Hanna von Wirth: Auswanderung und der Traum vom Profiboxen

Hanna von Wirth beim Training in Thailand.

Hanna von Wirth stammt aus Hahn und studierte in Düsseldorf. Der Liebe wegen zog es sie vor einigen Jahren nach Südafrika, wo sie bis heute lebt. Die Beziehung zerbrach – doch eine neue Leidenschaft entflammte: das Boxen.

Während andere in ihrem Alter die Handschuhe an den Nagel hängen, startet die 32-Jährige als Quereinsteigerin erst richtig durch. Unter abenteuerlichen Bedingungen gab sie ihr Profidebüt – ausgerechnet in Malawi, einem der ärmsten Länder der Welt, und gegen eine deutlich schwerere Gegnerin. Eine Niederlage folgte – aber der Traum vom Boxen lebt weiter.

Im Gespräch mit Boxen1 erzählt Hanna von ihrem ungewöhnlichen Werdegang, ihren Erfahrungen als Auswanderin und warum sie trotz Rückschlägen fest an ihre Ziele glaubt.

Das Boxen1-Interview mit Hanna von Wirth

Boxen1: Hallo Hanna, du bist ausnahmsweise mal wieder in Deutschland. Wie geht es dir?

Hanna von Wirth: Das ist richtig. Danke, mir geht es sehr gut.

Was vermisst du – neben deiner Familie – am meisten hierzulande?

Freunde und die Familie am allermeisten. Und den ganzen Süßkram, den es in Südafrika nicht gibt. lacht

Viele Menschen träumen davon, auszuwandern und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, doch sie trauen sich oft nicht, das Wagnis einzugehen. Was kannst du solchen Menschen aus eigener Erfahrung mit auf den Weg geben?

Nicht zu viel darüber nachdenken – einfach machen. Ich habe mir immer gedacht: Was soll schon schiefgehen? Und wenn etwas schiefläuft, kann ich ja immer noch wieder zurückkommen. Ich glaube, wenn einem etwas lange genug im Kopf herumschwirrt, dann sollte man es auch einfach machen – einfach wagen.

Was führte dich nach Kapstadt?

Ursprünglich die Liebe – mein damaliger Partner kam aus Südafrika. Wir haben anfangs relativ lange eine Fernbeziehung geführt und sind immer zwischen Deutschland und Südafrika gependelt. Nach meinem Studium habe ich mich dann entschieden, nach Kapstadt zu ziehen.

Du hast dort auch die Freiheit, deiner Arbeit nachzugehen.

Ich habe einen deutschen Arbeitsvertrag und bin bei einem globalen Unternehmen angestellt, das in Deutschland sowieso kein Büro hat. Das heißt, alle Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice. Dementsprechend hatte ich das große Glück, dass mein Arbeitgeber gesagt hat: Solange du in Deutschland gemeldet bist, ist es uns egal, wo du dich aufhältst.

Direkt am Meer zu leben bedeutet einfach eine andere Lebensqualität

Hanna von Wirth auf dem Lion’s Head Mountain in Kapstadt.

Und wie lebt es sich in Kapstadt? Was erscheint dir dort besonders reizvoll?

Vieles – am allermeisten die Umgebung. Direkt am Meer zu leben bedeutet einfach eine andere Lebensqualität. Alles, was damit einhergeht: der Strand am Wochenende oder die fast täglichen Läufe entlang der Promenade. Die Umgebung ist das, was mich an Kapstadt am meisten reizt.

Und wie bewertest du die südafrikanische Lebenseinstellung im Vergleich zur deutschen – was sind da die großen Unterschiede?

Ich würde sagen, es ist wesentlich offener und herzlicher. Aber das ist vermutlich nicht nur in Südafrika so, sondern in ganz vielen Ländern, wenn man es mit Deutschland vergleicht. lacht Sehr freundlich, aufgeschlossen und entspannt – egal, ob man an der Kasse steht oder im Auto unterwegs ist: Die Leute sind definitiv sehr entspannt.

In Südafrika gibt es zahlreiche Boxgyms. Du hattest ursprünglich nicht viel mit Boxen zu tun, hast dich aber längere Zeit dem Kraftsport gewidmet. Wie kam es zur Entdeckung deiner neuen Leidenschaft?

