Es ist vorbei. Vergangene Samstagnacht wurde die Trilogie besiegelt. Canelo dominierte in bestechender Form. GGG zeigte eindeutige Anzeichen von seinem endgültigen Abschied aus der Welt-Super-Elite. Jetzt wo das Schiff endgültig den Hafen verlassen hat und wir Abschied von dieser monumentalen Rivalität nehmen konnten, schauen wir noch einmal zurück und fassen ihre Bedeutung zusammen.
Der Superfight
„Wenn sich der Staub legt und die zwei Kämpfer, die hervorkommen gegeneinander antreten, dann reden wir von einem Superfight“, so das legendäre Zitat von HBO Kommentator Max Kellermann seiner Zeit. Niemand hat so richtig dran geglaubt, bis es dann endlich passierte. Vor Canelo vs. GGG I war Golovkin der „most avoided Fighter“ (der Kämpfer dem man am liebsten aus dem Weg geht) im Mittelgewicht. Die brutale Power in beiden Händen, ausgezeichneter Ring-IQ und ein stahlhartes Kinn. Golovkin? Danke, nein danke. Canelo war das Phänomen, das durch die Gewichtsklassen raste und einen Gegner nach dem anderen lächerlich aussehen ließ, obwohl er erst Anfang 20 war.
Die Boxwelt schrie nach diesem Kampf, und sie bekam ihn. Die Sterne standen einfach perfekt. Beide Stars in bestechender Form, beide mit einer immensen Zugkraft und großen Fanlagern. Canelo vs. GGG I war verdammt dazu, ein episches Duell für die Geschichtsbücher zu werden. Der Teufel selbst hätte sich kein fieseres Drehbuch ausdenken können. Ein mega Build-Up, ein mega Kampf und dann dieses niederschmetternde Ergebnis. „Adalaide Byrd scores it…“ – beim wiederholten Anschauen des Urteils explodiert das faire Sportler- oder Golovkin-Fan-Herz an dieser Stelle jedes Mal aufs neue vor Wut. 118-110 für Canelo. Damals eine kontroverse Entscheidung, heute ein Schandfleck in der Geschichte. Nach 36 Runden von Canelo vs. GGG hat Golovkin nichts vorzuweisen – außer ein Unentschieden. Für jeden Normalsterblichen der sich niemals mit den Kämpfen befassen wird, heißt das: Canelo war der Bessere. Es fehlen einem die Worte, um den vollen Umfang seines Missmutes zu beschreiben. Das hat GGG nicht verdient.
Das Rematch
Zurecht flogen nach diesem Urteil die Fetzen. Abel Sanchez konfrontierte Canelo direkt auf der Pressekonferenz. Die meisten Medienvertreter stimmten zu, „GGG won that fight“, (GGG hat diesen Kampf gewonnen), aber es war nun mal entschieden. Es folgte der Rückkampf, ein Jahr später, und es gab eine große Veränderung. Canelo hatte sich weiter entwickelt, GGG blieb GGG. Revue passierend kann man deutlich sagen, dass dieser Moment für Canelo monumental war. Nach der Niederlage gegen Floyd Mayweather entwickelte Canelo sich schon unglaublich positiv weiter, nach der gefühlten Niederlage gegen GGG (dem Unentschieden aus dem Jahr zuvor), ebenfalls.
Niemand hatte zu dem Zeitpunkt die Kühnheit besessen, GGG in den Rückwärtsgang zu schicken. Canelo war aggressiv, boxte offen, aber blieb beweglich und ist bis zum heutigen Zeitpunkt der Einzige, der GGG’s Power standhalten konnte. Nicht einen einzigen Knock-down hat GGG gegen Canelo erzielt. Man möge sich an dieser Stelle nochmal die Zeitlupen der Schläge anschauen, die GGG sauber gegen Canelo gelandet hat. Jedes andere Mittelgewicht, vermutlich jedes andere Mittelgewicht der Geschichte, wäre da mindestens einmal zu Boden gegangen. Aber auch an dem Ergebnis des Rematches scheiden sich die Geister. Hätte Golovkin im ersten Durchgang keine 110-118 Wertung bekommen, wäre im zweiten Durchgang der Canelo-Sieg bestimmt verkraftbarer gewesen.
