern. Die Regeln mit denen der Profi Verbände -sind ähnlich. Beispielsweise boxen die AIBA-Pro‘s mit freiem Oberkörper. Der wesentliche Unterschied ist, dass sie an den olympischen Spielen teilnehmen dürfen, und das darf kein Berufsboxer.

Für Rio sind alle AIBA-Pro Weltmeister automatisch qualifiziert und unser Erik Pfeifer ist einer von ihnen.

Quelle (Text/Foto): Wolfgang Wycisk, DBV

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