Ja, richtig. Also ich war tatsächlich eine richtige „Gymaus“, bevor ich nach Kapstadt gezogen bin. Als ich dann dort war, habe ich mir zunächst ein neues Gym gesucht, aber das Ganze hat mich einfach nicht mehr so gereizt. Dieses stumpfe Gewichte stemmen… Ich bin dann immer seltener gegangen und war irgendwann total unzufrieden, weil ich mich nicht ausgelastet gefühlt habe.

Ich war schon immer jemand, der sehr viel Sport gemacht hat, und deshalb auf der Suche nach etwas Neuem, das mich fordert und fit hält. In Kapstadt gibt es vor allem super viele Boxgyms – viele davon bieten Fitnessboxen an. Da habe ich mir einfach gedacht: Probier’s mal aus – und so bin ich beim Boxen gelandet.

Wie bewertest du allgemein den Stellenwert des Kampfsports in Südafrika und das Angebot, diesen auszuüben? Es gibt ja neben Boxern auch sehr erfolgreiche MMA-Kämpfer – wenn man beispielsweise an Dricus du Plessis denkt.

Sowohl Boxen als auch – wie du gesagt hast – MMA, Jiu-Jitsu … die Spanne ist groß, sehr angesagt und weit verbreitet in Kapstadt.

Nach einigen Amateurkämpfen hast du auch dein Profidebüt gegeben. War es für dich ein festes Ziel, in den Profibereich zu wechseln?

Tatsächlich nicht von Anfang an. Ich habe mit Fitnessboxen angefangen – da war an eine Profikarriere überhaupt nicht zu denken. Als ich dann aber angefangen habe, auch Amateurkämpfe zu machen und ein bisschen Blut geleckt habe, ist es relativ schnell zu einem persönlichen Ziel geworden. Was auch daran liegt, dass in dem Gym, in dem ich trainiere, der Großteil der anderen Kämpfer Profis sind. Dementsprechend ist der Trainingsstil auch eher auf die Profis ausgerichtet.

Ein abenteuerliches Profidebüt in Malawi

Die Ankunft in Malawi.

Dein Profidebüt hast du in Malawi bestritten – einem der ärmsten Länder der Welt – und dann auch noch gegen eine Gegnerin, die deutlich schwerer war als du. Eine ziemlich abenteuerliche Konstellation.

Tatsächlich. lacht Es war eine Erfahrung. Es war nicht leicht – und etwas, das mich im Vorfeld viel Überwindung gekostet hat. Mein Trainer konnte wegen Visa-Problemen selbst nicht mitkommen, deshalb bin ich nur mit meinem Promoter geflogen – der natürlich ein super Promoter und Boxmanager ist, aber eben kein Coach. Ein Profidebüt gegen eine schwerere Gegnerin, ohne Trainer – das war schon sehr nervenaufreibend.

Im Endeffekt war es aber eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte – und die mich letztlich auch befähigt hat, weitere Kämpfe zu bestreiten, unter Bedingungen, wie ich sie mir wünsche.

Das Profidebüt hast du ja auch deshalb in Malawi gegeben, um die Boxlizenz zu erhalten.

Ich habe eine deutsche Boxlizenz, und Boxing South Africa (die Kommission – Anm. d. Red.) erlaubt es nicht, dass Personen mit einer ausländischen Lizenz ihr Profidebüt in Südafrika geben. Dementsprechend musste ich mein Debüt in einem anderen Land absolvieren. Das war auch der Grund, warum wir kurzfristig nach Malawi geflogen sind – und den Kampf trotz der deutlich schwereren Gegnerin quasi annehmen mussten, nach dem Motto: Augen zu und durch. Sonst hätte ich den Kampf zwei Wochen später in Johannesburg nicht antreten können.

Du hast dein Debüt verloren, was in der Bilanz sichtbar bleibt. Bereust du es, diesen Schritt gegangen zu sein – oder würdest du es heute genauso wieder machen?

Ich hoffe immer noch, dass die Niederlage dort gelöscht wird. Eigentlich war die Abmachung zwischen meiner Gegnerin, den Promotern und dem Malawi Professional Boxing Control Board, dass der Kampf bei einem Nicht-Sieg meinerseits als No Contest gewertet wird – aufgrund des massiven Gewichtsunterschieds. Das war im Vorfeld so abgesprochen. Jetzt hat das Board die Niederlage in meinen Rekord eingetragen, was so nicht vereinbart war. Der Deutsche Boxverband ist mittlerweile auch dran und versucht, das korrigieren zu lassen – ob das gelingt, weiß ich allerdings nicht.