Aus den Augen, aus dem Sinn!
Canelo hatte nichts mehr, was ihn im Mittelgewicht hielt. Zumal hatte Golovkin die Division ja so gut wie im Alleingang auf links gedreht. Es gab keine wirklichen Herausforderungen mehr. Saul Alvarez folgte dem Ruf, Geschichte zu schreiben. Canelo ging in den Gewichtsklassen hoch und dominierte seine Gegner nach belieben, wurde zum ersten unumstrittenen Champion im Super-Mittelgewicht und fand dann endlich nach Jahren eine scheinbar unlösbare Aufgabe in Dmitry Bivol. Canelo wirkte ausgelaugt. Sein sich zum „One-hook-wonder“ entwickelter Stil war ineffektiv geworden. Nach so viel Siegen und geschichtsträchtigen Leistungen, war vermutlich auch einfach die Luft raus.
Golovkin kam zurück und dominierte weiter das Mittelgewicht, eine Division in der nicht mehr viel Hoffnung für den großen Markt bestand. Mit den zwei Canelo vs. Golovkin Kämpfen war eigentlich so ziemlich alles gesagt. Niemand im Mittelgewicht hatte das Niveau, das in diesen besagten 24 Runden gezeigt wurde. GGG zeigte, dass seine Power immer noch so effektiv ist, wie vor der ersten Niederlage seiner Karriere gegen Señor Alvarez. Doch langsam bahnte sich an, dass Golovkin sich in den letzten Atemzügen seiner Karriere befand. Der junge Derevyanchenko ärgerte den alten Hasen mal kurz richtig und gegen Murata brauchte die kasachische Dampflock auch etwas länger um aufzutauen. Dennoch, wenn er aufgetaut war, war GGG wieder GGG.
Der letzte Tanz
Was uns zum dritten und letzten Duell der beiden Legenden am vergangenen Samstag führt. Für beide sollte es so was wie eine Injektion neuen Lebens sein. Canelo brauchte wieder etwas, das ihn zurück zu höchstem Fokus brachte, was ihm wieder die ultimative Bedeutung seines Handwerks vor Augen führte. Golovkin brauchte endlich die klare Antwort, das Ausrufezeichen, ein Wegweiser, der endgültig in eine Richtung weisen kann. Tja, und die Antwort schmerzt leider etwas für Golovkin-Fans. Die Zeit ist endgültig vorbei, in der Triple G sich zur Super-Elite der Welt zählen kann.
Kann er im Mittelgewicht noch ein oder zwei Verteidigungen gegen Mandatory-Gegner hinlegen? Ganz bestimmt, doch es wird absehbarer mit jedem Kampf. Er wird langsamer, er braucht länger um warm zu werden und irgendwann wird es einfach zu lange brauchen und die Punkte gehen flöten. Sein Kinn und seine Power sind immer noch da, aber sein Raketen-Jab ist langsamer, die Finten wirken ineffektiver. Der Kampf am vergangenen Samstag hat einfach gezeigt: Golovkin ist alt geworden. Als Fan kann man nur hoffen, dass sein Team und er selbst das einsehen. Klar zeigte Canelo eine Monsterleistung, doch die Tendenzen der zwei vorangegangenen Kämpfe, zeichneten sich von Golovkin klar ab.
