Felix Sturm im Interview: „Wir haben tolle, talentierte Boxer in Deutschland“

Am kommenden Samstag steigt der fünffache Weltmeister Felix Sturm in der ratiopharm Arena in Neu-Ulm erneut in den Ring. BOXEN1 sprach mit ihm im Interview über seine Karriere, die Wahl des Gegners und seine Ambitionen, die mit 46 Jahren ungebrochen scheinen.

Vor WBA-Titelkampf gegen Benjamin Blindert: Felix Sturms Motivation ist auch mit 46 Jahren ungebrochen

Felix Sturm steht mit 46 Jahren noch immer im Ring und verfolgt klare Ziele. Seine Motivation ist ungebrochen, wie er BOXEN1 verriet. Er betont, dass es für ihn entscheidend sei, ein klares Ziel vor Augen zu haben. Das erleichtere vieles im Leben. Aktuell konzentriert er sich darauf, seinen nächsten Kampf zu gewinnen und sich für eine weitere Weltmeisterschaft zu empfehlen. Trotz seines Alters fühlt er sich körperlich fit und macht sich keine Gedanken darüber, wie viele Jahre auf dem Papier stehen.

Seit seinem letzten Kampf ist über ein Jahr vergangen, doch lange Pausen haben ihm noch nie Probleme bereitet, denn er bleibt in Form, ohne sich zu überlasten, wie er selbst von sich sagt. Das Boxen hat „The Fighter“, der zu besten Zeiten vor 19.000 Zuschauern gekämpft hat, nie verlernt und seine Liebe zum Sport ist ungebrochen. Das machte er nicht nur in den unzähligen Interviews im Vorfeld vom Event „Ein Sturm zieht auf“ klar, was in Kooperation von AGON Sports und Sturm Boxing veranstaltet wird.

Felix Sturm und Benjamin Blindert / Foto: AGON Sports

Felix Sturm: „Die Gegner werden immer kritisiert“

In dieser Phase seiner Karriere gehe es ihm darum, die Kämpfe zu bestreiten, die für ihn realistisch und sinnvoll sind. Der bevorstehende Kampf gegen Benjamin Bindert ist genau so ein Kampf. Und genau hier wurde Kritik laut. BOXEN1 sprach mit Felix Sturm im Vorfeld seines Kampfes am kommenden Samstag.

Einige kritisieren die Gegnerwahl und die Tatsache, dass ihr um den WBA Gold Titel boxt. Was möchtest du diesen Kritikern sagen?

Felix Sturm: „Die Gegner werden immer kritisiert. Das ist nun mal so. Der, der den Ball hat, der wird immer angegriffen. Das war schon immer so, nicht nur bei mir. Bei allen großen Leuten, da kann man jetzt die ganzen Top Ten der aktuellen Weltrangliste nehmen und die Top 100 der besten Boxer, die es je gab, in den letzten zehn Jahren.“

„Egal gegen wen man boxt, irgendwas passt immer nicht. Er war zu schwach. Es war zu früh. Er war dem Kampf nicht gewachsen. Er war zu nervös. Er hatte keinen guten Tag. Also, wenn man Kritik finden will, wird man sie auch früher oder später finden. Aus irgendeinem Grund. Der Kampf hat sich ergeben. Wir haben das Kampf-Angebot angenommen. Benjamin Blindert wird motiviert sein. Und es gab schon viele Überraschungen im Boxen und ich habe mir auch mittlerweile abgewöhnt, mir da allzu großen Kopf zu machen, weil es gibt halt Leute, denen kann man es nie recht machen, ganz egal wie. Ich habe eine sehr, sehr lange Karriere hinter mir, habe sehr viele Kämpfe gemacht, habe denke auch sehr, sehr viele, sehr gute Leute geboxt und geschlagen. Deswegen glaube ich, brauche ich mir da jetzt nicht allzu viel einen Kopf machen, ob es dem einen oder anderen nicht gefällt, gegen wen ich gerade boxe.“

Deine erste Niederlage als Profi war 2004 gegen De La Hoya – also vor 20 Jahren. Viele sahen dich damals als den wahren Sieger. Was hat diese „Niederlage“ rückblickend mit dir gemacht und welchen Rat gibst du den jüngeren Boxern mit, die ihre 0 nicht verlieren wollen bzw. gerade aus einer Niederlage kommen?

Felix Sturm: „Ja, De La Hoya ist schon 20 Jahre her. Und rückblickend, was soll ich sagen, war es natürlich ein Riesenschritt für mich nach vorne. De La Hoya war ein Riesenname damals. De La Hoya ist in der Boxszene ein sehr großer Name und für mich war das eine sensationelle Nacht. Es war ein toller Kampf und ich habe viel Erfahrungswerte gesammelt, weil ich einfach in dieser Nacht extrem gewachsen bin und auch mir selber und der Außenwelt bewiesen habe, wie viel Potenzial ich habe. Und egal ob es eine Niederlage war, ob verdient oder unverdient. Ich habe nur durch diesen Kampf gewonnen.“

„Ich bin für diese Nacht sehr, sehr dankbar und für diesen Kampf. Ich will diese Nacht auch nicht missen. Ich hätte natürlich gerne noch einen Rückkampf bekommen, aber es war halt nicht so und deswegen ist es auch nicht schlimm. Ob die Null jetzt da weggegangen ist, das ist nicht so schlimm. Ich meine, am Ende des Tages, das gehört dazu. Man weiß, Boxen ist ein Sport, wo man jederzeit verlieren kann. Auch den Besten ist es passiert. Ich habe da meine Null verloren. Aber das ist nicht so schlimm. Viel wichtiger ist für mich meine gesamte Karriere, wie sie verlaufen ist. Und ich bin mit meiner gesamten Karriere sehr zufrieden.“

In einem Interview bei AGON Sports auf dem YouTube-Kanal sagtest du, dass du den jungen Boxern, den Newcomern eine Bühne bieten willst. Was ist aus deiner Sicht noch wichtig für die nächste Generation außer einer Bühne (zB Management, Marketing)?