Ich bereue es trotzdem nicht und würde es genauso wieder machen. Die Niederlage sieht auf dem Papier natürlich erstmal ärgerlich aus – vor allem, solange ich noch nicht viele Kämpfe habe. Aber ich glaube, es ist gar nicht so schlecht, wenn man aufgrund des Kampfrekords unterschätzt wird. lacht Ich bin fest davon überzeugt, dass – sobald ich in meiner eigentlichen Gewichtsklasse kämpfe – das ganz schnell überquellen wird vor lauter Siegen.

Ich bin aber mit einem super starken Mindset in den Kampf gegangen und war fest überzeugt, dass ich den Kampf vorzeitig beenden werde

Kennt keine Gnade. Hanna von Wirth stoppt ihre Kontrahentin in der ersten Runde.

Apropos Siege: Erfreulicher verlief hingegen dein zweiter Profikampf vor wenigen Tagen in Johannesburg, bei dem du einen überzeugenden vorzeitigen Sieg in Runde eins erzielt hast. Hat dich der schnelle Ausgang überrascht?

Jaein. Es hat mich überrascht, dass es so schnell ging – damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich bin aber mit einem super starken Mindset in den Kampf gegangen und war fest überzeugt, dass ich den Kampf vorzeitig beenden werde. Woher dieser plötzliche Anflug von Selbstbewusstsein kam – ich kann es dir nicht wirklich sagen. lacht

Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich schon einige schwere Kämpfe hinter mir hatte – auch gegen schwerere Gegnerinnen. Wahrscheinlich war das der Grund, warum ich dachte: Jetzt kämpfe ich endlich mal gegen eine gleichschwere Gegnerin – das wird leichteres Spiel.

Wie hat es sich für dich angefühlt, im Ring zu stehen und deinen ersten Profierfolg zu feiern?

Toll! Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und mich total angefixt, so schnell wie möglich den nächsten Kampf zu bestreiten. Es war einfach ein schönes Gefühl, das mich stolz gemacht hat – und es war auch schön zu sehen, wie stolz mein Team war: mein Trainer, meine Familie. Ich habe super viele liebe Nachrichten bekommen – das hat sich richtig gut angefühlt.

Du sprichst schon einen neuen Kampf an. Steht diesbezüglich schon etwas Konkretes fest?

Noch nicht ganz konkret – wenn ich das überhaupt so sagen darf. Es gibt vielleicht im August eine Möglichkeit für mich in Südafrika. Aber es hängt davon ab, ob die potenzielle Gegnerin den Kampf annimmt und es am Ende zustande kommt.

Wenn du dich als Boxerin beschreiben müsstest: Was zeichnet Hanna im Ring aus?

Meine Schlagkraft ist definitiv eine meiner größten Stärken – vor allem im Verhältnis zu meinem Gewicht. Ansonsten würde ich sagen, dass ich eine ganz gute Beinarbeit habe und jemand bin, der gerne Druck macht und nach vorne geht.

Das Schöne am Individualsport ist ja, dass man sich seine Ziele sehr individuell setzen kann. Als Boxneuling mit Anfang 30 wird man vielleicht nicht mehr Weltmeisterin – aber womöglich andere Erfolge erringen. Hast du ein langfristiges Ziel, das du im Profiboxen noch erreichen möchtest?

Den Weltmeistertitel würde ich nicht ganz ausschließen. lacht Mein erstes großes Ziel war es, Profi zu werden – und mein nächstes Ziel ist nun, so viel Erfahrung und Siege wie möglich zu sammeln. Und dann hoffentlich auch irgendwann mal um einen Titel zu boxen. Das Schöne im Frauenboxen – speziell in meiner Gewichtsklasse – ist, dass es nicht so viele Gegnerinnen gibt. Deshalb ist ein Titelkampf vielleicht nicht ganz so abwegig wie in anderen Gewichtsklassen, in denen es fünf- oder sechsmal so viele Frauen gibt.

Du sprichst von Erfahrungen, die du sammeln möchtest. Du bist zurzeit in Duisburg, trainierst in einem bekannten Gym. Welche Eindrücke nimmst du von dort mit – im Vergleich zu den Gyms in Südafrika?