Mein Gott Canelo…er ist wieder da. Saul Alvarez hat seine Zweifler wiedermal zum Schweigen gebracht. In der ersten Hälfte des Kampfes zeigte Canelo warum in der Vorberichtserstattung immer wieder erwähnt wurde, dass er in der Blüte seiner Karriere ist. Endlich jabte er wieder, doppelte den Jab, zeigte seine blitzschnellen Finten, seine überragende Defense und Kopfbeweglichkeit. Die harten Einzelschläge waren auch dabei – ein komplettes Paket. Dieser Canelo hat beste Chancen in einem Rematch mit Bivol. In der zweiten Hälfte des Kampfes merkte man auch schon anhand von Eddie Reynosos Eckenansagen, dass sich keiner mehr Sorgen machte um den Sieg. Alvarez ging vom Gaspedal, was GGG wieder etwas kommen lies. In den letzten zwei Runden sah Golovkin tatsächlich wieder richtig gut aus, doch da war der Kuchen schon gegessen. Einstimmiger Sieg, vollkommen zurecht.
Das Ende
…eine lange und innige Umarmung. Persönliche Momente zwischen Gennadiy und Saul. Was für ein Wahnsinn: nach all den Jahren, vor all den Millionen Menschen die sich auf diesen Kampf gestürzt haben, sind die zwei auf einmal ganz allein und versinken in Respekt, Dankbarkeit und Hochachtung voreinander. Was für ein unglaublich schöner Moment. Canelo und GGG waren stilistisch für einander gemacht, besser gesagt, für den Boxsport gemacht. Die 36 Runden haben außer Knockdowns und Unsportlichkeiten so ziemlich alles, was man an Exzellenz im Ring sehen können will. Technik, Taktik, Power, Wille, Emotion – Alles. Abseits des Rings gab es Diskussionen zwischen Fans, Reportern, Promotern, Boxern. Es wurde ein bisschen Schlamm geworfen, es wurde Kontroverse geschürt. Diese Trilogie war wichtig für das Mittelgewicht, wichtig für den Sport. Ebenso war es wichtig, dass sie jetzt endlich zu Ende ging, kein bisschen später hätte das passieren dürfen.
Das Boxen schreibt seine eigenen Drehbücher, doch das von Golovkin hätte jetzt ein einziges Hollywood-Ende: Ein letzter großer Kampf gegen Charlo. Sieg oder Niederlage, danach ab in den Ruhestand.
Canelo hat jetzt wieder Aufwind und seine Karriere ist so oder so in besten Händen. Der Rückkampf gegen Bivol ist jetzt wieder etwas spannender, nach einer so starken Leistung in der ersten Hälfte gegen Triple G. Er hat Golovkin überlebt, ohne große Schäden. Er wird als Gewinner dieser Story in Erinnerung bleiben, er hat diese Trilogie beendet. Hätte Golovkin gewonnen, stünde es nun 1 zu 1 zu 1. Es käme wahrscheinlich zum vierten Durchgang, das hätte sich gezogen wie alter Käse und wieder Platz für neue Kontroverse eingeräumt. Nein, es reicht jetzt, es ist vorbei.
Aufgeräumt haben die zwei Ausnahmeboxer allemal. Das Mittelgewicht muss jetzt nachziehen und wieder erstarken. Es ist Zeit für Neues. Die Geschichte hat nun ein weiteres Vorbild einer großen Trilogie, nach denen sich neue Champions richten können. Neue Charaktere, mit eigenen Stories und Hintergründen werden ihren Weg nach oben suchen und im besten Fall selbst Geschichten schreiben von denen man irgendwann sagen kann: eine Rivalität, oder eine Trilogie wie einst Canelo und GGG.
canelo sollte mit Felix Sturm boxen..
Der Artikel passt zu den drei Kämpfen. Er ist genau so hervorragend.Perfekte Kampfanalyse, alles wichtige dargestellt und zwei Ausnahmefighter mit der dementsprechenden Würdigung geehrt. Das Fazit wiederum perfekt getroffen. Bravo! Nach solchen Beiträgen macht der Boxsport noch mehr Spaß Bravo!