Felix Sturm: „Ja, ich möchte ihnen eine Plattform geben. Wir haben tolle, talentierte Boxer in Deutschland. Bei AGON Sports sind einige der talentierten Boxer, einige davon werden jetzt auch am 15. Februar boxen. Ich habe von großen Namen früher profitiert. Ich durfte da mitboxen im Rahmenprogramm. Ich hoffe, ich kann den Jungs jetzt die gleiche Bühne geben und sie profitieren von mir und einem breiteren Publikum. Auch in der Halle können sie sich präsentieren und so, dass die Leute auch sagen: ‚guck ich mir wieder gerne an‘ und ‚den werde ich mir auch im Fernsehen anschauen‘. Ich hoffe einfach, sie profitieren in der Hinsicht, dass viel mehr Leute vor den TV-Bildschirmen und auch in der Halle auf sie aufmerksam werden.“

Was war rückblickend dein schönster Moment in diesem Sport?

Felix Sturm: „Der schönste Moment in meinem Sport? Ich würde sagen, meine erste Weltmeisterschaft. Eigentlich fast jede Weltmeisterschaft, würde ich sagen. Es ist immer was Besonderes, wenn man dann zum neuen Weltmeister gekürt wird. Aber natürlich auch für mich ein Highlight, war mein erster großer Gewinn. Das war bei den Deutschen Meisterschaften als 16-jähriger Boxer. Dass ich da deutscher Juniorenmeister geworden bin und dann auch bei den Junioren Europameister.“

„Es gibt gewisse Kämpfe bei den Amateuren und bei den Profis, die natürlich im Gedächtnis bleiben, weil da auch sehr viel dran hing und sehr, sehr viel Anspannung damals war, wie meine erste Weltmeisterschaft, wo ich fünf Tage vorher Bescheid bekommen habe, dass ich eine Weltmeisterschaft boxen kann oder auch meine vierte Weltmeisterschaft, meine dritte Weltmeisterschaft. Viele schöne Momente. Ich könnte jetzt keinen speziellen Moment rauspicken. Es gab sehr, sehr viele schöne Abende, tolle Kämpfe mit sehr, sehr viel Atmosphäre, die auch immer in meinem Kopf bleiben werden. Aber einen speziellen Moment im speziellen Kampf kann ich jetzt nicht nennen, weil es einfach viele schöne Momente gab.“

Du bist als Adnan Catic geboren worden. Bei Universum „verpasste“ man dir dann aus Gründen der besseren Vermarktung den (Künstler?)Namen Felix Sturm. Ist dieser Schritt aus heutiger Sicht richtig gewesen? Sollten sich junge Boxer in Deutschland einen „deutschen Namen“ geben (lassen)? Wer hatte die Idee zu diesem Namen?

Felix Sturm: „Adnan Catic ist mein richtiger Name. Er wird es auch immer bleiben. Felix ist ein Künstlername. Ob ich es im Nachhinein nochmal machen würde, weiß ich nicht. Ich glaube eher nicht. Ich habe überzeugt. Nicht wegen meinem Künstlernamen, was eigentlich gang und gäbe ist. Nicht nur in der Sportwelt, auch in der Musikbranche, in der Schauspielbranche: in Hollywood gibt es da genug Leute. In der deutschen Filmszene und Musikbranche gibt es davon mehr als genug Leute, die einen Künstlernamen haben, weil es sich besser vermarkten lässt. Aber bei mir ist und war es der Fall, dass ich einfach mit Leistung überzeugt habe und nicht durch meinen Namen.“

„Klar, hat vielleicht bei der einen oder anderen Sache geholfen, aber am Ende des Tages habe ich mit Leistung überzeugt und ich denke, rückblickend war es die richtige Entscheidung. Ich habe die Entscheidung damals für mich getroffen und ich lebe mit dieser Entscheidung auch sehr, sehr gut. Aber es ist, wie es ist. Felix Sturm ist jetzt da. Felix Sturm ist ein Name, eine Marke. Es hat mir sicherlich auch geholfen, aber am Ende des Tages habe ich überzeugt durch meine Qualität. Ob ich einen Künstlernamen hätte oder nicht: Am Ende des Tages hätten die Leute mich, so glaube ich, ganz gut gefunden und mich gerne angeschaut wegen meinem boxerischen Können.“

Das von AGON Sports in Kooperation mit Sturm Boxing promotete Event wird am kommenden Samstag live auf DAZN in Deutschland, Österreich und der Schweiz übertragen. Im Vorprogramm will Ex-IBF-Weltmeister Vincenzo Gualtieri auch im Rückkampf gegen Alexander Pavlov überzeugen und sich den WBO Europa-Titel sichern. In einem weiteren Titelkampf steht der Berliner Hamsat Shadalov. Er trifft auf den ungeschlagenen Eduardo Bajak. Dem Sieger winkt der Gürtel des Internationalen Deutschen Meisters im Superfedergewicht.

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