Das Training ist ganz anders. Es tut mir super gut – Salih (Salih Yildirim, Anm. d. Red.) ist ein sehr guter Trainer mit viel Erfahrung, auch wenn er bisher nicht mit vielen Frauen gearbeitet hat. Das Training hier ist sehr technisch – das kenne ich so aus Südafrika nicht. Dort ist es eher oldschool: einfach hart zuschlagen, viel Sandsackarbeit. In Deutschland wird deutlich technischer gearbeitet.

Denkst du, dass du viele dieser Eindrücke auch in Südafrika implementieren kannst?

Definitiv. Es ist leider immer auch eine Schattenseite, dass jeder Trainer seinen eigenen Stil und seine eigene Meinung hat. Ich habe mir gewisse Dinge angewöhnt, die im anderen Land dann wieder etwas ausgeprügelt werden. Ich glaube, es geht vor allem darum, seinen eigenen Stil zu finden, was auch mit der Erfahrung kommt. Aber ich nehme definitiv etwas mit, vor allem was Trainingsroutinen und Professionalität angeht.

Viele Kampfsportler zieht es aktuell nach Thailand – du warst selbst längere Zeit dort. Welche Erfahrungen konntest du dort sammeln?

Das stimmt. Ich war kürzlich für sechs Wochen in Thailand in einem Trainingscamp – in einem Gym, das sich auf Western Boxing spezialisiert hat. Auch dort hatte ich einen super Trainer. Das Schöne war, dass ich zu der Zeit Urlaub hatte – ich konnte also meine ganze Energie ins Training stecken.

Thailand hat mir vor allem in puncto Fitness massiv geholfen – die war dort um Welten besser, was sicher auch am Klima lag. Auch technisch habe ich viel mitgenommen, weil viele Kämpfer aus unterschiedlichen Ländern gleichzeitig im Camp waren. Dadurch hatte man viele verschiedene Sparringspartner.

Zurück nach Deutschland: Wie sieht es mit einem Profikampf hierzulande aus? Der familiäre Support wäre hier sicher größer als in Südafrika, oder?

Grundsätzlich sage ich zu keinem Kampf nein – egal wo: Deutschland, Südafrika, Thailand oder Mexiko – ich nehme alles mit. lacht Aber natürlich würde ich früher oder später gerne auch mal in Deutschland kämpfen. Mit meinen Freunden und meiner Familie vor Ort – die mich zwar auch aus der Ferne virtuell super unterstützen, aber live dabei zu haben, das wäre schon etwas Feines.

Ich bin eigentlich ein ganz netter Mensch – und es ist definitiv nicht meine Absicht, Männerherzen zu brechen.

Hanna von Wirth und Emma Mohono freundschaftlich nach dem Kampf in Johannesburg.

Dein Kampfname „The Heartbreaker“ lässt aufhorchen. Müssen sich also nicht nur Frauen im Ring in Acht nehmen – sondern auch die Männer außerhalb davon?

lacht Den Namen habe ich mir nicht selbst gegeben – das war mein Promoter Brad, mit dem ich damals nach Malawi geflogen bin. Zu der Zeit hatte ich noch keinen Kampfnamen und war auch überzeugt, dass das nicht so wichtig ist. Er meinte aber: „Du brauchst auf jeden Fall einen!“ Und dann hat er mich The Heartbreaker genannt.

Seine Begründung war: „Hanna, du bist eine schöne Boxerin – du wirst wahrscheinlich noch vielen Männern das Herz brechen.“ Ich würde das jetzt nicht unbedingt so unterschreiben. lacht Ich bin eigentlich ein ganz netter Mensch – und es ist definitiv nicht meine Absicht, Männerherzen zu brechen.

Abschließende Frage: Abseits deiner Kampfsportkarriere – welches langfristige Ziel hast du noch, das dich bewegt und das du gerne verwirklichen würdest?

Gute Frage – schöne Frage. Ich muss ehrlich sagen: Das Boxen steht bei mir gerade sehr im Vordergrund. Mein Leben ist aktuell ziemlich stark auf diesen Sport ausgerichtet. Langfristig möchte ich aber früher oder später eine Familie gründen – vielleicht auch etwas zur Ruhe kommen und mich irgendwo setteln. Das wäre ein langfristiges Ziel. Aber ich würde sagen, das liegt momentan noch ein gutes Stück in der Zukunft.

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