Heute vor 20 Jahren: Wladimir Klitschko schickt Axel Schulz in Ruhestand!

„Die Stunde der Wahrheit“, so lautete das Motto, als sich am 25. September 1999 der einstige dreifache WM-Anwärter Axel Schulz und der damals aufstrebende Wladimir Klitschko um die vakante Europameisterschaft im Schwergewicht gegenüberstanden. BOXEN1 blickt zurück auf jenes richtungsweisende Duell, für das sich fast elf Millionen TV-Zuschauer interessierten.

Axel Schulz – Liebling der Massen!

Der deutsche Boxsport erlebte in den 1990er-Jahren eine Art ‚Wiederauferstehung‘. Nachdem sich Henry Maske 1993 den Weltmeistertitel im Halbschwergewicht sicherte und mit seinen anschließenden Titelverteidigungen ganze Hallen füllte sowie Millionen Zuschauer vor die TV-Geräte lockte, brandete der sogenannte „Box-Boom“ auf. Doch auch Maskes Trainingskollege Axel Schulz hat einen entscheidenden Anteil daran, dass der Privatsender RTL bis dahin unvorstellbar hohe TV-Quoten erzielen konnte.

Unvergessen: Axel Schulz (links) nach seinem WM-Kampf gegen George Foreman 1995.

Als der damals 26-jährige Axel Schulz im April 1995 die Chance bekam, nach Max Schmeling der erste deutsche Schwergewichts-Weltmeister zu werden, war die Euphorie dementsprechend groß, als der Schützling von Trainer Manfred Wolke gegen die US-Boxlegende George Foreman im MGM Grand in Las Vegas um die IBF-WM boxte. Obwohl Schulz selbst nach Ansicht vieler US-Experten und Fachjournalisten als Sieger hätte feststehen müssen, blieb Foreman durch einen überaus kontroversen Punktsieg weiterhin im Besitz des WM-Gürtels. BOXEN1-Gründer und Chefredakteur Ebby Thust, der damals live am Ring saß, erinnert sich: „Diesen Fight werde ich nie vergessen! Axel hat den Kampf seines Lebens gemacht und wurde schlichtweg verschaukelt. Wir alle waren damals sehr stolz auf Axel!“

Ebby Thust (links) mit Axel Schulz.

Trotz jener unverdienten Niederlage, wurde Schulz über Nacht berühmt und war seither fest verankert in den Herzen der deutschen Boxfans. Nachdem sich Foreman weigerte, erneut gegen Schulz anzutreten, kämpfte der Deutsche aus dem Sauerland-Stall im Dezember 1995 in Stuttgart um den nun vakanten IBF-Titel. Vor über 18 Millionen TV-Zuschauern boxte der „Weltmeister der Herzen“ gegen den bis dato ungeschlagenen Südafrikaner Francois Botha, dem er ebenso umstritten nach Punkten unterlag. „Die Niederlage gegen Botha war die mit Abstand schmerzhafteste Erfahrung, die ich in meiner Karriere machen musste. Plötzlich waren viele Anhänger aus meinem engsten Umfeld nicht mehr da. Das hat mich sehr geprägt!“, sagte Schulz später mehrfach in Interviews.

Doch aufgrund eines positiven Doping-Befundes bei Botha, erhielt Axel Schulz eine dritte WM-Chance. Im Juni 1996 verlor Schulz in Dortmund gegen Michael Moorer wiederum knapp – aber nicht zu Unrecht – nach Punkten. Trotz den vergeblichen WM-Versuchen blieb Axel Schulz dennoch ein beispielloser Sympathieträger.

Bis 1998 bestritt Schulz noch fünf Aufbaukämpfe, u.a. gegen den späteren Mike Tyson-Bezwinger Kevin McBride (Tko-Sieg für Schulz in Rd. 9; Anm. d. Red.), die er allesamt gewann. Nach einer Bandscheiben-OP stand Axel Schulz vor der Frage, wie es nun weitergehen soll. „Ich stand vor der Wahl, meine Karriere zu beenden oder noch einen großen Kampf zu machen. Ich habe mich für Letzteres entschieden!“, gab Schulz einst zu Protokoll.

Die Klitschkos starten durch!

Wladimir und Vitali Klitschko, mit der leider schon verstorbenen Trainer-Legende Fritz Sdunek (Mitte).

In den Jahren 1997/98 brachten sich zwei ukrainische Brüder immer wieder ins Gespräch und forderten öffentlich nach einem Duell mit Axel Schulz. Vitali und Wladimir Klitschko waren seit Ende 1996 beim Hamburger Boxstall ‚Universum‘ unter Vertrag und sorgten jeweils mit einem Ko-Sieg nach dem anderen für Furore. Wladimir Klitschko, der als der boxerisch talentiertere Bruder galt und 1996 sogar Olympiasieger wurde, ließ in Interviews kaum eine Gelegenheit aus, um eine verbale Spitze in Richtung Schulz zu senden.

Ebby Thust begleitete auch die frühen Anfänge der Klitschkos.

Jedoch musste der jüngere Klitschko-Bruder im Dezember 1998 eine schockierende TKO-Niederlage einstecken, als er im heimischen Kiev gegen den als Journeyman verplichteten Ross Puritty – haushoch nach Punkten führend – durch Trainer Fritz Sdunek im elften Durchgang aus dem Kampf genommen wurde. Doch die mentale Verarbeitung der Puritty-Niederlage schien nicht allzu lange gedauert zu haben! Wladimir Klitschko bestritt danach vier Kämpfe, die er ausnahmslos vorzeitig für sich entschied. Während sein knapp fünf Jahre älterer Bruder Vitali im Juni 1999 in London den Lokalmatador und Titelverteidiger Herbie Hide bereits in der zweiten Runden als WBO-Weltmeister entthronte, lauerte Wladimir auf das von den Medien langersehnte Duell mit Axel Schulz. Noch im selben Jahr, sollte es schließlich dazu kommen.

„Die Stunde der Wahrheit“ – Klitschko lässt Schulz keine Chance!

Nach monatelangen Verhandlungen, war es letztlich soweit! Obwohl selbst engste Vertraute von Axel Schulz gegen das Duell mit dem damals 23-jährigen Klitschko waren, bewies der Schützling von Trainer Manfred Wolke Mut und Charakter, als sich der in Frankfurt (Oder) lebende Schwergewichtler für den Fight gegen den aufstrebenden Wahl-Hamburger entschied. Im Kampf um die vakante Europameisterschaft im Schwergewicht, standen sich Schulz und Klitschko am 25. September 1999 in der Köln-Arena (heutige Lanxess-Arena; Anm. d. Red.) gegenüber. Besondere Brisanz erzielte das prestigeträchtige Duell auch deshalb, weil es das Gipfeltreffen der beiden damals größten deutschen Boxställe (Universum und Sauerland-Event) war.

Neben den 18.000 Zuschauern in der Halle, wollten sich fast elf Millionen Menschen vor den TV-Geräten das Box-Spektakel nicht entgehen lassen. Axel Schulz war nach wie vor der Publikumsliebling aller Deutschen. Die Stimmung in der Arena ist Zeitzeuge Ebby Thust selbst nach zwanzig Jahren immer noch im Gedächtnis geblieben. Thust: „Die Leute waren klar auf der Seite von Axel. Es war eindrucksvoll, wie geschlossen die Menschen hinter ihn standen. Dennoch habe ich Wladimir schon im Vorfeld als klaren Favoriten gesehen.“ Letztlich, sollte sich jene Vorahnung relativ schnell bewahrheiten.

Schon in der ersten Runde machte der sieben Jahre jüngere Wladimir Klitschko klar, wer der Chef im Ring ist. Mit seiner langen linken Führungshand behauptete der Ukrainer stets die richtige Distanz. Axel Schulz, der gegen seinen Widersacher in punkto Reichweite um circa zehn Zentimeter im Nachteil war, fand zu keinem Zeitpunkt in den Kampf. Klitschko dominierte Schulz nahezu nach Belieben. Bereits im fünften Durchgang hatte es den Anschein, als würde das ungleiche Gefecht ein Ende finden, nachdem Axel Schulz mehrfach schwere Treffer kassieren musste. Doch Schulz, dessen Augenpartie inzwischen arg geschwollen war, blieb standhaft und versuchte weiterhin das ‚Unmögliche‘ möglich zu machen.

In Runde acht folgte schließlich das, was sich in den sieben Durchgängen zuvor angekündigt hatte. Klitschko schickte Schulz mit einer krachenden Rechten erstmals zu Boden. Es war im Übrigen das erste Mal, dass Axel Schulz in seiner Karriere angezählt wurde. Dieser kam sofort wieder auf die Beine und stellte sich wiederum dem Kampf. Allerdings sollte es nicht lange dauern, ehe der klar überlegene Ukrainer seinen chancenlosen Gegner mit einer erneuten rechten Schlaghand in die Ringseile beförderte. Daraufhin brach Ringrichter Daniel van De Viele, nach 2:42 Minuten in der achten Runde, das einseitige Duell ab.

Durch den eindrucksvollen Sieg gewann Wladimir Klitschko nicht nur den EM-Titel im Schwergewicht. Die Zuschauer feierten den Sieger mit Sprechchören und lang anhaltendem Applaus. Aus heutiger Sicht, ist der Schulz-Triumph vielleicht als eine Art ‚Türöffner‘ in der öffentlichen Wahrnehmung der Klitschkos in Deutschland zu betrachten. Wladimir Klitschko ging seinen Weg und beherrschte das Schwergewicht fast ein ganzes Jahrzehnt lang als Weltmeister – der Rest ist Geschichte! Axel Schulz hingegen, erklärte nach der Klitschko-Pleite seinen Rücktritt vom Boxsport, ehe er im November 2006 für ein erfolgloses Comeback noch einmal in den Ring zurückkehrte.

Axel Schulz genießt auch heute noch öffentliche Anerkennung.

Der heute 50-jährige Schulz hat allerdings an seiner Popularität nichts eingebüßt und genießt immer noch – zu Recht – einen hohen Beliebtheitsgrad. Ebby Thust ist angesichts der heutigen Wertschätzung der beiden ehemaligen Rivalen sehr erfreut: „Wladimir und Axel haben einen großen Anteil daran, dass der deutsche Boxsport einen solch positiven Stand in unserer Gesellschaft hat. Ich freue mich sehr darüber, dass diese beiden inzwischen gestandenen Männer immer noch so beliebt sind. Das haben sie sich verdient!“ Wladimir Klitschko und Axel Schulz pflegen heute, laut eigenen Aussagen, einen freundschaftlichen Kontakt.

Klitschko vs. Schulz – Der komplette Fight im Video:

…. und das Wiedersehen 20 Jahre danach:

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